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Sportfreunde Stiller (live bei Worms: Jazz & Joy 2017) © Bernward Bertram

Worms: Jazz & Joy 2017 lockt an drei Tagen wieder zehntausende Besucher vor die vier Festivalbühnen. Obwohl der Freitag diesmal nicht an das grandiose Opening 2016 herankommt, so bietet das Festival vor allem am Samstag zahlreiche Highlights.

Der Freitag beim Worms: Jazz & Joy startet 2017 mit dem Sonderkonzert der Sportfreunde Stiller. Knapp 3.000 Besucher verfolgen ein Konzert, dass im Gegensatz zum Vorjahr bei The BossHoss gleich zu Beginn mit voller Lautstärke startet. Um den Platz herum verteilen sich zahlreiche Zaungäste und manche Musikfans klettern sogar auf die Schornsteine der umliegenden Häuser.

Die Joy Division

Die Sportfreunde Stiller präsentieren aktuelle Songs wie "Zwischen den Welten" ebenso wie die Radiohits "New York, Rio, Rosenheim". Die Selbsterkenntnis "Wir sind die Abteilung Joy" passt zur Band und ihrer Musik, denn ihre Texte sind definitiv stärker als ihr Gesang. In freier Anlehnung an einen alten Song von Katja Ebstein könnte man auch sagen: "Bei denen, bei denen, geht mancher Ton daneben."

Dafür zeigt die Band sehr viel Humor und Wortwitz. So sollen die Wormser Zuschauer in Worms ihre "Nibe-Lungen" richtig aufblasen, um voll mitsingen zu können. Der Auftritt ist musikalisch sicher nicht der ganz große Wurf, aber unterhaltsame Spaßkonzert sorgt bei den Zuschauern für gute Laune.

Folk und Jazz am Freitag

Auf der freien Bühne vor der Jugendherberge spielen zeitgleich nacheinander drei Bands aus der englischen Partnerstadt St. Albans. Beim sehr gelungenen Folk Evening glänzen unter anderem Na-Mara mit schwungvollem Folk. Mit ihren Akustikgitarren spielen sie sogar ein Stück über die Edelweißpiraten, eine Gruppe jugendlicher Widerständler gegen den Nationalsozialismus in den 1930er Jahren.

Auf dem Weckerlingplatz präsentieren Matt Bianco & New Cool Collective ihre Version von Jazz-Musik, die zwar gut gespielt ist, aber zeitweise etwas dahin plätschert. Erst als der Schlagzeuger und der Percussionist zu einem Duett ansetzen und später die Bläser mehr Tempo ins Geschehen bringen, wird auch das Publikum hörbar aktiver. Leider ist das Konzert gerade zu Ende, als Musik und Stimmung richtig aufdrehen.

Lokale Helden

Am Marktplatz versucht Akua Naru lange vergeblich, das Publikum mit ihrem sehr coolen Hip-Hop zum Mitmachen zu bewegen. Erst ein Solo des Saxophons lässt aufhorchen und mit dem Wechsel der Stilrichtung vom Hip-Hop mehr zu Funk und Blues trifft sie den Nerv der Zuschauer, die jetzt endlich richtig mitgehen.

Großer Ansturm herrscht bei der lokalen Ska-Band The Offbeat Service. Bei ihrem wilden, energetischen Auftritt ist der Platz an der Jugendherberge knallvoll. Lässig und groovig lassen sie ihren Rhythmen freien Lauf und glänzen mit besonderen Songs wie zu "Banana Joe", dem Film-Klassiker der 2016 verstorbenen Ikone Bud Spencer.

Ebenso viel Bewegung gibt es auf dem Platz der Partnerschaft. Die vielen weißen Stühle an der klassischen Jazzbühne werden kaum genutzt. Fast alle Besucher stehen und wippen zur Musik von Thomas Siffling, der erstmals sein neues Album "Flow" präsentiert – und damit viel Zuspruch erntet.

Am Marktplatz mühen sich derweil die älteren Herren von The James Hunter Six um das Publikum. Ihr handgemachter Rockabilly-Sound trifft aber im Publikum fast nur bei der Generation 50+ auf Gegenliebe.

Die besten Shows des Wochenendes

Am Weckerlingplatz startet derweil ein DJ der Partyreihe La Nuit Bohème mit fetziger Swingmusik als Intro für die Elektro-Swingband Tape Five. Diese bunte Truppe feuert ihre Rhythmen über den Platz und lässt das ganze Publikum mitgrooven, egal ob stehend oder sitzend. Nicht nur die Beats und Klänge sind energetisch und mitreißend, auch die Show erweist sich als erstklassig.

Am Marktplatz versammeln sich derweil rund 2.500 Besucher bei Milow. Der belgische Singer/Songwriter mit der sanften, groovigen Stimme hat schon vor wenigen Wochen bei seinem Solokonzert in Mannheim gigantisch aufgespielt. In Worms tut er sich bei gemischterem Publikum zunächst schwer. Als aber die ersten Klänge von "Ayo Technology" einsetzen und der Lead-Gitarrist seine Gitarre mit einem grandiosen Solo durch den Nachthimmel heulen lässt, ist auch das Publikum voll da.

Je länger das Konzert dauert, desto mehr gehen die Zuschauer mit. Bei "Howling At The Moon" und "Little In The Middle" hat Milow das Publikum so weit im Griff, dass sie alle mit Handys, Smartphones und Feuerzeugen den mittlerweile dunklen Platz beleuchten, was als Projektion auf der Videowand für ein geniales Bild sorgt.

Auch in der Zugabe hallt Milows Stimme durchdringend kraftvoll über den Platz und beim zweiten Versuch, das Publikum mit seinem neuen Sommerhit "Summer Days" zu begeistern, herrscht jetzt im Gegensatz zum Anfang riesige Partystimmung. Milow reizt die Spielzeit bis 24 Uhr maximal aus und hat es am Ende tatsächlich geschafft, Euphorie zu verbreiten.

Der etwas chaotische Sonntag

Als Malky am Sonntagnachmittag auf dem Marktplatz spielt, ist die Stimmung sehr entspannt. Je länger das Konzert dauert, desto mehr Zuschauer bleiben dort, lauschen und genießen. Die Jungs spielen mit einer großartigen Dynamik, bieten bei ihrer rockig-souligen Show aber auch ein sehr ausgewogenes Spiel der Instrumente. Ihre langsamen Songs sind ebenso gut wie die schnellen Nummern und Sänger Daniel Stoyanov beweist bei "Stuck In Time", dass er auch über eine beeindruckende Kopfstimme verfügt. 

Nach Malky spielt Alex Clare das letzte Konzert auf der Hauptbühne. Er hat aber in den ersten 25 Minuten mit diversen Tonproblemen zu kämpfen. Die wummernden Bässe und das blecherne Mikrofon stören den Genuss noch erheblich – das einzige Problem dieser Art beim Worms: Jazz & Joy 2017. Als nach rund 25 Minuten der Sound klar hörbar ist, kommt die kratzig, rauchige Stimme von Alex Clare endlich richtig zur Geltung. Mal krachend rockig, mal lässig zum Tanzen zeigt der Sänger seine ganze musikalische Bandbreite. Bei "Too Close" wird das Publikum richtig laut, geht voll mit und schreit begeistert.

Ab der Zugabe wechselt das Set vom Rockset mit Gitarrist und Schlagzeug zum Solo-Akustikset. Alex Clares Stimme klingt nun noch intensiver als zuvor, sie steht komplett im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Sänger ist richtig gut gelaunt, scherzt mit den Fans und nimmt auch Songwünsche an, wobei sein Hit "Three Hearts" keine große Überraschung ist. Die Zuschauer und Alex Clare haben sichtlich Spaß und auch hier wird die erlaubte Spielzeit bis 22 Uhr voll ausgereizt.

Das ganz kurze Konzert

Währenddessen hätte eigentlich Fred Wesley & The New JB's auf dem Weckerlingplatz spielen sollen. Doch als das Konzert losgehen soll, sind die Künstler wegen Problemen bei der Anfahrt nicht da. Nach längerer Pause springen schließlich Cobody, die am Nachmittag auf dem Schlossplatz schon gespielt hatten, als Notbehelf ein. Kurz vor 22 Uhr trifft Fred Wesley dann doch noch ein und zeigt in 20 Minuten eine solch tolle Unterhaltung, dass ein Zuschauer meint: "Die 20 Minuten waren das beste Konzert des Wochenendes". Schade, denn es hätte in voller Länge wie schon 2013 ein Highlight werden können.  

Positiv anzumerken ist neben der (gefühlt?) höheren Lautstärke in jedem Fall die neue Anordnung der Cateringzelte links am Weckerlingplatz. Die Zelte wurden weiter nach links verschoben und der Platz dadurch für die Zuschauer noch weiter geöffnet. So entsteht mehr Raum und weniger Gedränge.

Am Ende bleibt ein hörenswertes Wochenende, das trotz besseren Wetters als in den beiden Vorjahren in der Zuschauerzahl mit rund 18.000 Besuchern zwar über 2015 liegt, an die fast 21.000 Besucher von 2016 aber nicht herankommt. Inwieweit das parallel stattfindende Maifeld Derby und andere Musikveranstaltungen in der Region die Zahlen gedrückt hat, lässt sich nur schwer sagen. An der fehlenden Attraktivität des Programms kann es eigentlich nicht liegen.