SOMI (live in Heidelberg, 2017) Fotostrecke starten

SOMI (live in Heidelberg, 2017) © Daniel Wetzel

In den USA geboren, dennoch ein großes Bewusstsein für ihre afrikanischen Wurzeln: Die Sängerin SOMI setzt als Eröffnungsact von Enjoy Jazz in Heidelberg mit einem stilistisch vielseitigen und selbstbewussten Auftritt ein großes Ausrufezeichen.

Es ist Tradition bei den Festivalmachern von Enjoy Jazz, das Eröffnungskonzert Musikern oder Bands zu widmen, die mit sozialkritschen Texten weit über ihre Landesgrenzen hinaus Beachtung finden.

2015 war Jazz-Legende und Anti-Apartheid-Aktivist Hugh Masekela aus Südafrika eingeladen. Im letzten Jahr veranstaltete die libanesische Indie-Rock-Band Mashrou'Leila, die sich gegen Homophobie und für sexuelle Freiheit einsetzt, eine große Tanzparty.

Für Freiheit einstehen

Im Vorfeld des diesjährigen Eröffnungskonzerts mit Jazz-Sängerin SOMI in der Stadthalle Heidelberg betont Festivalleiter Rainer Kern, wie wichtig solche Künstler mit politischen Aussagen für die Kultur seien, insbesondere in heutigen Zeiten.

Beispielhaft führt er ein Konzert von Mashrou'Leila in Ägypten an, in dessen Verlauf mehrere Besucher verhaftet wurden, weil sie die Regenbogenflagge geschwenkt hatten. Ihnen drohen Haftstrafen. Umso wichtiger sei es daher, sich mit Musik für Freiheit einzusetzen, so Kern.

Zelebrierung der Vielfalt

Die Lieder der in Illinois geborenen Sängerin SOMI lassen die Sehnsucht nach Freiheit deutlich spüren. Mehr Rechte für die afrikanischen Frauen werden ebenso thematisiert wie die Forderung nach einer veränderten, neuen Sicht auf ein sich wandelndes Afrika. Mit ihrem aktuellen Album "Petite Afrique" schildert sie aber auch die kulturelle Vielfalt im New Yorker Stadtteil Harlem, wo sie seit mehreren Jahren lebt.

Dem Unmut Luft machen

Wie viel Herzblut der Sängerin in den Songs steckt, zeigt sich während ihrer Performance: SOMI scheint jedes einzelne gesungene Wort in ihrem Innersten zu spüren. Durch gefühlvolle Mimik und einer erstaunlichen Stimmkontrolle weiß die 38-Jährige mit ostafrikanischen Wurzeln zu überzeugen.

In "Black Enough" beispielsweise kritisiert SOMI das Reduzieren auf die Hautfarbe, in "Brown Round Things" kommt aufrichtiger Feminismus zum Vorschein. Die Sängerin wechselt dabei spielend leicht von tiefen Gesangslagen in hohe Register, gibt zwischendurch aber auch keuchende Laute oder laute Ausrufe von sich, so als müsste sie ihrem Unmut über die derzeitigen Umstände in Afrika oder anderswo auf der Welt Luft machen.

Großartige Band im Rücken

"Wie Sie wissen, haben wir in den USA zur Zeit einen sehr fremdenfeindlichen Präsidenten. Ich habe mitbekommen, dass sein Großvater hier aus der Gegend stammt. Vielleicht wollen Sie seinen Nachfahren zurücknehmen?", scherzt SOMI zwischen zwei Songs, woraufhin sie einige Lacher aus dem Publikum kassiert. Der bittere Nachgeschmack dieser Aussage bleibt jedoch im Raum zurück.

Unterstützt wird die Sängerin von fabelhaften Musikern, die sich allesamt als wahre Virtuosen auf ihrem Instrument erweisen. In ausgiebigen Soli stellt das Quartett im Rücken von SOMI sein Können unter Beweis. Die einzigen Schönheitsfehler sind das zeitweise zu leise Schlagzeug und die fehlenden Bläser, die auf dem Album für eine interessante zusätzliche Komponente sorgen.

Langsames Auftauen

Das Publikum zeigt sich in der ersten Hälfte des Konzerts trotz der hohen musikalischen Qualität reserviert. Erst in der letzten halben Stunde taut das Publikum auf, nachdem die Musiker mit tanzbarem, von afrikanischen Rhythmen beeinflusstem Jazz deutlich an Dynamik zulegen. Auch SOMI wirkt zu diesem Zeitpunkt gelöster und vollführt einige Tänze.

Höhepunkt des Abends ist sicherlich die Coverversion "Alien" von Stings "Englishman in New York", dessen Refrain SOMI in "African In New York" umgedichtet hat. Die Adaption ist eine Dankeshymne an ihre Eltern, aber auch gleichzeitig eine Darstellung des vielfältigen Harlems. Aus der heiteren Vorlage wird eine nachdenkliche, getragene Jazz-Nummer, die von langsam voranschreitenden Klavierakkorden bestimmt wird. 

Am Ende dann doch Standing Ovations

Aber auch mit der Ballade "Holy Room" oder einer von der Gitarre dominierten Version von "Ginger Me" kann die Sängerin begeistern. Der Applaus wird immer lauter und immer länger, bis am Ende schließlich einstimmig eine Zugabe eingefordert wird.

Die Botschaft SOMIs von mehr Gerechtigkeit und Freiheit scheint angekommen zu sein. Mit stehenden Ovationen wird sie schließlich von der Bühne begleitet. So kann Enjoy Jazz 2017 definitiv weitergehen.

Weitere Berichte und Infos zum Enjoy Jazz Festival findet ihr in unserem Themenchannel.

Alles zu den Themen:

somi enjoy jazz