Mashrou' Leila

Mashrou' Leila © Enjoy Jazz

Das Enjoy Jazz Festival 2016 hätte sich keinen besseren Eröffnungsact wünschen können: Mashrou' Leila aus dem Libanon bringen die gesamte Stadthalle zum Tanzen und Feiern. Zudem richtet die Band aus Beirut auch noch eine wichtige Botschaft an das Heidelberger Publikum.

In ihrer Heimat Libanon sorgen Mashrou' Leila für angeregte Diskussionen. Die fünf Musiker um den offen schwulen Sänger Hamed Sinno kritisieren die von der Gesellschaft vorgegebenen Geschlechterrollen ebenso wie Homophobie oder die kulturelle bzw. soziale Ausgrenzung Einzelner.

Diese offene Haltung lässt sich nicht so recht mit dem archaischen Weltbild der religiösen Führer der Christen und Muslime in Jordanien vereinbaren. Aus diesem Grund forderten die Glaubenswächter eine Absage des im April 2016 geplanten Konzerts in der Hauptstadt Amman und setzten sogar ein permanentes Auftrittsverbot der Band in Jordanien durch.

Mehr als nur ein Politikum

Eine solche Band aus dem arabischen Raum als Eröffnungsact bei einem Festival auftreten zu lassen, ist natürlich ein politisches Statement. Dennoch betont Rainer Kern, dass bei der Auswahl der Acts für das Festival in erster Linie das Künstlerische im Vordergrund stand. Als Konsequenz kristallisiere sich daraus die politische Botschaft, so der Festivalleiter von Enjoy Jazz. Dass Mashrou' Leila künstlerisch eine Menge draufhaben, zeigt sich dann auch im Laufe des Abends.

Beeindruckendes Jam-Set

Das Mehmet Ungan Trio von der Orientalischen Musikakademie Mannheim liefert zuvor mit Sitar, Oud und Kontrabass orientalisch-jazzige Klänge auf hohem Niveau, die beim Publikum erstaunlich gut ankommen. Das nur kurze Set wirkt wie eine Jam-Session, die der Bandleader Mehmet Ungan anleitet. Mit ihren strukturell sehr facettenreichen Stücken bieten die drei Musiker eine perfekte Einstimmung für den weiteren Abend.

Revolutionen enstehen nicht im Sitzen

Während sich das Mehmet Ungan Trio bestens in die sehr formelle Atmosphäre des Eröffnungskonzerts einfügt, ist dies bei Mashrou' Leila nicht der Fall. Das sich höflich zurückhaltende, sitzende Publikum passt augenscheinlich einfach nicht zur Musik der Band, die sich mit ihren Texten gegen veraltete gesellschaftiche Moralvorstellungen auflehnt. 

Da außerdem wirklich jedes Stück – besonders vom neuesten Album "Ibn El Leil" – eine gewaltige Energie besitzt und sehr in die Beine geht, ist es kein Wunder, dass vor allem die nicht wenigen Fans aus dem arabischen Raum spürbar wie auf heißen Kohlen sitzen. Erst nach und nach stehen einzelne Leute im Publikum von ihren Sesseln auf und tanzen glückselig mit. 

Mr. Saxobeat

Besonders geglückt ist das Zusammenspiel von Mashrou' Leila mit dem türkischstämmigen Saxophonisten Ilhan Ersahin, der mit seinen Soli die Songs auf eine neue Ebene hebt. Sänger Hamed selbst kann seine Freude über die sensationelle Spielkünste Ersahins nicht verbergen. Schade, dass der in New York lebende Künstler nur für zwei Songs auf der Bühne steht.

Die Party fängt erst richtig an

Es vergeht nochmals einige Zeit, bis sich zu beiden Seiten der Bühne einige zusammenfinden, um die Band gebührend zu feiern. Doch erst mit dem Stück "3 Minutes" tasten sich die ersten direkt vor die Bühne. Binnen kürzester Zeit folgen immer mehr Zuschauer. Die unbändige Euphorie erfüllt die gesamte Halle. Ab diesem Moment werden Mashrou' Leila wie echte Superstars gefeiert.

Dass die meisten Zuhörer nicht ein Wort vom gesungenen Text verstehen, ist nicht wichtig. Den Sinn der Worte kann man sich selbst erschließen, wenn man Sänger Hamed ansieht. Mit ganzem Körpereinsatz tanzt er zur Musik, die sowohl Bestandteile von Indie-Rock als auch Elektro-Pop besitzt, dennoch bleiben ihre arabischen Wurzeln immer präsent.

Gefeierte Freiheit

Dass sich die Texte überwiegend um ernste Sujets drehen, wird in "Maghawir" (zu deutsch: Befehle) deutlich: Im Lied kritisiert die Band die von der Gesellschaft auferlegten Geschlechterrollen und spricht sich für ein selbstbestimmtes Ausleben der eigenen Sexualität aus. 

Wie um diese geforderte Freiheit zu zelebrieren, tanzen sich die Heidelberger die Seele aus dem Leib. Der Großteil des Publikums befindet sich gegen Ende des Konzerts vor der Bühne. Mit Begeisterungsstürmen wird die Band schließlich verabschiedet. Die Botschaft von Mashrou' Leila ist definitiv angekommen: Grenzenlose Freiheit in allen Bereichen.

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