Brad Mehldau

Brad Mehldau © IMN

Zum Abschluss des diesjährigen Enjoy-Jazz Festivals bringt Brad Mehldau sein ambitioniertes Highway Rider-Projekt mit vollem Orchester auf die Bühne der Heidelberger Stadthalle - und scheitert grandios.

Seit Charlie Parkers Aufnahmen mit Streichern aus dem Jahr 1950 sind Projekte mit Orchester unter Jazz-Liebhabern heftig umstritten. Während Parker kommerzieller Ausverkauf und Anbiederung an die damals gängigen Formen der populären Musik vorgeworfen wurde, so stellt sich heute die Frage, welche künstlerischen Ziele mit der Aufbietung eines Orchesters verfolgt werden. Dient das Orchester zur Umsetzung spezifischer musikalischer Ideen, die sich in der klassischen Besetzung eines Jazz-Quartetts nicht verwirklichen lassen, oder beruht sein Einsatz nur auf falschen klassischen Prätentionen, dem Ziel, angeblich fehlende Glaubwürdigkeit durch einen Taschenspielertrick auszugleichen. Brad Mehldaus Auftritt zum Abschluss des Enjoy Jazz Festivals 2011 in der Heidelberger Stadthalle fällt eindeutig in die zweite Kategorie.

Highway Rider ist ein überambitioniertes Projekt ohne nennenswerten Gehalt, das mit einem absurden Aufwand inszeniert wird, der durch das Ergebnis in keiner Weise zu rechtfertigen ist. Die Bühne der Stadthalle wird nicht nur von Mehldau, Saxophonist Joshua Redman, Bassist Larry Grenadier und zwei Schlagzeugern (Matt Chamberlain und Jeff Ballard), sondern auch von Britten Sinfonia unter der Leitung von Scott Yoo bevölkert. Das Orchester besteht aus mehr als einem Dutzend Streicher, dazu fünf Celli, drei Waldhörner und Holzblasinstrumente – allein eine Triangel ward nicht gesichtet.

{image}Was ist großartiger als ein Orchester? Richtig, ein Orchester, das nicht spielt. Man kann sich vorstellen, wie sensationell das Gefühl sein muss, zwei Dutzend Musiker mit einem Federstrich zum Schweigen zu bringen. Das darf man ruhig auskosten, gerne auch zwanzig Minuten, in denen die Musiker von Britten Sinfonia komplett schweigen. Später darf Joshua Redman aussetzen und gelangweilt ins Publikum schauen, damit auch er merkt, dass er nur ein ganz kleines Rädchen im grandiosen Gefüge des Mehldauschen Selbsterfahrungstrips ist. Und damit wird klar: Dieses Orchester steht vor allem deshalb auf der Bühne, weil Brad Mehldau es wollte und weil ihm niemand Einhalt geboten hat.

Wenn Brad Mehldau etwas zu vermitteln gehabt hätte, dann könnte man diesen künstlerischen Egotrip entschuldigen. Allein die strunzlangweilige Musik offenbart mit Titeln wie At The Tollbooth (An der Mautstation) bereits ihre ganze Leere. Von welcher Reise Mehldau da auch immer schreibt, sie war offensichtlich so spannend wie eine Autofahrt durch Kansas. Daher fehlt alles, was Jazz spannend macht: Leidenschaft, Ekstase, Intensität. Man ist ja schon dankbar, wenn die Stimmung ausnahmsweise nicht elegisch ist – doch das ist sie meistens...

Das ganze Erlebnis ist umso schmerzhafter, wenn man bedenkt, wie fantastisch ein Konzert mit Brad Mehldau als Solist, im Duo, Trio oder Quartett gewesen wäre. Mehldau ist ein wunderbarer, lyrischer, aber auch leidenschaftlicher Pianist, doch an diesem Abend in Heidelberg spielt er nur banalste Motive, die anschließend von den Streichern endlos ausgewalzt werden. Wenn man die ganze Fürchterlichkeit dieser Verschwendung musikalischer Ressourcen bedenkt, dann sucht man verzweifelt nach einer Antwort auf die eine, alles entscheidende Frage: Warum hat Brad Mehldau sich nicht einfach einen neuen Sportwagen gekauft?

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