Menomena

Menomena © Alicia J Rose

Drei Jahre war es still geworden um die aus Portland stammende Band Menomena. Mit ihrem aktuellen Album "Mines" erschien Mitte 2010 auch eines ihrer abwechslungsreichsten. Unser Redakteur traf Schlagzeuger Danny Seim in Berlin und sprach mit ihm über das aktuelle Album, den vielfältigen Sound, Joe Haege, die Liebe und Erinnerungen. Das Interview wurde vor dem Abgang Brent Knopfs geführt, der sich zukünftig nur noch seiner Band Ramona Falls widmen möchte.

{image}regioactive.de: Euer aktuelles Album heißt Mines. Was soll der Titel ausdrücken?
Danny Seim: Für das Wort "Mines" könnte man eine Vielzahl an Bedeutungen nennen. Seitdem wir als Band existieren, hoffen wir, dass unser neustes Album besser klingen wird als das vorige, wir noch leichter kommunizieren und einfacher und schneller Ideen austauschen können. Doch im Endeffekt erfüllt sich dieser Wunsch nie und wir stehen bei einer neuen Platte immer wieder am Anfang eines schwierigen Prozesses. Und wenn man wie wir unsere eigenen Songs jeweils individuell getrennt voneinander aufnimmt, dann ist es nicht ganz leicht, sich ständig gegenseitig hundertprozentig zu vertrauen. Wenn andere aus unserer Band unbedingt noch Sachen zu unseren Songs hinzufügen wollen, dann müssen wir uns selbst immer erst einmal damit auseinandersetzen und abfinden, da wir die Songs geschrieben haben und man etwas Eigenes ja nicht so gern verändert vorfinden möchte. Ähnlich geht es zu, wenn wir einen Song fertigstellen und ihn dem Gegenüber vorstellen. Dann kommt der Song ganz anders zu einem zurück, als man ihn demjenigen gegeben hat und man ärgert und fragt sich anfangs, was der andere eigentlich daraus gemacht hat und welche Intentionen er dafür hatte. Wenn man von dem eigenen Song besessen ist, ist das manchmal fatal. Dann dauert es eine gewisse Zeit bis man versteht, dass der andere einfach nur ein paar Dinge verbessern wollte. Denn man glaubt, dass der eigene Schatz nicht angetastet werden darf. Das ist eine der Bedeutungen, die ich im Begriff "Mines" sehe. Aber man kann das Wort natürlich auch anders interpretieren. Zum Beispiel kann das Wort genauso für Landminen oder Bomben stehen.

Nach eurem letzten Album Friend And Foe habt ihr alle eine Reihe von Soloprojekten gehabt. Da gab es zum Beispiel Dear Reader von Brent Knopf oder deine Band Lackthereof. Wie wichtig waren diese Soloprojekte für euch und wie haben sie das aktuelle Album beeinflusst?

Danny: Alle in der Band wissen, dass zwischen jedem Album von Menomena in der Regel immer so um die drei bis vier Jahre liegen. Ich finde, dass diese Auszeit eine gute Möglichkeit ist, um Soloaktivitäten nachzugehen. Vor allem, wenn man wie ich ein sehr rastloser Mensch ist. Wenn ich eine längere Zeit nichts kreatives tun würde, dann müsste man sich wahrscheinlich Sorgen um mich machen. Und ich denke, dass einem Soloprojekte auch psychologisch helfen, indem wir merken, dass wir trotz der eigentlichen Pause Musik machen wollen. Ohne Arbeit würde ich verrückt werden.

Ihr benutzt für eure Musikaufnahmen ein Computerprogramm. Wie funktioniert das?

{image}Danny: Es ist ein kleines Softwareprogramm, das Brent in den späten Neunzigern entworfen hat. Es ist sehr einfach aufgebaut und nennt sich "Deeler". Wir haben es über die Jahre benutzt und dieses Programm ist für uns ein einfacher Weg, um sehr schnell unsere Ideen zu generieren und zu erzeugen. Denn vor diesem Programm benötigten wir dafür viel zu viel Zeit. Jetzt kümmern wir uns erst um das Schlagzeug, dann um die Gitarren und dann um den Gesang und können innerhalb dieses Prozesses immer wieder in den einzelnen Parts und Takes herum experimentieren. Darüber hinaus ist die Software kostenlos, weil sie ja von Brent programmiert wurde.

Experimentiert ihr viel bei euren Aufnahmen?

Danny: Wenn man hunderte von Minuten Songmaterial aufnimmt, dann gibt es immer einen großen Teil an Material, den man noch nicht angefasst und benutzt hat. Irgendwann gibt es dann aber die Situation, dass man dieses unterschiedliche Material neu entdeckt und daraus dann doch noch einen Song macht. Dennoch bleibt bei einem Songmaterial von etwa zwanzig Songs oft etwa das Doppelte oder mehr an Material auf der Strecke. Aber das ist eigentlich normal, wenn man einen Song aufnimmt. Dass man aus einer Masse von Aufnahmen einige auswählt, diese Teile für die zu entstehenden Songs benutzt und dann mit dieser kleinen Fülle an Material arbeitet, während man die anderen Aufnahmen zum Beispiel für B-Sides oder andere Dinge benutzt.

Im Promo-Text zu eurem Album habe ich gelesen, dass du meintest, dass alle Perfektionisten auch Kontrollfreaks sind. Wenn ihr alle Perfektionisten seid: Fällt es euch dann nicht schwer zu dritt zusammenzuarbeiten?

Danny: Jedenfalls ist das nicht ganz einfach. Denn wenn ich einen Song schreibe und die gesamten Instrumente wie die Gitarre, das Schlagzeug oder den Gesang einspiele und das dann jemand anderem gebe, dann hat das, wie ich schon vorhin beschrieb, viel mit Vertrauen zu tun. Zwar ist es einerseits gut, wenn wir uns bei den Aufnahmen gegenseitig immer wohler fühlen und dass wir im Laufe der Zeit gelernt haben, den Sound für uns immer perfekter zu machen. Aber das bedeutet auch, dass die Aufnahmen definitiv länger dauern, da wir eben extreme Kontrollfreaks sind.

Als was für eine Person würdest du dich generell bezeichnen?

Danny: Ich glaube, ich bin die Person in der Band, die die Quantität vor die Qualität stellt. So habe ich ungefähr vierzig Songs aufgenommen, von denen aber neunundreißig Songs grottig waren. Höchstens ein Song war okay. Auf der anderen Seite gibt es Justin, der wiederum lieber die Qualität über die Quantität stellt. In drei Jahren schrieb er höchstens sechs Songs, aber fünf von diesen waren schließlich auf der finalen Albumversion drauf. Und klar ist: Fünf von sechs Songs, die gut sind, klingt besser als wenn man sagen muss, dass nur einer von vierzig Songs gut klingt.

{image}Wenn ich euer Album höre, kann ich drei unterschiedliche Sounds heraushören. Da gibt es einmal den Kunstrock von Brent Knopf in Songs wie Killemal oder Intil, den melancholischen und emotionalen Sound von dir in Dirty Cartoons oder Tithe sowie den harschen, bluesigen und rauen Sound von Justin Harris in Songs wie Taos oder Bote. Aber wie würdest du euren Sound generell zusammenfassend beschreiben?

Danny: Ich denke, dass wir alle sehr verschieden sind, was den Stil angeht. Das betrifft auch die Musik, die wir mögen und selbst hören. Ich finde aber, dass das ganze Album damit vereinbar ist und nicht so klingt als wären es drei Soloalben. Das Album klingt nach einer funktionierenden Band.

Ihr benutzt in eurer Musik eine Reihe von Instrumenten wie zum Beispiel das Saxophon, obwohl ihr ursprünglich ja nur zu dritt als Band existiert. Wie funktioniert das auf euren Konzerten, zu dritt so viele Instrumente in eure Musik einzubinden? Und ist das der Grund, warum euch Joe Haege auf der Tour unterstützt?

Danny: Ja, genau. Auf den älteren Alben haben wir versucht, die Songs so zu konzipieren, dass wir die Musik zu dritt auch auf der Bühne performen konnten. Aber beim Album Mines konnten wir diese Überlegung eigentlich von Anfang an vergessen. Es gibt so viele Sachen und Kleinigkeiten, die das Album ausmachen, dass wir uns nach den Aufnahmen fragten, wie wir es schaffen sollten, diesen Sound ohne Hilfe auf die Bühne zu transportieren. Deswegen fragten wir Joe Haege, weil wir eben merkten, dass wir dafür noch jemanden brauchten und ihn schon seit sechs oder sieben Jahren kennen. Kennst du 31 Knots und Tu Fawning? In diesen Bands spielt er ja auch. Er ist einer meiner Lieblingsmusiker in Portland. Als wir ihn fragten, ob er sich der Band anschließen möchte, hofften wir einfach nur, dass er zusagte. Und das tat er dann zum Glück auch. Da er sowohl gut Gitarre spielen als auch wunderbar singen kann, hilft er einem sehr auf der Bühne. Aber seine Bands sind auch fantastisch. Wenn er hier mit seinen Bands in Berlin ist, solltest du ihn unbedingt besuchen gehen.

Auf eurem Albumcover ist eine nackte, weibliche Statue zu erkennen. Was soll dieses Artwork bedeuten?

Danny: Die Statue stand dort in Portland, wo wir das Album aufnahmen. Das war zumindest die ganze Zeit so, bis die Statue vor etwas über einem Jahr gestohlen wurde und die Diebe ihr die Arme abschnitten. Die Polizei entdeckte die Statue erst sechs Monate später und brachte sie zurück. Doch sie war sehr beschädigt. Dennoch fand ich es angemessen, die Statue auf dem Albumcover zu zeigen, da ich dieses Bild von diesem Kunstwerk sehr schön finde.

Im Song Taos singt ihr "We Have All Got Our Vices". Welche persönlichen Laster hast du selbst?

Danny: Ich würde sagen, dass meine Laster auf jeden Fall die Zigaretten und das Bier sind.

Ein anderer Song heißt Killemal und dreht sich um die persönlichen Geister von jemanden. Welche persönlichen Geister hast du?

{image}Danny: Das ist eine schwere Frage. Ich würde meinen Geist wohl als sehr freundlich bezeichnen. Und vielleicht würde er aus einem jahrhundertealten Haus stammen und mir immer eine Gute Nacht wünschen.

Ein anderer Song heißt Oh Pretty Boy You're Such A Big Boy. Da geht es um die Liebe und die Furcht vor ihr. An einer Stelle singt ihr "All my life I've run away/ from those who've begged me to stay/ all your love is not enough". Was ist Liebe für dich und wann ist die Liebe stark genug?

Danny: Du stellst wirklich sehr gute, aber auch sehr schwere Fragen. In den letzten paar Jahren sind in unserem Leben viele Dinge passiert. Brent und ich heirateten jeweils, aber trennten und schieden uns dann auch wieder. Und in unserer künstlerischen Laufbahn kamen wir an den Punkt, an dem wir unsere Jobs verlassen und allein mit Menomena Musik machen konnten, um davon zu leben. Beides geschah etwa zur gleichen Zeit. Es geht in dem Song speziell darum, meine beiden Leidenschaften auszubalancieren. Und zwar die Liebe, die ich in meiner Privatsphäre manchen Menschen geben möchte, in einem guten Gleichgewicht zu meiner Liebe zur Musik zu halten. Denn das ist manchmal schwer zu kombinieren. Es geht um die Balance zwischen der Kreativität und den privaten Dingen.

Ein weiterer Song von euch heißt Sleeping Beauty. Dort singt ihr an einer Stelle "Recollection will betray us". Wie real sind für dich Erinnerungen?

Danny: Ich habe meine Kindheit eigentlich sehr gemocht. Aber mein Vater war Lehrer und reiste viel herum. So hatte er verschiedene Jobs in unterschiedlichen Teilen der USA. Und so verbrachte dann auch ich fünf Jahre mal an einer Schule, dann weitere Jahre an einer anderen Schule und so weiter. Aber immer, wenn wir weiterzogen, wollte ich nicht weiterziehen, sondern hasste es regelrecht, da ich nicht schon wieder neue Freunde und neue Teile der Welt sehen, sondern lieber bei meinen alten Freunden bleiben wollte. Als wir zum Beispiel nach Portland zogen, wollte ich dort lange bleiben, weil es mir sehr gefiel. Nach Portland fand ich alles nur noch komisch und mochte nichts mehr. Aber irgendwann gewöhnst du dich an die Dinge. Und Portland ist jetzt ja auch meine Heimat. Ich habe lange Zeit über meine Kindheit und all die ganzen anderen Erinnerungen nachgedacht und ich musste feststellen, dass mich die Vergangenheit viel stärker prägt als die Gegenwart. Wenn ich zurückdenke, wie ich zum Beispiel die Lyrics für das Album schrieb, dann schrieb ich persönlich mehr über die Vergangenheit als über die Gegenwart, weil ich eben viel mehr über die Vergangenheit nachdenke als über die Gegenwart und die Zukunft. Alle meine Lyrics stammen von Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren gemacht oder erlebt habe.

Dann vielen Dank für dieses Interview!