© Marcel Weik

Als eines der letzten sommerlichen Festivals Ende August, lud das HipHop Kemp in Hradec Kralove noch einmal zur ordentlichen Party. Mit dabei waren diesmal u.a. Redman, M.O.P., eMC, Bahamadia und die Dilated Peoples. Letzte Möglichkeit also, lustige Kopfbedeckungen auszuprobieren und die Tage früh morgens schon mit einem Hopfentee zu starten.

Das HipHop Kemp läutet Ende August (24.-26.08) jährlich das Ende der Festivalsaison ein. Location für das Camp ist ein ehemaliger Sowjet-Militärflughafen am idyllischen See-Areal der historischen Stadt Königgrätz (Hradec Kralove), etwa 100 km von Prag entfernt gelegen. Vom Klima des Kalten Krieg ist beim friedlichen HipHop Kemp Festival allerdings nichts mehr zu spüren, Battles finden einzig noch in den Hangars durch die Ausdrucksformen Rap und Breakdance statt. Mit HipHop Heads von England bis Ungarn trägt das Festival den universellen Charakter von internationalem Austausch und punktet nebenbei mit Bierpreisen von knapp einem Euro.

Das Line-up wusste für 2007 wie immer durch ein hervorragendes Aufgebot an Conscious Rap-Größen wie z.B. Masta Ace und seine eMC Crew zu überzeugen, offerierte diesmal aber auch massenverträglichere Acts wie Redman oder M.O.P. aus den Staaten. Die Bundesrepublik sollte nur durch die schon zum festen Aufgebot des HipHop Kemp zählenden Dendemann und DJ Hype, sowie Mannheims Rap-Schwergewicht Pal One vertreten werden.

Wer donnerstags bereits anreiste und sich somit die Vorherrschaft über die besten Zeltplätze sichern konnte, wurde vom gewittrigen Wetter ordentlich bestraft. Regenströme die an das Splash! Festival erinnerten, weichten Zeltplanen durch und brachten sogar die im freien aufgebaute B-Boy Stage zum vorzeitigen K.O.. Sie musste anschließend wieder zurück in einen der Hangars verlegt werden.

Freitags lachte die Sonne wieder vorbildlich, wie man das vom HipHop Kemp Logo her kennt. Obwohl sich ein echter Partylöwe nie von einer Warteschlange fressen lässt, erschien das lange Anstehen an der Scan-Ticketausgabe weniger als lustig, da man dadurch leicht den ersten sehenswerten Act, Pal One, zu verpassen drohte. Der entging einem allerdings gezwungenermaßen, da er aufgrund von Krankheit entschuldigt wurde und durch seine Mannheimer Kollegen mnemonic, Prinze Low und Fritz Evil ersetzt wurde. Erste Schmankerl gab’s danach in Form von den Drei Waxolutionists Deejays aus Österreich zusammen mit Dave Ghetto, Mystic & Hezekiah auf die Ohren. Für den richtigen Höhepunkt sorgte dann aber erst Curtis Cross aka Black Milk aus Motown. Der Detroiter bewies, dass er nicht nur den einwandfreien Umgang mit der MPC beherrscht, sondern auch im Stande ist, eine riesen Meute mit seinen Skillz am Mic zu überzeugen. Popular Demand heißt sein aktuelles Album, das er ausgiebig vorstellte. Leider trat er etwas zu früh auf, wodurch viele nur noch das Ende seiner Performance mitbekamen. Der nächste Act war eine tschechische Combo, bestehend aus Deejay Wich und dem Rapper Indy. Inhaltlich bleibt hier ein großer Interpretationsraum offen, dennoch steht fest, dass sich die Jungs bei den Tschechen unheimlicher Beliebtheit erfreuen und Wichs extravagante Beats auch auf internationaler Ebene für wippende Köpfe sorgen.

Masta Ace sorgt schon seit langem für Kopfnickmaterial und auf das Kemp kam er diesmal in Begleitung seiner beiden Partner Stricklin und Wordsworth. Das eMC-Quartett erschien ohne Punchline zwar nicht vollständig, doch Wordsworths hochkarätige Freestyle-Einlagen und Masta Ace' Banger wie Acknowledge, INC Ride oder Born To Roll erwiesen sich beim Publikum als erwünschter Joker. Natürlich wurde auch die inoffizielle Hymne des HipHop Kemp - Beautiful - interpretiert. Gespannt wurden nun die Boot Camp Clik Vertreter Heltah Skeltah erwartet. Da Sean Price zweifelsohne der Bekanntere des Hardcore Rapteams von der Eastcoast ist, betrat sein Partner in Rhyme - The Rockness Monstah - zuerst die Bühne, um Ruck mit brachialer Stimmgewalt anzukündigen. Was folgte war ein unerwartet mittelmäßiger Auftritt, der dank Sean P’s phlegmatischem Gemütszustand für viele der Fans am nächsten Pivo-Stand endete. Bei Sprachfasching und Chill out Laune lautete das einstimmig mehrsprachige Fazit zwischen Hangars und Zelten, dass da sicher noch eine Steigerung drin ist für die kommenden Tage.

Wenn man am Samstagmorgen nicht schon durch die penetrant durchzechenden Zeltnachbarn geweckt wurde, tat die brühend heiße Sonne ihr übriges. Zeit, sich mit ausreichender Gerstenkaltschalen-Ration an den See zu flacken und bei dem allerorts verbreiteten Duft süßen Rauchs die gemütliche Atmosphäre zu genießen.

Nach tschechischen, slowakischen und polnischen Künstlern waren DJ Semtex & Kidz In The Hall aus Chicago an der Reihe den Samstagabend einzuleiten. Naledge und Double-O von KITH stehen für den "neuen alten" Rawkus-Sound und heizten auf bekannte Samples ein. So zum Beispiel auf ’93 Til Infinity von den Souls of Mis’chief (Wheelz Fall Off) und sogar Smells Like Teen Spirit von Nirvana. Go Ill war angesagtes Programm. Grime Style gab es anschließend von L.Man aus London, der am Mic in bester Tradition von Kano und Dizzee Rascal agiert. Faith SFX, der ebenfalls von der Insel stammt, verdeutlichte danach seine außergewöhnlichen Beatbox-Fertigkeiten. Mit etwas Verspätung erschien schließlich Dendemann, der souverän sein Festivalprogramm durchzog. Als wäre er vorher mit Joe Cocker in der Whiskey Bar abgehangen, brummte er seine Tracks gekonnt ins Mikro und begeisterte damit auch Polen und Tschechen. Mit dem Pressbass von Er So, Ich So und den Cuts'n'Scratches von DJ Suro fackelte er alles ab.

Die durch ihre Alben eher als smooth und mellow bekannte Bahamadia überraschte als erster US-Headliner des Abends mit einem Bombenauftritt der komplett nach vorne losging. DJ Statik von Illvibe Collective scratchte sich munter die Finger wund, während seine Vorderfrau ein Acapella nach dem anderen kickte und speziell den Damen der Rapgeschichte um Badu, Love, Hill und Latifah mit einem Medley Tribut zollte. Den positiven Vibe trugen die Dilated Peoples mit Worst Comes to Worst, This Way und You Can't Hide You Can't Run gleichermaßen weiter. DJ Babu von den Beat Junkies präsentierte sich bereits in ausgezeichneter Verfassung und brachte Defari schon einen Tag früher als erwartet mit auf die Bbarak Live Stage. Weit oben von den mit Gras bewachsenen Hangars hatte man nun erstmals eine etwaige Vorstellung davon, wie viele Menschen wirklich zum Kemp gekommen waren. Redman brachte das musikalische Sprengstofffass mit seiner eindrucksvollen Show dann schließlich noch zum explodieren. React, How High und Ill Be Dat waren die Zündschnur auf dem Weg zu seinem gewagten Stage Dive, der die kochende Menge in Ekstase brachte. Mit dem deutschen Deejay Team Marc Hype & Jim Dunloop und dem legendären DJ Revolution stiegen anschließend die Aftershows in den Hangars.

Die Likwit Junkies eröffneten am Sonntag den Headliner-Abend: L.A.'s Own Billy The Kidd Defari und DJ Babu gaben sich wieder die Ehre. Trotz der vorrangigen Absicht das neue Album vorzustellen, kam Defari dem Wunsch nach, Hits von seinem 99er Klassiker Focused Daily zu spielen: People’s Choice und Focused Daily. Dauergast auf dem HipHop Kemp ist DJ Vadim, auch seine First Lady Yarah Bravo gehört mittlerweile schon zum festen Inventar. Zusammen mit Abstract Rude legten sie einen Auftritt hin, der sich sehen und hören lassen konnte. Als Highlights waren dabei The Terrorist und Bluebird auszumachen. Die beste Performance des diesjährigen Kemps legten dann die CunninLynguists hin. Sympathisch aufgelegt und mit einer Trackauswahl die keine Wünsche mehr offen ließ: Lynguistics von Will Rap For Food, Southernunderground und sogar der von RJD2 produzierte Joint Seasons. Vergebens wartete man nur auf ein zweites Erscheinen von Masta Ace, dessen Part von Deacon mitübernommen wurde. Was M.O.P. als letzter Act des Festivals ablieferte, war dann nur noch nebensächlich, erwies sich aber als optimal für die finale Partystimmung.

Trotz der wenigen deutschen Künstler und der wohl bis auf 30.000 Camper angestiegenen Anzahl an Besuchern bei nicht ganz so professioneller Organisation, wusste das Kemp einmal mehr zu überzeugen und liegt den kommerziellen Veranstaltungen um Längen voraus. Na shledanou, HipHop Kemp!