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Nils Petter Molvaer (live in Mannheim, 2011) © Daniel Nagel

Der norwegische Trompeter Nils Petter Molvær wagt bei seinem Konzert in der Alten Feuerwache im Rahmen von Enjoy Jazz den Brückenschlag zwischen Jazz, Eletronica, Shoegazing und Post-Rock. Eine gewisse Distanz zum Publikum ist dabei einkalkuliert.

Was wäre der moderne Jazz ohne Miles Davis? Kein moderner Künstler hat ein so verwirrendes und vielseitiges Werk geschaffen, das trotz ständiger Beschäftigung stets neue Aspekte preisgibt. Jeder Musiker, der Elemente der Rockmusik oder Elektronica mit Jazz verbinden will, greift Ideen auf, die letztlich auf den großen Magier zurückgehen.

So ist der elektronische Miles Davis auch ein offensichtlicher Bezugspunkt der Musik von Nils Petter Molvær. Von den frühen elektronischen Alben der späten 1960er, wie In A Silent Way, hat Molvær die sehnsuchtsvolle, lyrische Spielweise adaptiert, die weite, offene Klangräume zu schaffen vermag. Die weitaus härteren und dichteren Aufnahmen der Jahre 1973/74, wie Dark Magus, liefern die Inspiration für die gewaltigen, abstrakten Klangwände, die Molvær mit seinem Trio erschafft.

Anders als Miles Davis ist die Musik jedoch vollkommen frei von souligen und vor allem funkigen Grooves. Ihr Puls ist eher mechanisch-kühl, als wolle Nils Petter Molvær eine gewisse Distanz zwischen sich und dem Publikum belassen. Schlagzeuger Erland Dahlen und Gitarrist (de facto: Bassist) Stian Westerhus treiben Molvær zudem stets in eine experimentelle, noise-gesättigte Richtung. Man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, dass mindestens einer der Musiker sehr viel The Jesus And Mary Chain (Psychocandy), My Bloody Valentine (Loveless) oder andere Shoegazing/Noise-Bands gehört hat, vielleicht auch ein wenig Post-Rock.

In weiten Teilen des Konzerts funktioniert Nils Petter Molværs Herangehensweise gut. Die elektronische Verfremdung der Musik durch Loops, Echo und Verzerrungen harmoniert mit dieser Sehnsucht nach "beautiful noise". Wie er seine Kompositionen aus zarten, lyrischen Anfängen in einem gewaltigen Crescendo durchdringend laut explodieren lässt, ist ebenso eindrucksvoll wie überzeugend. Nach einer gewissen Dauer stellt sich allerdings ein Gefühl der Übersättigung ein, da sich die Muster stets wiederholen.

Mehr Raum, mehr Offenheit hätten der Musik gelegentlich aber durchaus gutgetan. Miles Davis war nicht zuletzt ein so stilbildender Künstler, weil er auf das, was nicht gespielt wurde, mindestens so viel Wert legte, wie auf die hörbare Musik. Nils Petter Molvær sollte sich das zu Herzen nehmen.

Ansätze zu einer flexibleren rhythmischen Ausgestaltung sind beispielsweise durchaus vorhanden, aber ein frühes wunderbares, "musikalisches" Schlagzeugsolo bleibt einer der zu seltenen Versuche, die Klangvielfalt der Percussion auszunutzen. Dennoch zeigt sich das Publikum in der fast ausverkauften Feuerwache von Molværs Auftritt sehr angetan, applaudiert reichlich und lockt den Trompeter zum Abschluss des eineinhalbstündigen Konzerts mit seiner Band noch einmal für zwei Zugaben auf die Bühne.

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