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Michael Kiwanuka (live in Frankfurt, 2016) © Saron Duchardt

Entgegen des aktuellen Trends spielt Michael Kiwanuka lange Songs mit großer stilistischer Bandbreite - teilweise sogar innerhalb eines Songs. So entsteht eine akustische Wucht, welche die Zuschauer in der Batschkapp in Frankfurt zu Begeisterungsstürmen treibt.

Bereits der Auftritt des Support Acts Casey Keth sorgt in der Batschkapp in Frankfurt für ungewöhnlich intensive Begeisterung. Der Sänger mit der Gitarre und der prägnanten Soulstimme präsentiert sich prächtiger Spiellaune und will gar nicht mehr aufhören. 

Das Publikum geht voll mit, klatscht, schnippt den Rhythmus mit den Fingern und quittiert seine Songs mit Fingerpfiffen und viel Applaus. Ein guter Auftakt.

Lieder auskosten

Nach kurzer Pause kommt als erster Musiker der Keyboarder auf die Bühne und beginnt das Konzert mit einer Instrumentaleinleitung. Unter großem Applaus betritt Michael Kiwanuka die Bühne, greift zur Gitarre und steigt in die Melodie ein. Vertieft in sein Spiel dauert allein dieser Anfang des ersten Songs "Cold Little Heart" rund sechs Minuten. 

Während Michael Kiwanuka voller Konzentration seine Gitarre heulen lässt, kommen die zwei anderen Gitarristen, der Schlagzeuger und der Percussionspieler dazu. Sie ergänzen die Melodie des Keyboarders und den Gitarrensound von Kiwanuka mit treibenden Beats und immer neuen Facetten. Als Michael Kiwanuka kurz absetzt, brandet Applaus hoch. Er beginnt zu singen, immer noch den ersten Song, aber es klingt wie ein neues Lied. Seine rauchige, kratzige Stimme durchdringt den ganzen Raum. Am Ende wird der Song immer leiser und endet nach 10 Minuten in tosendem Applaus. 

Moderner Retro-Soul

Mit dem zweiten Song "One More Night" zieht das Tempo deutlich an. Der schnelle Blues und Soul enthält sehr rockige Elemente mit harten Drums und kreischenden Gitarren. Der nächste Titel "Tell Me A Tale" ist eines der großen Highlights des Konzerts. Der modern klingende Retro-Soul mit seinen zahlreichen Stilelementen ist so elektrisierend, dass kein Zuschauer still stehen kann. Das treibende Schlagzeug, die harten Riffs und die Stimme von Michael Kiwanuka sorgen für wippende Köpfe und Körper. Niemand kann sich dieser Energie entziehen. Als die Musik am Ende wieder leise zu Ende geht, flippt die Halle aus.   

Bei "Rule The World" wird der Sound vom Keyboard dominiert. Die sphärischen Klänge stehen in krassem Gegensatz zu der alles durchdringenden Stimme von Michael Kiwanuka. Als dann die drei Gitarren gemeinsam aufheulen, klatscht das Publikum erneut vor Begeisterung. Das setzt sich direkt fort, denn jetzt werden sie von Kiwanuka dazu animiert. So untermalen die Zuschauer den Rhythmus von "Black Man In A White World". Michael Kiwanuka lässt seine Finger über die Gitarre fliegen, während hinten die Percussions karibisches Flair in den Song bringen. Das alles hat so viel Power, dass man einfach nicht still stehen kann. Auch dieses Stück dauert rund acht Minuten.

Balladen im ganz eigenen Stil 

Die nächsten Songs haben Normallänge, sind aber dennoch außergewöhnlich. Dem ruhigen, eher melancholischen "Always Waiting" folgt "I'm Getting Ready". Der kirchenmusikartige Keyboardsound untermalt den einfühlsamen Gesang, als ob Michael Kiwanuka aus seinem Leben erzählen würde. Er ist sichtbar beeindruckt davon, wie das Publikum mitgeht: "You are amazing by the way".

Am Ende des Hauptblocks wird es nochmals intensiv. Mit "Father's Child" spielt er nochmal einen ganz langen Song, der mit seiner permanenten Wiederholung der Songzeile: "Walk with me" wie ein Aufschrei der Verzweiflung klingt. Das ist pure Emotion und so reagiert das Publikum auch. Sie klatschen enthusiastisch, als Michael Kiwanuka zuerst die Bühne verlässt, am Ende nur noch der Keyboarder die einsame Melodie spielt und schließlich in der Dunkelheit verschwindet.

Die Titelsongs als Zugabe

Als Zugabe spielt Michael Kiwanuka noch die Titelsongs seiner beiden Alben. Zuerst "Home Again", eine träumerische Ballade zum Mitsingen. Aber das letzte Highlight ist "Love & Hate", diese Mischung aus energetischem Soul und Blues-Rock. Sie bringt noch einmal die ganze Halle zum Kochen, alle wippen, klatschen und pfeifen ob des tollen Konzerterlebnisses.

Der Sound von Michael Kiwanuka ist fesselnd, aber irgendwie auch nicht greifbar. Es ist fast unmöglich, diesen Sänger in irgendeine Kategorie einzuordnen. Sein Soul hat erkennbare Retroelemente, ist aber auch durchsetzt von Pop und Rock. Seine langen Gitarrensolos erinnern an den Sound von Pink Floyd, in anderen Momenten klingt er wie ein moderner Singer/Songwriter. Kurz, ein extrem faszinierender Musiker, dessen Live-Auftritte wirklich außergewöhnlich sind.

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