John Garcia plays Kyuss

John Garcia plays Kyuss © Marc Nolte

Die Stoner Rock-Legende Kyuss gibt es offiziell seit 1996 nicht mehr. In zahlreichen anderen Projekten beschäftigt, stand eine Reunion für die Gründungsmitglieder nie zur Debatte. Doch John Garcia, Sänger der Wüstenrock-Truppe, kündigte Anfang des Jahres an, mit einigen Gastmusikern und einem Kyuss-Set auf Tour zu gehen. Wir wagten die Zeitreise der besonderen Art und wurden in der Batschkapp in Frankfurt Zeugen einer Wüstenreanimation der Extraklasse.

{image}Es gibt Bands, es gibt großartige Bands, und es gibt Legenden. Welcher Kategorie Kyuss – Begründer des Stoner Rock ("Desert Rock") – angehören, dürfte klar sein. 1987 formierte sich die Bande, die mit bisher nie da gewesenen Sounds die Rockszene revolutionieren sollte, im sonnigen Palm Desert in Kalifornien. Mit in den Keller gestimmten Gitarren, die teilweise mit Bassverstärkern kombiniert wurden, psychedelischen Grooves, krachenden Drums und einer charakteristischen Stimme prägten sie ein Genre, das bis heute viele Bands in sich vereint. Die Liste der Kyuss-Gründungsmitglieder liest sich wie ein Who-is-Who der Rockszene. Sänger John Garcia lieh Unida, Slo Burn und Hermano seine Stimme, Gitarrist Josh Homme ist Sänger und Gitarrist der Queens of the Stone Age, sowie neben einigen anderen Projekten bei den Eagles of Death Metal und Them Crooked Vultures tätig. Brant Bjork, ehemaliger Kyuss-Drummer, schwang die Stöcke bei Fu Manchu und bestreitet mittlerweile Solopfade. Und last but not least spielte Bassist und Vorzeigerüpel Nick Oliveri bis zu seinem Rausschmiss den Viersaiter bei den Queens of the Stone Age und gründete die Band Mondo Generator. Alle Musiker sind mit ihren Projekten bestens ausgelastet und so war es nicht weiter überraschend, dass Interviewfragen nach einer Kyuss-Reunion stets mit einem kurzen "Nein, niemals" beantwortet wurden. Doch John Garcia, der sich zwischenzeitig seiner Karriere als Tierpfleger widmete, kündigte Anfang des Jahres an, die Wüste und somit das Stoner Rock-Urgestein mit dem Projekt Garcia Plays Kyuss wieder zu beleben.

{image}Da sich niemand aus der ursprünglichen Besetzung für die Tour hergeben wollte, holte sich Garcia hochkarätige musikalische Unterstützung ins Boot. Mit Bruno Fevery (Gitarre), Jaques de Haard (Bass) und Rob Snijders (Schlagzeug) kehrte der Sänger als Garcia Plays Kyuss auf europäische Bühnen zurück und gab vielen Kyuss-Fans die wahrscheinlich letzte Chance, ihre Helden wenigstens zu einem Viertel (noch) einmal live erleben zu dürfen. Und für die wurde ein Traum wahr. Drei der geplanten Shows mussten aufgrund des hohen Ansturms in größere Hallen verlegt werden und auch bei der Songauswahl hatte das Publikum einiges mitzureden. Im Vorfeld der Tour durften Wunschlisten eingereicht werden, die von Garcia und seinen Mitmusikern so weit wie möglich beherzigt wurden.

{image}In der restlos ausverkauften Batschkapp drängten sich die Stoner-Jünger vor der Bühne und erwarteten ihren Helden mitsamt Anhang sehnsüchtig. Doch da Vorfreude die bekanntlich schönste Freude ist, ließ der auf sich warten und da es an diesem Abend keine Vorband geben sollte, versorgte die Batschkapp die Ohren der Gäste vorsorglich mit psychedelischen Jimi Hendrix-Hits. Als die Musiker die Bühne endlich betraten, brach die bereits enorm transpirierende Menge in Jubel aus. Den ersten Song des Abends, Jumbo Blimp Jumbo, gaben die Jungs ohne Altmeister Garcia zum Besten. Sehr souverän galoppierten sich die Musiker warm, allen voran Gitarrist Bruno Fevery, und als sich das kalifornische Gemüt John Garcia zur Band gesellte, flippte das Frankfurter Publikum aus. Mit dem bekannten bluesigen Gitarrenpart startete Thumb und die Batschkapp stand augenblicklich in Flammen. Trotz einiger Extrakilos auf den Rippen und einem sichtlich eingetretenen Alterungsprozess sang Garcia die Lieder mit einer solchen Inbrunst, als gäbe es kein Morgen und spaltete mit seiner glasklar dröhnenden und dennoch rotzigen Stimme die Sauerstoffatome im Club. Und der Pegel am Thermometer stieg ins Unermessliche.

{image}Obwohl Dreiviertel der Urbesetzung an diesem Abend fehlte, ging den Kyuss-Songs nichts von ihrer schleppenden Dynamik und Energie verloren. Die handerlesenen Künstler an den Instrumenten gaben mit Vollgas das Set perfekt wieder. Und genau das ist der Punkt: Die Songs sind solche Selbstläufer, dass John Garcia selbst mit einer Odenwälder Blaskapelle im Schlepptau das Publikum noch begeistern würde. Garcia, die Stimme der Wüste und Namensgeber der Tour, war eindeutig der Star des Abends. Etwas ungelenk und steif bewegte er sich in einem schlichten langärmeligen Hemd zwar, hatte jedoch ein paar coole Gesten und Worte für das Publikum übrig. Mit weiteren Krachern wie Asteroid, 100° und One Inch Man bekamen die Gäste in der Batschkapp einen Querschnitt aus den vier Kyuss-Alben vor den Latz gehauen. Ganz traditionsbewusst lösten die Bluesgitarrenriffs, Wah Wahs und dröhnenden Effekte ein Erdbeben aus, das jeden Gast erfasste. Dankbar antwortete das Publikum mit gesanglicher Unterstützung, schweißtreibenden Moshpits, Headbang-Einlagen und ohrenbetäubendem Jubel, gegen den die WM-Vuvuzelas definitiv abstinken.

{image}Auf die Frage "What do you wanna hear?" bekam der Musiker einen undefinierbaren Brei aus zig gebrüllten Songwünschen an den Kopf geworfen, aus denen er schließlich Green Machine vom 1992-Album Blues for the Red Sun herausfilterte. Ein Kompromiss, mit dem sich alle Beteiligten zufrieden geben konnten. Nochmals wurden die Propeller ausgefahren und der Moshpit-Rodeo eröffnet. Nach diesem Ausritt verließen die Jungs mit der untergehenden Wüstensonne im Rücken die Bühne, um nach kurzer Zeit für eine Zugabe, unter anderem mit dem Slo Burn-Hit Pilot the Dune, zurückzukehren. Knappe 90 Minuten lang brachte John Garcia Südkalifornien mitten in die Deutsche Bundesrepublik. Und so mancher Gast musste sich nach der Show erst einmal den Sand aus den Augen reiben.

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