Michael Kiwanuka ist der Mann der Stunde, wenn es um Retro-Soul geht.

Michael Kiwanuka ist der Mann der Stunde, wenn es um Retro-Soul geht. © Sam Butt

Michael Kiwanuka ist der Mann der Stunde, wenn es um Retro-Soul geht. Mit einer Stimme irgendwo zwischen Bill Withers, Otis Redding und Terry Callier verzauberte der Brite unlängst sogar die BBC-Soundlist-Verantwortlichen. Mit seinem Debütalbum "Home Again" im Gepäck machte er Halt im Berliner Postbahnhof und hinterließ dabei bleibende Eindrücke. Der junge britische Musiker Jake Bugg hatte durch seine begeisternd starke Support-Show ebenfalls einen Anteil an dem gelungenen Abend.

Es ist bereits kurz vor neun: Kaum einer der Anwesenden im proppenvollen Berliner Postbahnhof beachtet den jungen Kerl, der plötzlich die Bühne betritt und sich seinen Weg zum Mikrofon bahnt. Mit seinem suchenden Blick, der Retro-Regenjacke und den Skater-Jeans erinnert er an einen Roadie, der kurz vor dem Erscheinen des Künstlers noch schnell die Setlist positionieren will. Doch der vermeintliche "Angestellte des Abends", der aussieht wie der Sohn von Noel Gallagher, schnallt sich eine Gitarre um und tritt ans Mikro: "Hallo, mein Name ist Jake Bugg", flüstert er. Der Brite ist achtzehn Jahre jung, kommt aus Nottingham und präsentiert sich in der folgenden halben Stunde wie ein pubertierender Bob Dylan mit Tiefgang.

Das Publikum ist fasziniert von der glasklaren Stimme und der jugendlichen Frische des Barden und lässt ihn um kurz nach halb zehn nur ungern ziehen. Wenig später haben sich die Gemüter aber wieder beruhigt, wissend, dass die eigentliche Hauptattraktion des Abends ja noch bevorsteht. Diese lässt auch nicht lange auf sich warten. Mit tosendem Applaus wird Michael Kiwanuka und seine Backing-Band empfangen. Der Soul-Newcomer ist sichtlich gerührt und strahlt über beide Ohren, ehe sich die ersten Akkorde von I'll Get Along im Raum verteilen und die Berliner Szene-Location wie von Zauberhand plötzlich ins Jahr 1972 katapultiert wird.

Der Sound ist warm und klar, und gut bei Stimme zieht der Mann von der Themse seine Gefolgschaft spätestens mit dem folgenden Company komplett in seinen Bann. Das unangenehme Gefühl, sich zu präsentieren, das Michael Kiwanuka in vielen Interviews immer wieder anspricht, weicht mit jedem weiteren Ton, sodass sich der Engländer vor dem Song Tell Me A Tale gar zu einer längeren Ansage hinreißen lässt. Insgesamt steht die Musik aber im Vordergrund und die weiß bis zum letzten ausklingen Akkord von Lasan – knapp anderthalb Stunden später – vollends zu überzeugen.

Es ist schon beeindruckend, wie Michael Kiwanuka mit Hilfe seines begleitenden Quintetts die Wurzeln des Souls in Verbindung mit Blues und Jazz authentisch und völlig unaufgesetzt in die Neuzeit transportiert. Jedes einzelne Instrument, sei es die Hammond-Orgel, die Percussions oder der tiefe Bass, klingt, als wäre es gerade einer Zeitmaschine entnommen, um das Hier und Jetzt mit Seele und künstlerischem Gehalt zu füllen. Über allem thront Kiwanukas markante Stimme, welche man sich stundenlang in die Gehörgänge transportieren lassen könnte, ohne dass sich auch nur der Ansatz von Abnutzungserscheinungen bemerkbar machen würde. Leider hat der "Kiwanuka-Tag" nur eine Laufzeit von gut 80 Minuten, sonst würde jeder einzelne Zeitzeuge an diesem Abend wahrscheinlich auch heute noch gebannt und gefesselt vor der Bühne ausharren.

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