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KRS (live in Heideberg 2010l) © Hannes Mezger

Einjoy Jazz ist auch das Festival "für anderes". Theoretisch scheint hier jedes Genre sein Plätzchen zu finden, doch es muss schon immer etwas ganz besonderes sein, das die Künstler auszeichnet, die auf diesem Festival auftreten. So wie bei Lawrence "Krshna" Parker (KRS-One). Der Gangsta-Rapper der Anfänge setzte nach dem Tod von Scott LaRock radikal auf Conscious-Rap, fungierte als spiritus rector des "Stop the Violence Movement" und wurde mit seinen Statements zu politischen und sozialen Issues zu einer verbindlichen Instanz.

{image}Wozu umschweifend einleiten, was selbsterklärend ist? Knowledge Reigns Supreme. Doch bevor KRS One die Bühne betritt, darf der Heidelberger Nachwuchsrapper Muso mit seiner Band von der für den Hauptact angekommenen Masse profitieren. Der Konzertsaal ist voll. Muso macht seine Sache ordentlich. Den Auftritt komplett zu vergeigen wäre aber auch eine Kunst für sich gewesen, denn das Publikum war gierig nach Rap. Die Band spielt gut. Vielleicht hätte Muso den etwas zu lang geratenen Accapella-Track um einige Zeilen kürzen sollen, denn die ungeduldige Menge fordert – unfairerweise – unter halblautem Meckern und Motzen KRS One auf die Bühne. Damit umzugehen ist nicht leicht. Doch Muso zieht die Sache durch. Es folgen 10 Minuten Instrumentabbau. 15 Minuten Warm-Up. Der DJ legt geschickt gewählt auf. You know my steez. C.R.E.A.M. OPP. Full Clip.

{image}KRS One rennt lachend auf die Bühne und klatscht wild in die ersten drei Reihen. Scheint gut aufgelegt zu sein. Unglaubliche Lautstärke im Saal. Die Resonanz der Leute beantwortert der New Yorker MC mit angemessener Geste: "Is real HipHop in the buliding tonight?" Tosen. Ja, ist er.

KRS One haut direkt zu Beginn drei, vier altgefeierte Klassiker raus. Völlig klar. Was soll er sonst machen? Es gibt genug davon, um willkürlich aus den unzähligen Tracks  mit einem Griff einen Hit in der Hand zu halten. South Bronx, The Bridge is over und jeder Gast rappt für KRS mit. Auf der Bühne wird gezeigt, welchen Wert es hat, wenn über zwanzig Jahre Live-Erfahrung am Werk sind. Das Spiel mit dem Publikum beherrscht der Künstler in jeder Hinsicht. Aus dem Gefühl heraus.

{image}"Knowledge Reigns Supreme over nearly everybody." Das nearly wird gestrichen. Außerdem liefert KRS etwas, was sich leider bei vielen Liveacts verunselbständigt hat: Improvisation. In zweifacher Weise. In alter Manier benutzt der Rapper das Publikum auf direkte Weise zur Inspiration. Er greift sich während des Freestyles das Telefon eines Fans und schießt Bilder von sich, bis er merkt, dass es noch mehr Wertschätzung ausdrückt, wenn er die Fans selbst fotografiert. Zwischendurch schreitet er mit der Criminal Minded Platte wie ein verschwitztes Nummerngirl über die Bühne. Nach 30 Minuten ist keine Erschöpfung in KRS Ones Stimme und Körpersprache zu sehen. Allerdings sollte zu diesem Zeitpunkt ein für Abwechslung sorgender Punkt erreicht sein, um im Programm eine gewisse Spannung zu erzeugen. Supernatural erscheint und stellt ohne viele Worte mit KRS klar, dass der Abend noch lange nicht vorbei ist.

{image}Die Menge schreit, während zwei der besten Rapper sich einander die Ehre geben und alle Konzentration und Kraft für die Musik, die Zusammenführung von Menschen, aufwenden. Aus Anerkennung Supernatural gegenüber, rückt KRS One in den Hintergrund, überlässt – wohlwissend was nun passieren wird – seinem Partner den Karlstorbahnhof für einen Freestyle. Three MCs. Einen Magier interpretierend dreht sich Supernatural einmal auf seiner Hacke im Kreis und mutiert zu einem anderen Künstler aus der Hiphop-Geschichte.

Nummer 1: Slick Rick
Nummer 2: Busta Rhymes
Nummer 3: Biggie
Phantastisch.

Vereinzelt erblickt man ungläubige Gesichter. Gesichter, die wohl zum ersten Mal in ihrem Leben einen Mann auf der Bühne auf diesem Niveau improvisieren gesehen haben.

{image}Gemeinsam feiern beide MCs, die die Leute ihre Verbundenheit durch ein herzlich bemühtes Auftreten spüren lassen. Nicht bloß, dass die Musik angemessen behandelt wird, hier geschieht ein bisschen mehr. Eine weitere Seltenheit, die früher als unverzichtbar galt und heute vernachlässigt wird, findet in Heidelberg unter der Leitung des Teachers seinen Raum: Der Tanz. "Everybody who got moves, comes to the stage!" Diese Bitte wollen an die zehn B-Boys natürlich nicht verweigern und stürmen ohne Vorsicht die Bühne. Jetzt kann der bisher unbekannte Breaker aus der Region wenigstens für ein zwei Schrittabfolgen sein Können oder Nicht-Können unter Beweis stellen. Die Szene, die sich gerade abspielt, wirkt wie die romantische Vorstellung des HipHop, der doch verschiedene Disziplinen zu verbinden pflegt. Die Aktion wird stark gefeiert, ist jedoch relativ schnell vorüber. Übereuphorisierte Tänzer. Verzerrte Münder. Viel Gejubel.

{image}Später sollte einer der Kurzzeitartisten noch seinen verlorenen Schlüssel auf der Bühne suchen wollen. Ob mit oder ohne Erfolg bleibt wohl ungeklärt. Kaum hat sich der Kreis aufgelöst, verleiht Supernat seinem Talent, spontan zu dichten, ein zweites Mal Ausdruck. Jede Idee bekommt in seinen Versen einen Klang. Er rappt frei heraus, welche Stationen KRS wann abgegangen ist, zu welcher Zeit welche erste Single erschienen ist, wann er welche Freunde gehen lassen musste. Die Bigriophie des Künstlers KRS One, verfasst in einem Moment der Charakterverschmelzung von Supernatural. KRS One nickt bloß still, zwinkert seinem Biographen lächelnd zu, versteht sich selbst als die Musik, die gerade gespielt wird. Zwei erfahrene Künstler erfahren sich situativ. Leider wird dieses Verstehensspiel unterbrochen. Schon die ganze Zeit über hatte der Musiker dem Tontechniker im Karlstorbahnhof, der seines Zeichens einige Mischprobleme nicht leugnen kann, signalisiert, er solle doch das Mikrofon lauter machen. Der Dialog blieb allerdings aus und am Sound änderte sich Nicht-Wesentliches. Die Monitorboxen sind vollständig ausgefallen. Doch ein gut gelaunter, raffinierter Entertainer weiß mit der Situation umzugehen und entwickelt einen charmanten Aufschwung in der Show. Wenn er selbst nichts hört, doch die Leute im Saal schon, dann reicht das völlig aus, um jede Minute Stagetime zu nutzen. Die Monitorboxen sind nicht weiter bedeutend. Das Mikrofon kratzt an der Musikers Kehle. Er frisst das Mikrofon. So wirkt es. So sieht es aus.

{image}Doch selbst wenn KRS sehr engagiert auf der Bühne seine Arbeit leistet, gehört das Bewundern einem anderen: Supernatural. Rapkabarett mit dem Publikum. Alte Masche. Die Zuschauer schmeißen dem Rapper Gegenstände entgegen, der Rapper verwendet die Gegenstände im Text. Alte Wirkung. Großartig.
Aus den einfachsten Gegenständen entwickelt er Charaktere, lässt vergangene Gestalten wie Flava Flav auferstehen und reizt die Freiheiten eines schnell arbeitenden Kopfes komplett aus. Ein Fan übergibt ihm sein modernes Mobilfunk-/Laptop-/Highend-/Internetportalbrowserelectronicgerät, sein soziales Netzwerk. Supernatural lässt sich die Chance auf einen Scherz nicht nehmen. "You give this to me, you wanna get rid of that?/ No, Nat won´t do that! Go tell your friends, just twitter that./" Reim nach Reim. Einfall nach Einfall. Scherz nach Scherz.
Beste nichtverdummende Unterhaltung.

{image}Der nächste Gegenstand: "What should I call that?/ Never seen this.
A white man givin´a black man his wallet./" Das Tempo nimmt nach dem Freestyle von Supernatural schnell und stark ab. Der Höhepunkt ist vorbei. Supernatural fiel über das Konzert hinweg bei seinen wenigen Parts mehr auf als der angekündigte KRS One. Ohne Supernatural hätte ein für den Erfolg als Liveact wichtiger Bonus gefehlt. Vorletzter Track. Letzter Track. Vorbei. Ohne großes Aufsehen zu erregen.

Seltsamer Abgang für ein so gutes Konzert, das zwar einige schwächere Stellen und Tiefen hatte, doch als absolut sehen- und hörenswert zu vermerken ist. Das Konzert war im Übrigen ausverkauft. Restlos. Zufriedenheit.

Alles zu den Themen:

krs one muso enjoy jazz