Lars Lewerenz

Lars Lewerenz

Vor 6 Jahren gründete Lars Lewerenz das Label Audiolith. Da das Label ihn immer mehr beanspruchte, entschied er sich schließlich gegen seine ursprüngliche Tätigkeit als Erzieher. Es gab auch immer wieder Momente, zu denen er am liebsten alles hingeschmissen hätte. Aber durch das positive Feedback gab er nicht auf und machte weiter. Früher spielte er in Hardcorebands, heute steht er bei ClickClickDecker am Bass. Da trifft es sich gut, dass sie gerade auf Tour waren. Somit nahm sich Lars vor dem letzten Tourkonzert in Magdeburg die Zeit, uns Rede und Antwort zu stehen.

{image}Lars, heute ist das letzte Konzert der Tour im Magdeburger Projekt 7. Wie fühlst du dich?

Ich bin etwas müde und froh, morgen wieder zu Hause zu sein. Ich bin glücklich über die Tour, weil sie gut gelaufen ist – wir sind alle gut miteinander ausgekommen. Die Publikumsreaktionen waren super. Auf jeden Fall kann ich ein positives Fazit ziehen. Ich freue mich auf die Festivals, die wir im Sommer spielen werden. Zuvor fahre ich noch in den Urlaub, alles ist gut!

Gab es irgendwelche Highlights für dich auf der Tour?

Gestern waren wir in Leipzig. Die Leute waren extrem textsicher. Wien war auch ein unerwartet gutes Konzert. Bei der Tour davor haben wir in Dachau in einer Kirche gespielt, großes Highlight! Das hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Aber so ein richtig schlechtes Konzert gab es nicht, oder?

Nein. Wir hatten vielleicht mal niedrige Besucherzahlen, das heißt Shows mit 50 bis 60 Leuten. Aber das heißt ja nicht, dass die Stimmung dadurch abbricht. Ich spiele auch gerne vor wenigen Leuten. Wenn sie dafür bezahlen, liefern wir auch gut ab.

{image}Wie bist du zu ClickClickDecker gekommen?

Kevin hat für die vorletzte Platte Nichts für ungut eine Liveband zusammengestellt. Er hat mich dann gefragt, ob ich Bass spielen möchte. Früher habe ich in Hardcorebands gespielt. Da habe ich einfach zugesagt. Das hat alles gut gepasst und seitdem spiele ich bei ClickClickDecker. Ich bin sozusagen ein Begleitmusiker. Kevin schreibt die ganzen Songs, wir setzen das dann live, mit Unterstützung einer zweiten Gitarre, Schlagzeug und Bass, um.

Hättest du denn mal Interesse, an einem Album mitzuarbeiten?

Wie gesagt, ich bin ja der Labelchef vom Ganzen und habe dementsprechend andere Aufgaben. Ich habe keine Zeit, um an den Songs mitzuarbeiten.

Welche Ziele hattest du dir im Bezug auf die Entwicklung von Audiolith gesetzt?

Ich hatte mir das Ziel gesetzt, die Musik meiner Freunde herauszugeben und die Musik einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das sind die Grundprinzipien, die auch immernoch dieselben sind. Alles weiter aufzubauen, dass das Feedback größer wird, dass die Bands größere Shows spielen, dass man mehr Platten verkauft. Dass man dadurch auch wieder neue Arbeitsplätze schaffen kann.

Gab es mal Momente, zu denen du am liebsten alles hingeschmissen hättest?

Die gibt es immer mal wieder. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. So ein Label ist harte Arbeit. Da fragt man sich ab und an, wofür man das alles überhaupt macht. Ich hatte gerade so ein Problem mit einem Praktikanten. Den musste ich rausschmeißen, weil ich menschlich extrem enttäuscht wurde. Aber im Großen und Ganzen… Ich bin mein eigener Boss, aber ich verdiene nicht viel Geld. Dafür kann ich allerdings einfach das machen, worauf ich Bock habe und was mir Spaß macht und ich arbeite mit netten Leuten. Das ist halt die Basis, dass ich mit netten Menschen zu tun habe. Dass ich qualitativ hochwertige Musik verbreiten kann, die den Leuten da draußen auch etwas bedeutet. Denn die Leute entscheiden im Endeffekt, was sie für ein Feedback geben – ob sie die Platten kaufen und zu den Konzerten kommen. So etwas unterstützt einen positiv, damit man weiter macht. Wenn keiner die Platten kaufen und zum Konzert kommen würde, könnte man das höchstens 2 bis 3 Jahre machen. Wenn das Feedback nicht da ist, sollte man es auch einstellen.

6 Jahre sind nun seit der Gründung von Audiolith vergangen. Würdest du dich jederzeit wieder dafür entscheiden, ein Label zu gründen?

(Überlegt kurz) Nein! Also es war damals der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort, um das Label aufzuziehen. Aber wie jeder weiß, werden nicht mehr viele Tonträger gekauft. Das Labelgeschäft ist heutzutage extrem schwierig. Die Verkaufszahlen sinken, illegaler Downloads wegen. Da müssen wir nicht drüber reden. Es wird viel heruntergeladen und wo nichts gekauft wird, kann auch nichts produziert werden. Entweder will man es zum Beruf machen, oder als Hobby. Da ich nunmal den Beruf gewählt habe, muss sich das auch irgendwann wirtschaftlich rentieren. Sonst macht es, meiner Meinung nach, keinen Sinn mehr.

Welche Ratschläge würdest du jemanden mit auf den Weg geben, der auch vorhat, ein Label zu gründen?

Ich würde derjenigen Person vorschlagen, sich genau zu überlegen, was sie wann und mit wem macht. Klar ist, dass man finanzielle Mittel aufwenden muss, um Tonträger herzustellen und so ein Label am Laufen zu halten. Die Kosten für das Büro und so weiter. Und dann zu gucken, mit wem man zusammenarbeitet und das möglichst auf eine lange Zeit anzulegen. Mein Label ist auch von Stück zu Stück gewachsen. Man sollte schon eine Vision haben, wo das Ganze hingehen soll. Man sollte auch nicht zu optimistisch an die Sache rangehen. Da sind die Gesetze des Marktes, die man auf jedenfall beachten sollte, um nicht auf die Schnauze zu fallen. Ich bin ein Fan davon, dass Leute das "Do it yourself"-mäßig machen, was sie gut finden. Mit den Möglichkeiten hierzu steht es heutzutage viel besser, als vor dem Internet, sage ich jetzt mal. Jeder kann quasi sein eigenes Label gründen. Dazu braucht man nicht mal mehr CDs herzustellen, sondern kann das alles online vertreiben. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten. Man muss es von Fall zu Fall, von Veröffentlichung zu Veröffentlichung, von Künstler zu Künstler abstimmen. Das rate ich den Leuten immer.

Wo würdest du dich sehen, wenn du Audiolith heute nicht hättest?

(Sein Telefon klingelt) Dann würde ich wohl in einem Call- Center sitzen! Ich habe nach dem Zivildienst eine Ausbildung als Erzieher gemacht. Ich habe 4 Jahre jemanden betreut, der im Rollstuhl saß. Nebenbei habe ich das Label gemacht und irgendwann hat das Label so viel Zeit in Anspruch genommen, dass ich mich entscheiden musste, ob ich es hauptberuflich weitermache. Es ist nicht ganz klar, wieviel Kohle jeden Monat reinkommt. Es kommt beispielsweise darauf an, ob es irgendwelche Veröffentlichungen gibt oder ob ich auf Tour bin. Ansonsten würde ich mich als Erzieher in einem Jugendzentrum sehen.

Was muss eine Band mitbringen, um zu Audiolith zu passen? Gibt es einen Elektrozwang?

Überhaupt nicht. Ich bin, was das Genre anbelangt, offen. Klar bringe ich gerade viel Elektromusik raus. Aber erstens muss die Musik qualitativ hochwertig sein, Inhalt haben und Leute berühren. Und zweitens sollten es nette Leute sein. Ich habe keinen Bock, meine Zeit, die ich für die Bands aufwende, an irgendwelche Arschkriecher zu verschwenden. Es muss schon auf Augenhöhe sein. Die meisten Künstler, die ich rausbringe, schimpfe ich auch meine Freunde. Es muss ein persönlicher Draht da sein, man muss sich riechen können und eine Vision haben, an der man arbeiten kann. Außerdem denke ich, dass Bands mit dem Publikum auf Augenhöhe kommunizieren müssen. Dass sie mit Leuten, die damit zu tun haben – sei es Konzerte organisieren oder Interviews führen – nett umgehen. Mir liegt alles fern, was da diesen ganzen Rockstartum unterliegt. Ich habe keine Lust darauf, dass die Band so angehimmelt wird. Wir sind alle nur Menschen und so muss es auch von Band zu Band sein. Das ist der grobe Umriss, auf dem das alles basiert, um eine Zusammenarbeit zwischen Label und Künstler auf die Beine zu stellen.

Es gibt bei jedem Job immer Aufgaben, die man nicht gerne macht. Welche sind das bei dir?

Das kann ich so gar nicht sagen. Klar gibt es Dinge, die man nicht gerne macht. Es gibt Dinge, die nerven. Aber das muss auch gemacht werden, damit der Laden überhaupt läuft – sei es die Buchhaltung oder Abrechnungen. Da setzt man sich eben mit stupiden Zahlen auseinander. Klar muss man auch mal feiern können und Leute treffen, aber auf der anderen Seite ist alles andere, was damit zu tun hat, auch wichtig. In der Schweiz gibt es einen Veranstaltungsort namens Hirscheneck. Da arbeiten alle für dieses Kollektiv, verdienen das gleiche Geld. Egal, ob es der Koch, die Putzfrau oder der Veranstalter ist. Es ist alles gleich wichtig. Ich bin kein Fan von hierarchischen Strukturen. Man muss die Sachen delegieren. Alle Dinge sind bei mir gleichwertig. An allen Ecken und Enden muss gearbeitet werden, damit das ganze Ding steht. Man kann nicht einfach sagen: "Das nervt mich jetzt, das verschiebe ich nach hinten." Die Struktur muss auf einem Nenner sein, damit man alles am laufen halten kann. Mir machen zum Beispiel Veranstaltungen Spaß, zu denen die Leute kommen und ein gutes Feedback geben. Mich nervt es, die Lohnsteuerabrechnung und sowas zu machen. Aber das gehört auch dazu. Ich habe mich dafür entschieden, es ist meine Arbeit. Arbeit nervt manchmal, Arbeit kann aber auch Spaß machen! Und wenn es mir keinen Spaß machen würde, dann würde ich es auch nicht machen.

{image}Du hast mal jemanden getroffen, der sich das Logo von Audiolith hat tätowieren lassen. Was ging dir da durch den Kopf?

Da denke ich: Wahnsinn! Was habe ich denn da geschaffen? Dass es die Leute so beeinflusst, dass sie sich tätowieren lassen. Da war ich schon sehr berührt, als ich das gesehen habe. Das ist etwas fürs Leben, es geht nicht mehr weg. Außer man lässt es sich weglasern. Das ist schon krass. Hat mich umgehauen.

Wie geht es weiter mit Audiolith? Ist irgendwas Besonderes geplant?

Audiolith ist gerade dabei, die 50. Veröffentlichung zu planen. Die kommt im August raus und nennt sich Audiolith - Doing our thing. Es ist eine CD-Compilation mit exklusiven Tracks aller Künstler, die auf Audiolith veröffentlichen. Eine DVD mit allen Videos wird es auch geben. Dazu gibt es dann Releaseparties in einigen Städten und auch beim Omas Teich Festival. Dort statten wir die Aftershowparty aus, wo diverse Acts von Audiolith auftreten und auflegen. Im September wird es das neue Album von Supershirt geben und im Oktober wahrscheinlich ein neues Album von Juri Gagarin. Es wird auch diverse Online-Singles und Videos geben. Dann gibt es auch gerade Releaseplanungen für 2010, für die neuen Sachen von Frittenbude, Egotronic und Bratze.

Vielen dank für das Interview!

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