Phil Collins (2017)

Phil Collins (2017) © Warner Music

Auch im Sitzen beweist Phil Collins, dass er ein Popgigant ist. Sein Konzert in der Lanxess Arena in Köln ist eine Mischung aus emotionalen Balladen und groovig-rockenden Powersongs, die speziell im zweiten Teil für einen Gänsehautmoment nach dem anderen sorgen.

Schon als Phil Collins die Bühne betritt, huldigen ihm seine Fans. Die gesamte Halle steht und klatscht Standing Ovations für ihren großen Star, der offenbar keine Lust mehr hatte auf sein Rentnerdasein.

Er ist da

Energisch klopft Phil Collins mit seinem Gehstock auf den Boden, setzt sich vor zwei Scheinwerfer an einen Tisch und spricht: "I missed you. My leg is fucked, but now I'm here". Die Szenerie erinnert eher an eine intime Lesung, denn auch die Band ist noch hinter dem Vorhang verborgen. Ganz entspannt singt Phil Collins "Against All Odds (Take A Look At Me Now)" und das Publikum klatscht schon jetzt mit.

Schließlich hebt sich der Vorhang, die Scheinwerfer wandern zur Seite. Mit dynamischen Drum-Schlägen als Intro klatscht sich das Publikum weiter warm für "Another Day In Paradise". Die ganze Halle singt den kompletten Song mit. Am Ende gibt es Riesenapplaus. Weiter geht der poppige Schmusekurs mit "One More Night". Sanft schmiegt sich die Stimme von Phil Collins an diese Ballade an, nur akzentuiert vom gefeierten Saxophon-Solo. Einfach nur schön und emotional.

Eine Band namens Genesis

Obwohl sein rechter Fuß schwer lädiert ist, zeigt Phil Collins seine Qualitäten als groovender Popstar. Er sitzt auf dem Stuhl, aber sein linker Arm und das linke Bein sind ständig in Bewegung. Er geht jeden Takt von "Wake Up Call" voll mit und wechselt sich im Gesang mit seinen zwei Backgroundsängern und den zwei Backgroundsängerinnen ab. Am Ende rockt Lead-Gitarrist Daryl Stuermer mit seiner Gitarre los und schließlich bringen die dynamischen Schlagzeugbeats den Song zu einem furiosen Ende. Das Publikum geht tierisch ab.

Phil spricht zu seinen Fans: "Years ago I was in a band called Genesis". Allein dieser Name lässt das Publikum ausflippen. Aus dieser Zeit spielt er "Follow You Follow Me". Hinten auf dem Video laufen alte Bilder von Genesis. Die Zuschauer singen mit und klatschen am Ende frenetisch. Der nächste Song "Can't Turn Back The Years" wird von gedämpften, sphärischen Klängen eingeleitet. Keyboarder Brad Cole spielt die Grundmelodie, während Daryl Stuermer darüber die Akzente mit der Gitarre setzt. Als Phil Collins schließlich mit dem Gesang einsetzt, klingt seine Stimme so eindringlich wie bei keinem anderen Song zuvor. Das Publikum lauscht gespannt. Am Ende brechen alle Dämme, die Zuschauer rasten vor Begeisterung aus.

Funky Dance Groove

Spätestens mit "I Missed Again" zeigt die Band, dass sie gewillt ist, den Abend mit funky groovigen Stilelementen zu rocken. Die vier Bläser um Trompeter Harry Kim drehen den Sound in der Halle hoch. Das Saxophon-Solo wird erneut lautstark gefeiert. Bei "Hang In Long Enough" reißt es die Fans endgültig von den Sitzen. Die vier Bläser kommen von ihrem Podest runter nach vorne, umrahmen Phil Collins und gehen so ab, dass die Halle wieder lostobt. Als er seine gesamte Band vorstellt, "vergisst" er schelmisch lächelnd beinahe den Schlagzeuger, wieder einmal. Es ist sein 16-jähriger Sohn Nicholas Collins, der vielleicht einmal das Erbe seines Vaters antreten wird.

Zur Abkühlung singt Phil Collins nun ein Duett mit seiner Backgroundsängerin. Hinten leuchtet ein animierter Sternenhimmel und auch zahlreiche Smartphonelampen tragen zur Atmosphäre bei. Phil Collins beginnt "Separate Lives", überlässt es dann aber der Sängerin, mit ihrer Powerstimme zu glänzen.

Das Lied ist einfach nur zum Heulen schön und wird entsprechend laut gefeiert am Songende. Zum Ende des ersten Teils des Konzerts drücken die Bläser bei "Only You Know And I Know" nochmal ordentlich aufs Gas. Dazwischen feuert Daryl Stuermer an der Lead-Gitarre eine ganze Salve Power-Riffs in die Halle und schließlich endet der Song mit einem krachenden Feuerwerk des Bläser-Quartetts.

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Sitzen verboten

Die zweite Hälfte startet mit einem Drum-Duett von Nick Collins am Schlagzeug und Percussionist Louis Conte. Das Publikum ist direkt wieder voll auf Betriebstemperatur und klatscht begeistert mit. Phil Collins nimmt wieder Platz und singt "I Don't Care Anymore". Seine durchdringende Stimme wird immer wieder akzentuiert vom Heulen der Gitarren. Kaum erklingt "Something Happened On The Way To Heaven", steht die gesamte Halle auf und ab, denn jetzt herrscht das Motto: Sitzen verboten". Die Zuschauer feiern eine gigantische Party, wieder angetrieben von den Bläsern und den Gitarren. Phil Collins groovt auf dem Stuhl sitzend mit, treibt das Publikum an. Die Zuschauer singen und huldigen ihrem Helden mit Standing Ovations.

Phil Collins steht kurz auf, quält sich sichtlich beim Gang zum Klavier und setzt sich vorne neben seinen Sohn, der nun Piano statt Schlagzeug spielt. Phil Collins singt die Ballade "You Know What  I Mean". Am Ende steht Nicholas auf und umarmt unter dem Jubel des Publikums seinen Papa. Ein emotionaler Gänsehautmoment. Genau diese Emotion trägt sich ab jetzt von Song zu Song. Die dunkle Bühne durchziehen die sphärischen Klänge beim Intro zu "In The Air Tonight". Plötzlich geht das Spotlight auf die Gitarristen Daryl Stuermer und Leland Sklar an der Bass-Gitarre. Die Gitarren heulen los und als dazu die Stimme von Phil Collins erklingt, der von vorne mit gelbem Licht angestrahlt wird, kennt die Halle keine Grenzen mehr. Völlig gefesselt hören alle zu und explodieren förmlich mit dem Geschrei, als Nick Collins zum weltberühmten Schlagzeugsolo von "In The Air Tonight" ansetzt. Die Fans  toben, schreien, klatschen und pfeifen.

Ganz neue Töne

Der Wahnsinnsritt von Highlight zu Highlight geht weiter. Bei "You Can't Hurry Love" tanzt das Publikum singend auf den Rängen und macht mit "Dance Into The Light" gleich weiter. Getragen von den Bläsern ist die emotionale Party ein Ritt durch die Popgeschichte mit Stilelementen, die weit über die ursprünglichen Versionen hinaus gehen. Das zeigt sich wie bei keinem anderen Song des Abends bei "Invisible Touch". Den eigentlichen Charakter des Genesis-Hits völlig ändernd, spielt Phil Collins den Song als funkige Big-Band Nummer. Allein das zu hören ist das Eintrittsgeld wert. Die Bläser drehen auf, Phil Collins groovt mit dem Publikum und der ganze Song wird mitgesungen und abgefeiert.

Auch "Easy Lover" vermittelt pure Gänsehaut. Der große Star singt mit seinen Backgroundsängern- und sängerinnen. Er scherzt, lächelt, flirtet mit ihnen, lässt sie aber vor allem glänzen. Eben ein echter Superstar, der cool genug ist, nicht selbst ständig im Mittelpunkt stehen zu müssen. Nicht fehlen darf natürlich "Sussudio", mit dem der Hauptblock des Konzerts endet. Phil Collins dreht nochmal auf, als eine Fontäne aus Flitter und Luftschlangen explodiert. Das Publikum singt das "Oh-Oh" ebenso laut wie das langgezogene "Ooooh, Su-Su-Sudio". Die extralange Version wird immer wieder abgewandelt. Die Bläser drücken den Rhythmus auf Maximum. Am Ende stehen alle Arm in Arm und verbeugen sich.

Der große Abgang

Phil Collins kommt allein zurück. Am Piano sitzt nur Keyboarder Brad Cole. Ganz ruhig singt er einen seiner Lieblingssongs seiner Jugend, die Ballade "If You Really (Really Love Me)". Für diesen emotional ergreifenden Moment setzen sich die Zuschauer kurz hin, stehen aber direkt wieder auf für den letzten Song "Take Me Home". Phil Collins dirigiert die Massen, lässt sie singen, während das Publikum ihrem großen Helden ein würdigen Abschied gibt. Sie feiern ihn und wollen ihn nicht wirklich gehen lassen.

Aber gerade dieser Abgang ist sinnbildlich für die Situation. Die letzten Jahre haben Phil Collins offenbar viel Kraft gekostet. Er wirkt gezeichnet, nicht nur durch das Pflaster auf der Stirn nach dem Sturz im Hotelzimmer. Jede Bewegung scheint ihn sehr viel Energie zu kosten. Aber dennoch ist er immer noch in der Lage, mit seiner Musik die Welt zu begeistern. Er spielt dieses Konzert trotz seiner Schmerzen mit so viel Emotion und Leidenschaft, wie es nur ein echter Herzblutmusiker tun kann. Live vermittelt er soviel Energie und Groove, als ob er immer noch seine Kritiker widerlegen wolle. Hat er aber nicht nötig. Phil Collins ist ein Weltstar, der hoffentlich weiterhin die Kraft findet, seine Fans weltweit zu begeistern.

Setlist

Teil 1: Against All Odds (Take A Look At Me Now) / Another Day In Paradise / One More Night / Wake Up Call / Follow You Follow Me / Can't Turn Back The Years / I Missed Again / Hang In Long Enough / Separate Lives / Only You Know And I Know

Teil 2: Drum Duet Nick Collins & Louis Conte / I Don't Care Anymore / Something Happened On the Way To Heaven / You Know What I Mean / In The Air Tonight / You Can't Hurry Love / Dance Into The Light / Invisible Touch / Easy Lover / Sussudio // If You Love (Really Love Me) / Take Me Home

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