© Egotronic

"Elektronische Sounds mit rauem Sprechgesang." Die Rede ist von Egotronic! Eine Band, die live einfach jeden mitreißt. Rumstehen? Fehlanzeige! Letztes Jahr waren sie konstant auf Tour und spielten rund 100 Konzerte. Auch in diesem Jahr gönnen sich Torsun, Endi und KT&F keine Pause. Am neuen Album wird bereits auf Hochtouren gearbeitet und es erscheint voraussichtlich Ende April. Vor ihrem Auftritt im Berliner Rosi's nahm sich Torsun die Zeit für ein Interview.

{image}RA: Torsun, wie geht es dir?
Torsun: Gut soweit! Heute habe ich, bis auf den Gesang von Plemo, das komplette Album fertig bekommen. Deswegen geht es mir soweit ganz gut.
Wie sah denn die Zeit vor Egotronic aus?
Torsun: Ich habe mit vierzehn in meiner ersten Punkband gespielt. Seitdem habe ich immer Punk- und Hardcore-Sachen gemacht. 1996 habe ich dann mit der elektronischen Musik angefangen. Man hatte damit einfach viel mehr Möglichkeiten.

War es schon immer dein Traum, Musiker zu werden?

Torsun: Auf jeden Fall! Schon seit frühester Kindheit. Als ich 12 war, war der Plan, dass ich entweder Musiker oder Profiskater werde. Im Skateboardfahren war ich aber zu schlecht, im Musikmachen eigentlich auch. Aber Trash hat sich irgendwann durchgesetzt und dann hat es mit dem Musikmachen doch geklappt.

Wo würdest du dich heute sehen, wenn du diesen Weg nicht eingeschlagen hättest?

Torsun: (lacht) Ohje.. Dann wäre ich wohl immer noch der Hardcore-Langzeitarbeitslose Torsun, der ich eigentlich ewig gewesen bin. Ich habe immer Musik gemacht. Wenn es jetzt nicht so gekommen wäre, wie es gekommen ist, dann würde ich wohl das wie vor zwei Jahren machen. Also arbeitslos sein und trotzdem Musik machen und Konzerte spielen.

Wann hast du deine ersten Texte geschrieben?

Torsun: Das war auch mit vierzehn, als wir unsere erste Punkband gegründet haben. Bei den Texten hat es sich aber meistens nur ums Saufen gedreht. Wir waren halt junge Punks. Ich glaube, unser allererstes eigenes Lied hieß Alkoholvergiftung. Von daher kann man es sich vorstellen, wie das ganze ausgesehen hat.

Was denkst du darüber, dass viele die Musik hören, dann aber sagen, dass sie den Text zu übertrieben finden und nur den Beat gut finden?

Torsun: So etwas passiert und das weiß ich auch. Allein schon bei Besprechungen: die Musik ist ganz cool, aber das ewige "gegen Deutschland" nervt. Was soll ich dagegen machen? Daraufhin habe ich den Text Kotzen geschrieben, der das noch einmal thematisiert und sich im Endeffekt darüber lustig gemacht hat. Darauf habe ich einfach keinen Einfluss. Ich sage trotzdem noch das, was ich denke. Sollen die Leute doch die Musik hören, auch wenn sie den Text scheiße finden. Ganz am Anfang war es eher der Fall, dass mich die Leute auch persönlich darauf angesprochen und meine Einstellung hinterfragt haben. Mittlerweile ist das nur noch selten. Klar wird man immer in Interviews danach gefragt. Es ist trotzdem weniger, als ich es eigentlich sogar fast erwarten würde.

2005 habt ihr euren Platz bei Audiolith Records gefunden. Wie seid ihr gerade zu diesem Label gekommen?

Torsun: Lars Lewerenz, der Chef von Audiolith, war damals in der Stadt und kannte Egotronic auch schon. Lars kam mich dann einfach besuchen und hat gemeint: "Zeig doch Mal, was du für neues Zeug hast." Dann habe ich ihm Luxus vorgespielt und er war total begeistert. Irgendwann kam nachts eine SMS: "Ey, ich habe eine gute Idee. Lass mal etwas zusammen machen!" Das war 2004 gewesen und 2005 kam bei Audiolith die Single raus. Ich glaube, dass Lars glücklich ist, dass wir da sind und ich kann mir auch kein besseres Label vorstellen. Er redet einen in keinster Weise rein. Man kann es machen wie man es für richtig hält. Nach meiner Meinung ist es das beste Label, was ich mir vorstellen kann. Ich habe zum Beispiel nie für eine Platte einen Vertrag unterschrieben. Das läuft alles per Handschlag. Das ist schon richtig easy.

Dann gab es ja noch die gemeinsame Tour mit Plemo durch Russland. Wie wurdet ihr dort aufgenommen?

Torsun: Wir waren damals völlig überrascht. Wir dachten, dass wir dort in irgendwelchen Spelunken spielen werden. Aber die haben dort total angesagte Clubs gebucht und die waren auch ausverkauft. Unser größtes Konzert haben wir vor 800 Leuten gegeben, da haben wir in Deutschland noch vor 50 Leuten gespielt. Die sind dort völlig ausgerastet. Wir wurden gefeiert wie die Megastars. Das war richtig irre!

{image}Gibt es aus deiner Sicht einen Unterschied zwischen dem deutschen und dem russischen Publikum?

Torsun: In Russland war es ganz klar so, dass es sich nicht alle leisten konnten. Da ist die Schere zwischen arm und reich wesentlich größer. Als wir das letzte Mal mit der neuen Besetzung in Russland waren, wurden wir von Mans Health gebucht. Da haben wir auf einem Festival gespielt und abends haben wir noch ein kostenloses Konzert in St. Petersburg gegeben. Das durfte Mans Health aber nicht wissen. Da kam jeder rein..

KT&F: Aber das Festival war doch auch umsonst.

Torsun: Ja, aber da weiß man doch nicht, ob die jeden reingelassen haben.

KT&F: Okay, das stimmt auch wieder.

Torsun: Bei der normalen Tour ist es schon so, dass man da ein gewisses Maß an Geld braucht, um sich so etwas überhaupt leisten zu können.

Durch welche anderen Länder soll es noch eine Tour geben?

Torsun: Was wir schon öfters gemacht haben und machen ist Niederlande. In Paris waren wir auch schon. Alles andere ist noch nicht Spruchreif. Von daher hülle ich mich in Schweigen. Aber es gibt definitiv den Plan noch woanders hinzugehen. Daran arbeiten wir gerade.

Unzählige Konzerte liegen nun schon hinter euch. Was ist euch denn noch besonders gut im Gedächtnis geblieben?

Endi: Nichts!

Torsun: Doch, doch! Ich vergesse immer total schnell, wo wir am Vortag waren. Was mir sehr in Erinnerung geblieben ist, ist zum Beispiel das erste Konzert in Wunstorf. Das war in einem kleinen Jugendzentrum. Das war das erste Mal, dass das Publikum die Bühne gestürmt hat.

KT&F: Das war doch in Osnabrück.

Torsun: Nee, da warst du noch nicht dabei. In Osnabrück haben wir die Leute auf die Bühne geholt, weil nur noch die Monitore funktionierten. Aber in Wunstorf war es wirklich das erste Mal, dass die Bühne gestürmt wurde. Wir waren damit völlig überfordert. Auch die Russland-Tour, weil das ein unglaubliches Erlebnis war. Das Omas Teich-Festival im letzten Jahr ist mir noch sehr gut in Erinnerung geblieben. Das war bisher unsere größte Show. 6000 Leute waren da, als wir gespielt haben. Als dann der Song Lustprinzip kam, haben etwa 4000 diesen Song gesungen. Da hätte ich fast geflennt auf der Bühne! Das war einfach unfassbar. Das sind Momente, die man wohl nie mehr vergessen wird.

Gab es auch Konzerte, wo vieles schief gelaufen ist?

Torsun: Ja! Zum Beispiel das Konzert in Bielefeld, als die Anlage ausfiel und nur noch die Monitore funktionierten..

KT&F: Das war in Osnabrück! Jetzt hör mir doch Mal zu!

Torsun: In Osnabrück war das gewesen, stimmt. Was war denn noch so richtig fies?

Endi: Das Surffestival in Holland.

Torsun: Genau, für ein Surffestival in Holland waren wir gebucht.

Endi: Das war in einer riesigen Halle, wo wir vor 1000 Leuten spielten und wir haben so verkackt!

Torsun: Und die haben sich auch nicht richtig dafür interessiert.

Endi: Und dann waren wir auch noch schlecht.

Torsun: Das war wirklich furchtbar! Was gab es denn noch?

KT&F: Buchen!

Torsun: Buchen, genau! Da war der Veranstalter so ein Assi, dass ich dem irgendwann Schläge angedroht habe! Das nächste Mal gibt es wirklich aufs Maul! (lacht) Es gab wirklich schon einige negative Sachen. Aber die positiven sind definitiv in der Überzahl.

Wie bereitest du dich auf eine längere Tour vor?

Torsun: Eigentlich gar nicht! Ich war letztes Jahr konstant auf Tour. Wir haben mit Egotronic knapp 100 Konzerte gespielt. Ich habe noch das andere Projekt 1 Foot In Da Rave, wo ich mitmache. Da hatten wir rund 40 Shows. Das waren also insgesamt 140 Konzerte. Von daher bereitet man sich jetzt nicht extra darauf vor.

Gab es in den ganzen Jahren auch die Überlegung, etwas Neues anzufangen und Egotronic zu beenden?

Torsun: 2007, als die Lustprinzip-Platte rauskam, habe ich einfach so viele Drogen genommen, dass ich eigentlich überhaupt nicht in der Lage dazu gewesen bin, Musik zu machen. Das war eine krasse Zeit. Ich habe mich sozusagen durch die Plattenproduktion gequält. Ich bin dann immer in ein Kaff bei Darmstadt mit etwa 4000 Einwohnern gefahren, um dort in einem kleinen Studio Musik zu machen. In Berlin habe ich es einfach nicht geschafft. Dann kam die Platte raus und es ging total ab. Im Sommer 2007 war es nicht ganz klar, ob ich es überhaupt hinbekomme, ein Album aufzunehmen. Da es dann aber so abging, habe ich sämtlichen Konsum komplett nach unten geschraubt. Man kann ja nicht jeden Tag saufen, das geht einfach nicht! Das war die härteste Zeit. Da stand es wirklich auf der Kippe, ob es Egotronic überhaupt weitergibt oder nicht. Zumal auch Hörm damals ausgestiegen ist. Aber ich bin total froh, dass wir weitergemacht haben und Endi und KT&F dabei sind. Ist im Endeffekt super gelaufen.

Als "Nick Rave" bist du auch als DJ tätig. Wie kam es dazu?

Torsun: Ich habe mir irgendwann einen digitalen Mixer gekauft. Die Leute haben mich immer wieder gefragt, ob ich auch auflege. Ich wollte das eigentlich nie machen, habe damit aber irgendwann angefangen. Mittlerweile habe ich sehr viel Spaß daran gefunden. Wir drei spielen auch als DJ-Team. KT&F war vorher schon DJ und Endi hat auch damit angefangen. Es macht einfach irre Spaß und von daher kann man mal als DJ tätig sein. Außerdem wollen es die Leute hören und so kann man sich noch nebenbei etwas dazu verdienen. Das ist natürlich auch gut.

Stichwort "Egotronic-TV": Davon gibt es einiges bei Youtube zu sehen. Wie entstand die Idee dazu?

{image}Torsun: Das war eine Schnapsidee. Ich wollte damals durchziehen, dass ich mindestens einmal im Monat so eine Sendung mache. Aber irgendwann war mit Egotronic so viel zu tun, dass es nicht mehr geklappt hat. Angefangen hat es bei der letzten Tour mit Hörm. Da haben wir jeden Abend ein bisschen gefilmt und daraus habe ich ein kleines Video geschnitten, das wir am nächsten Tag hochgeladen haben. Das war ein Tourvideo und dadurch hatte ich voll Bock, so eine Sendung zu machen. Ich würde es auch gerne weiter machen, aber ich habe dafür einfach keine Zeit.

Kommen wir doch Mal zu der neuen Platte: In die neuen Lieder kann man bereits reinhören. Inwiefern unterscheidet sich dieses Album von den Vorgängeralben?

Torsun: Die Platte ist in meinen Augen die vielseitigste geworden. Sie unterscheidet sich definitiv dadurch, dass ich mit vielen Leuten zusammen gearbeitet habe. Zum Beispiel mit der Frittenbude. Aber mit jedem einzeln. Es gibt kein komplettes Lied mit der Frittenbude. Auch mit Saalschutz, Plemo und Captain Capa habe ich zusammen gearbeitet. Dann unterscheidet sie sich massiv, weil das erste Mal bei drei oder vier Stücken eine Gitarre vorkommt. Dann bin ich in vielen Bereichen von dem geraden Technobeat weggegangen. Es gibt andere Rhythmiken, zum Teil auch mehr Punkrock. Die Texte habe ich dieses Mal auch nicht alleine geschrieben. Endi war dabei, der halt irgendwie mitgereimt hat. Bei vielen Stücken kam er auch ins Studio, um zum Beispiel eine Melodie einzuspielen. Es war viel mehr Zusammenarbeit, als bei den letzten Platten. Meiner Meinung nach ist es das bisher beste Album. Das müssen nachher natürlich die Leute entscheiden. Es ist teilweise poppiger und punkiger, wie bei der ersten Platte. Es ist also sehr unterschiedlich geworden.

Welche Themen werden aufgegriffen?

Torsun: Ich glaube, dass es noch nie so eine emotionale Egotronic-Platte gab. Es gibt viele emotionale Themen. Aber sonst ist es wie immer. Toleranz heißt zum Beispiel ein Stück, in dem es darum geht, dass mich die Toleranz teilweise richtig ankotzt. Es bleibt politisch und persönlich.

Wo soll es mit Egotronic noch hingehen? Was sind die Ziele?

Torsun: Was letztes Jahr passiert ist, das war schon ein Traum. Ich weiß nicht, was noch kommen kann. Ich bin für alles offen und hoffe, dass der ganze Spaß noch ein bisschen weitergeht. Das letzte Jahr war das beste in meinem Leben! Aber ich möchte mindestens das Niveau halten, welches wir hatten. Wenn nicht sogar noch ein bisschen mehr.

Endi: Ständig auf dem tiefen Niveau!

Torsun: Gut, das Niveau ist immer tief. Niveau-Limbo!

Was bringt dich richtig auf die Palme?

Torsun: Was mich richtig auf die Palme bringt? Neulich dachte ich, ich traue meinen Ohren nicht: das war, als ich ein Lied von Silbermond gehört habe. Ein kleines bisschen Sicherheit oder was sie dort singt. So Durchhalte-Pop. Ich hätte fast gekotzt! Deswegen haben wir sie bei Toleranz sozusagen zitiert. Da könnte ich echt die Krise kriegen, wenn ich so etwas höre. Aber gut, mit solchen Kaspern will man ja nichts zu tun haben!

Welche Bands müssten unbedingt dabei sein, wenn du dein eigenes Festival veranstalten könntest?

Torsun: Definitiv die Frittenbude, weil wir mit denen richtig dicke sind. So wie auch alle Audiolith-Acts und DJs. Wer sollte noch spielen? Andreas Dorau sollte noch spielen, aber der tritt gerade gar nicht mehr auf. Das wäre für mich schon ein Traumfestival, wenn er dabei wäre. Jeans Team wäre noch cool. Und an Gitarrenbands fände ich es geil, wenn die Hives auftreten würden. Das wäre für mich ein bombastisches Festival! Obwohl letztes Jahr das Omas Teich-Festival schon nah dran war, weil vor uns Turbonegro gespielt haben. Die wollte ich schon immer live sehen.

Das war auch schon die letzte Frage. Vielen Dank!

Dankeschön!

Alles zu den Themen:

egotronic audiolith