Fotos: Anne-Laure Fontaine-Kuhn

Fotos: Anne-Laure Fontaine-Kuhn © regioactive.de

Sie passen in keine Schublade. Sie fordern ihre Hörer. Aber mit ihren Songs und ihren Shows verteilen sie auch reichlich Zucker. Gerade befinden sich die 31 Knots auf großer Welttournee. Mit dem Sänger und Gitarrist dieser Ausnahmeband, Joe Haege, sowie dem Schlagzeuger Jason Ho Chung Pellicci, konnten wir vor ihrem Auftritt im Wiesbadener Schlachthof ein Gespräch über die Entwicklung der Band, nötigen Wandel und die Freude am Touren führen.

{image}Wie ergeht es euch so in Deutschland? Die mit euch befreundeten Musiker von Menomena erzählten uns in einem Interview, dass ihr Menschen aus Portland besonders glücklich über das deutsche Bier seid, weil Portland selbst auch ein Bier-fanatischer Ort ist.

Joe: Naja, vielleicht für die Jungs, die trinken wirklich eine ganze Menge Bier. Aber niemand von uns tut das. Das haben wir zwar, aber auf den ersten beiden Europa-Tourneen haben wir es mit dem deutschen und belgischen Bier etwas übertrieben und lassen nun die Finger lieber weg. (Anm.d.Red.: Eine Überzeugung, die zumindest den Bassisten beim Gig nicht davon abhielt, auf der Bühne genüsslich ein Bierchen zu zischen. Jason und Joe hielten sich an Bionade und Wasser).

Wie läuft die Tour bisher? Alles bestens?

Jason: Ja, das läuft bisher sehr gut. Es ist eine wirklich lange Tour. Wir haben in Kyoto begonnen und spielten insgesamt fünf Shows in Japan. Es führt uns wirklich rund um die Welt und dabei gibt es nur zwei oder drei freie Tage.

Joe: In Europa ist es besonders cool, weil wir dazu kommen uns einen Haufen verschiedener Länder anzuschauen. Wir spielten zum Beispiel endlich mal in Zürich, diese Stadt wollte ich schon immer mal sehen. Wir sind in Polen, Slowenien, und wir haben auch in Italien schon einen Gig gespielt.

Euer letztes Album the days and nights hatten wir in unseren Jahrescharts 2007 ganz vorne mit dabei. Auf dieser Tour präsentiert ihr euer neues Album worried well. Was könnt ihr uns darüber erzählen, was sind die Unterschiede zu euren bisherigen Veröffentlichungen?

Joe: Der größte Unterschied ist, dass wir die Songs für dieses Album sehr schnell geschrieben hatten – und noch schneller war es dann aufgenommen.

Jason: Wir arbeiteten mit einer sehr systematischen Arbeitsweise an worried well. Bevor man es selbst merkte, war der nächste Song schon fertig.

Joe: Es gibt nach wie vor Songs, die mit Samples ausgeschmückt sind, die ich normalerweise als erstes auswähle, um dann den Rest vom Lied quasi um diese Samples herum fertig zu stellen. Aber auf dem neuen Album gibt es weniger davon als bisher, stattdessen schrieb ich die ersten fünf Songs innerhalb einer Woche. Teilweise ergaben sie sich aus einzelnen vorhandenen, aber unfertigen Teilen. Auf eine gewisse Weise denke ich, es war eine positive Einschränkung für uns, geradliniger an das Schreiben heranzugehen und nicht zu viele kompositorische Elemente zu benutzen. Die nächste Herausforderung wird es nun sein, uns wieder mehr Zeit für diesen Prozess des Songschreibens zu nehmen, um etwas noch schlüssigeres zu schaffen.

{image}Joe, du sagst, dass du oft zuerst die Samples hast und dann darauf aufbaust. Du bist der hauptsächliche Songwriter und ist das deine liebste Herangehensweise?

Joe: Ja, im Prinzip schon, aber auf der anderen Seite ist es schwierig, das so zu sagen, denn letzten Endes variiert das von Song zu Song. Manchmal ist das zentrale Element einfach nur eine Basslinie oder der Rhythmus des Schlagzeugs, dann bin ich keinesfalls der alleinige Songwriter. Andererseits komme ich auch immer wieder mit fast fertigem Material an, habe die meisten Melodien und einzelnen Teile eines Songs bereits geschrieben. Also das ist eigentlich immer anders. Die Sache mit den Samples interessiert mich weiterhin deshalb, weil es einfach Dinge gibt, die sich mit Gitarren nicht umsetzen lassen – erst Recht live, wenn man einen Gig spielt. Dazu kommt, dass unser Zeitfenster für alle diese Prozesse immer sehr eng ist, so dass die Sample-Techniken auch ganz gezielt dafür eingesetzt werden können zuerst etwas vorzuarbeiten und das dann in den Proben nur noch zusammensetzen zu müssen.

Ihr habt nur wenig Zeit, sagst du. Unser Eindruck ist aber der, dass ihr quasi ununterbrochen auf Tour seid. Wir haben euch jetzt innerhalb der letzten eineinhalb Jahre dreimal live gesehen. Wie passt das zusammen?

Jason: Nun ja, tatsächlich sind wir aber nur drei Monate pro Jahr auf Tour. Ich lebe in San Fransisco und Joe und Jay leben in Portland. Das ist eine ziemliche Entfernung und du brauchst locker eine elfstündige Autofahrt, um dich zum Proben zu treffen. Deshalb sehen wir uns meistens nur so alle zwei Monate, ziehen dann aber eben drei bis sieben Probetage am Stück durch.

Joe: Wenn wir alle in einer Stadt leben würden, dann wäre das möglicherweise anders. Aber wer weiß, alles braucht eine gute Organisation. Dein Eindruck kommt wahrscheinlich daher, dass wir besonders in Europa ziemlich präsent sind, was vor allem daran liegt, dass wir mehr oder weniger damit aufgehört haben durch die USA zu touren.

Liegt das daran, dass ihr in Europa einen Erfolg habt, den ihr in eurer Heimat bisher nicht erreicht?

Joe: Ja, denn aus irgendeinem Grund mag uns die Presse in den USA nicht.

Was denkst du, woran das liegt?

Joe: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, habe keine Idee. Vielleicht ist es einfach unsere Ästhetik, die dort derzeit in uncoole Kategorien fallen mag.

{image}In welcher Kategorie, in welchem Genre würdet ihr euch denn selbst verorten? Auch wir haben schon versucht, eure Musik in einem knappen Satz zu beschreiben. Aber das gelingt kaum, denn es gibt keinen Stempel, den man euch einfach mal so aufdrücken könnte.

Joe: Ja, korrekt. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Können 31 Knots nicht einfach nur so sein, wie sie eben sind? Warum muss es immer heißen "Rock plus X"? All dieses Gerede über Genres habe ich wirklich satt – was ja aber auch schon wieder ein Klischee ist, besonders wenn man das sagt und in einer Band ist (lacht).

Wie habt ihr euch zu diesem Stil eigentlich entwickelt, gibt es ganz bestimmte Einflüsse, auf die ihr das zurückführen könnt und wollt? Oder ist es einfach der Mix zwischen euch drei individuell ja auch hervorragenden Musikern?

Joe: Nun, als Jason in die Band kam, da orientierte sich alles wieder viel mehr an Rock als zuvor. Aber auch die Sample-Technik entwickelte sich im Laufe der Zeit weiter. Es gibt einfach eine ganze Reihe von Gründen, die dazu geführt haben, dass unsere Musik so wurde wie sie nun klingt. Der wichtigste Grund ist sicherlich die große Entfernung zwischen uns, weshalb wir ganz bestimmte technische Hilfsmittel einsetzen, um diese Distanz irgendwie zu überwinden. Während der Arbeit an unserem Material sind wir eben meist jeweils ganz auf uns alleine gestellt. Diesen Umstand würde ich schon gerne mal ändern. Ich bin diese Umstände, diese Klemme etwas leid, und ich denke wir sind an einem Punkt, an dem wir daran etwas ändern müssen. Wir sind natürlich glücklich mit unserem Album und damit, wie es entstand, aber keiner von uns ist wirklich hundertprozent zufrieden. Es bedarf einiger Änderungen und einigem Einsatz, die nächsten Schritte als Band zu gehen. Um nochmal auf deine andere Frage zurückzukommen: Wenn man selbst nicht weiß, in welches Genre man denn nun passt, dann fragt man sich auch zwangsläufig, wie es denn weitergehen soll. Es ist auf jeden Fall so, dass wir eine klarere Richtung einschlagen wollen.

Vielleicht ist es doch aber auch genau richtig, nicht so exakt zu wissen, wo es langgehen soll – das lässt andererseits ja auch seltene Freiheiten im kreativen Prozess?!

Joe: Ja natürlich hat das auch seine Vorteile, aber ist andererseits eben sehr verwirrend. Ich bereue keinesfalls die Art und Weise, mit der wir an unser letztes Album herangegangen sind, aber jetzt will ich wirklich Klarheit, wie es denn nun weitergehen soll.

{image}Was motiviert euch dazu, Musik zu machen? Was denkt ihr über Musik an sich, warum habt ihr angefangen?

Jason: Ich für meinen Teil mache Musik, weil ich dadurch etwas zurückbekomme, sowohl kreativ gesehen, als auch emotional. Das kann ich mir auch nirgendwo anders holen. Und mit der Zeit wird man regelrecht süchtig.

Joe: Wir machen das jetzt schon so lange, und selbst wenn man sich nicht zu einer Superstar-Band entwickelt, ja nichtmal alleine von der Musik leben kann, so steckt man doch soviel Zeit und Arbeit in diese Sache, dass man einfach nicht mehr damit aufhören will. Es ist beinahe wie auf Autopilot umgestellt: Man hört einfach nicht mehr damit auf.

Könnt ihr durch das intensive Touren von der Musik leben?

Joe: Nein, nicht wirklich (lacht).

Jason: Während einer Tour decken sich unsere Auslagen für die Übernachtungen und so weiter, und manchmal bleibt sogar etwas übrig, um noch die ein oder andere Monatsmiete zu bezahlen. Aber darum geht es ja auch gar nicht: Auf Tour zu sein ist einfach mit Abstand die beste Möglichkeit, Reisen und Musikmachen miteinander zu verbinden. Man sieht unglaubliche viele interessante Plätze und trifft eine ganze Reihe interessanter Menschen…, eine tolle Erfahrung…

Joe: Ja, Menschen wie zum Beispiel unsere Fahrerin aus Slowenien. Sie lud uns zu ihrer Familie ein, sie leben in einem kleinen Dorf, das war einfach toll.

Wer organisiert solch eine lange Tour für euch?

Joe: Wir haben einen Booking-Agenten in Berlin, der mit allen möglichen über ganz Europa verstreuten Veranstaltern in Kontakt steht. Er macht das großartig.

Auf der Bühne zelebriert ihr Abend für Abend eine beeindruckend energievolle Show. Da fragt man sich unweigerlich: Wie sind diese Jungs wohl drauf, wenn sie beim Proben oder im Studio sind?

Joe: Wir haben einen Haufen Spaß auf der Bühne. Im täglichen Leben machen wir einen Haufen schlechter Witze und schlechter Songs. Gerade eben haben wir den Wiesbaden Song fertig gestellt (lacht)…

…den es heute auch zu hören geben wird?

Joe: ähm, das wissen wir noch nicht (grinst) (Anm.d.Red.: Schade, der Song fiel leider flach).

Jason: Ja, und wenn wir proben, dann versuchen wir auch manchmal absichtlich so schlecht zu spielen wie eine typische US-Highschool-Band (lacht).

Joe: Ganz im Ernst, wir haben abseits der Musik eigentlich ein sehr normales Leben und gehen fester Arbeit nach, bis auf unseren Drummer. Ich manage zum Beispiel eine Bar,…

Jason: …und ich bin selbständig, arbeite regelmäßig für ein Tonstudio, aber auch als Freelancer, habe mein eigenes Equipment. Das spannt mich normalerweise so sehr ein, dass es einen Tag Pause für mich maximal alle zwei Monate gibt.

{image}Ihr habt aber nicht bei dir aufgenommen, sondern in einem Studio in Portland.

Joe: Ja, wir waren in einem Studio in Portland, dort hatten wir auch den Vorgänger von worried well aufgenommen. Aber ehrlich gesagt will ich da nicht nochmal hin. Da gibt's "bad vibes", wir haben uns jedenfalls nicht richtig wohl gefühlt.

Eine letzte Frage noch, aus unserem Blickwinkel als Bandplattform heraus: Welchen Rat habt ihr für Newcomer, für junge Musiker am Anfang ihrer Karriere?

Joe: Seid nett zu den Menschen und behaltet immer einen kühlen Kopf! Selbst wenn du bis an die Decke mit Erfolg durchstarten solltest, bleibe ein ganz normaler Mensch. Alles andere stinkt. Mit netten Leuten umzugehen, sie zu treffen und mit ihnen zu arbeiten, das fühlt sich doch soviel besser an, als ein abgestumpftes, dummes Arschloch zu sein… und geht zur Kirche! (lacht) … just kidding.

Jason und Joe, vielen Dank für dieses Interview und weiterhin viel Erfolg auf der Tour!

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