Beide Konzerte von Enjoy Jazz 2016 stießen auf große Resonanz beim jazzaffinen Publikum. Das BASF-Feierabendhaus in Ludwigshafen war für den Auftritt von Brad Mehldau und Joshua Redman ebenso ausverkauft wie die Peterskirche in Heidelberg bei der Deutschlandpremiere des gemeinsamen Programms von Michael Wollny und Vincent Peirani.

Die Nachfrage für das letztere Konzert war sogar so groß, dass es problemlos in einer größeren Location hätte stattfinden können – ein Beleg für den Stellenwert, den sich der Pianist inzwischen erspielt und erarbeitet hat.

Jenseits des Klaviertrios

Ebenso verständlich ist Wollnys Bestreben, aus dem "klassischen" Trio-Format auszubrechen. Zu diesem Zweck hat er sich mit dem französischen Akkordeonisten und Komponisten Vincent Peirani zusammengetan und ein Album mit dem Titel "Tandem" aufgenommen.

Das Konzert in Heidelberg steht ganz im Zeichen dieses Albums, denn ein Großteil des Repertoires ist auch auf ihm enthalten. Dazu zählen eher introspektive Stücke wie das (ironisch betitelte) "Song Yet Untitled" des Schweizer Jazz Sängers Andreas Schaerer oder das "Adagio for Strings" von Samuel Barber.

Siggi Loch als Ehrengast

Daneben finden sich aber auch expressive Kompositionen, die Wollny und Peirani dazu nutzen, den ganzen Dynamikumfang ihrer Instrumente auszuschöpfen und mit Hilfe des Halls der Peterskirche einen mächtigen Sound zu erzeugen, beispielsweise bei Björks "Hunter", dessen Dramatik im Konzert eindrücklicher wirkt als auf der Studioaufnahme.

Diese wurde übrigens (wie das gesamte Album) von Siggi Loch gemeinsam mit den beiden Musikern produziert. Der ACT-Labelchef und Entdecker von Michael Wollny ist als besonderer Gast des Festivals nach Heidelberg gereist, um am Konzert teilzunehmen.

Angenehm abwechslungsreich

Die beiden Musiker spielen auch eigene Werke, beispielsweise Wollnys "Sirènes", das mit einer sanften Melodie besticht. Daneben gibt es die fast unausweichliche Interpretation eines Stückes von Thelonious Monk ("I Mean You") und als Zugabe "The Kiss", ein Lied der wunderbaren und viel zu wenig bekannten US-amerikanischen Sängerin Judee Sill.

Diese Vielfalt verleiht dem Abend einen angenehmen Abwechslungsreichtum, der nie aufgesetzt oder erzwungen wirkt. Dass der Applaus des Publikums nicht ganz so überwältigend ausfällt, könnte daran liegen, dass das Akkordeon einen sehr charakteristischen, durchdringenden Klang besitzt, der bei aller Kreativität von Peiranis Spiel nur gewisse Stimmungen wiedergeben kann.

Pop mit Zukunft

Wollny und Peirani gelingt es, die Balance zu halten, damit das Akkordeon nicht das Klavier in den Hintergrund drängt, aber trotz Peiranis Virtuosität bleiben die Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt. Es erscheint schwer vorstellbar auf "Tandem" ein weiteres Album in dieser Form folgen zu lassen.

Interpretationen von Songs aus dem Pop/Rock-Kontext neben Kompositionen aus Jazz und Klassik treten zu lassen, hat auf jeden Fall Zukunft. Einer derjenigen, der diese Möglichkeit von Anfang an genutzt hat, ist Pianist Brad Mehldau, der am 6. November gemeinsam mit Saxophonist Joshua Redman im BASF-Feierabendhaus in Ludwigshafen auftritt.

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Im Gegensatz zu Wollny/Peirani spielen die beiden US-Amerikaner an diesem Tag aber kein einziges Cover eines Popsongs, sondern beschränken sich (natürlich!) auf zwei Monk-Interpretationen und zahlreiche Eigenkompositionen.

Vielzahl an Ausdrucksmöglichkeiten

Unter diesen ragt ein noch unbetiteltes Stück von Brad Mehldau heraus, das die Zuschauer zu heftigem Jubel treibt. Überhaupt glänzt Mehldau an diesem Abend mit bemerkenswerter Spielfreude und einer Vielzahl an Ausdrucksmöglichkeiten – von der sanften Ballade bis zum tosenden Klaviergewitter.

Joshua Redman, freundlich und fröhlich wie immer, agiert zu Beginn des Konzerts zu gefällig, wird dann aber von Mehldau (und vielleicht auch vom Publikum) in die richtige, leidenschaftlichere Richtung getrieben und steigert sich im Verlauf des Abends.

Ein Festival mit Weltruf

Als Redman erklärt, Enjoy Jazz sei eines der weltbesten Festivals, geht ein ungläubiges Raunen durch das Publikum. Vielleicht können die Zuschauer nicht glauben, dass in der heimeligen Rhein-Neckar-Region ein so bedeutendes Festival ansässig ist oder sie halten es für die Schmeichelei eines bekennenden Festivalfreundes.

Aber die Zuschauer können ihm durchaus glauben. Die Zahl der herausragenden Künstler, die Festivalleiter Rainer Kern jedes Jahr nach Ludwigshafen, Mannheim, Heidelberg und andere Orte holt, ist ein sprechender Beleg dafür.

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