Egotronic (live beim Rock'n'Heim, 2014)

Egotronic (live beim Rock'n'Heim, 2014) © Achim Casper

Audiolith rec., eines der derzeit interessantesten Indie-Labels, veröffentlicht seit einigen Jahren die Musik von befreundeten Musikern und Gleichgesinnten. Die bereits erschienenen Alben lassen sich irgendwo zwischen Electronica, Indierock und einer gewaltigen Portion Humor einordnen. Diese Woche fand in Weinheim eine Label-Night statt.

{image}Weinheim im Jahre 2108: In einer kleinen, düsteren Spelunke mitten in der Stadt tobt das Leben. Wie ein Wetterleuchten zucken Lichter hinter dichten Schwaden von Kunstnebel durch den Raum, ein aufgewühltes Meer von farbenfrohen Köpfen und kunstvollen Frisuren tanzt, hüpft und wirbelt zu den unerbittlich treibenden synthetischen Beats. Ein schier unübersehbares Arsenal von elektronischen Geräten und Bildschirmen bedeckt auf mehreren Tischen die Bühne, über das sich zwei Gestalten in gebeugter Haltung hermachen wie zwei Raubkatzen über ihre Beute. Vorne hämmert einer auf sein tragbares Keyboard ein, während neben ihm der Sänger mit kurzen Phrasen und harten Schlagworten auf die Menge einpeitscht. Elektrische Energie scheint durch die Luft zu sprühen, der Sound donnert genauso klinisch rein und minimalistisch wie dreckig und brachial in die Gehörgänge. Das ist das neueste! Der letzte Schrei aus den Klanglabors! Die Zukunft der Musik! Frisch und unerhört! Moment – Neu? Zukunft?

{image}Weinheim, hundert Jahre früher: Audiolith-Nacht im Café Central.

Was einem wie die Vision des Cyberclubsound aus "Hackers", "Matrix" oder "Blade Runner" vorkommt, ist die Gegenwart des Electropunk. Nachdem der Postpunk in den 80er Jahren Synthesizerklänge auch bei Nichtinformatikern hoffähig machte, und die frühen 90er mit Rave und Techno elektronische Feierwut entfachten, kam der Electropunk rechtzeitig um die Ecke gebogen, um die Wut, den Aufschrei und die Rebellion zurückzubringen und – wie eh und je – mit einfachsten Mitteln ein Maximum zu erreichen. Das Hamburger Label Audiolith versorgt die Republik seit 2003 mit ausgesuchten Größen des Genres (Interview mit Gründer Lars Lewerenz vom 30. Juni 2007). Mit Egotronic, Plemo & Das Feuer und Rampue wurden am vergangenen Mittwoch drei namhafte Vertreter entsandt, um dem Café Central gehörig eins auf die Löffel zu geben.

{image}Nachdem System Boogie an den Decks das tanzwütige Volk zusammengetrieben hatte, holten Egotronic den Knüppel aus dem Sack und eröffneten ihr Set mit dem gut gewählten Titel Raven gegen Deutschland. Nach leichten Anfangsschwierigkeiten nahm das Cyberspace-Raumschiff ordentlich Fahrt auf und kaum einer konnte sich der sehr einleuchtenden Forderung Torsuns entziehen: "Wer wird denn rumstehn? Wir wollen Euch Tanzen sehen!"

Die Performance erreichte während der Zugabe ihren Gipfel, als das Publikum tanzender Weise die Bühne in Beschlag nahm, und die Band eine Art synthetischen Power-Jam hinlegte, der vor geballter Kraft geradezu strotze. Einem solchen Auftakt konnte nur weiterhin bester Sound und ungebremste Tanzwut folgen. Die Audiolith Label-Night war damit eine verdammt runde Sache, die Lust auf mehr machte. So darf man sich besonders auf den Audiolith-Act Der Tante Renate freuen, welcher derzeit bundesweit unterwegs ist und auch in Weinheim Station machen wird. [für dieses Konzert verlost regioactive.de Tickets: hier entlang!]

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