Wie Joey Burns und John Convertino, die Leitfiguren der Band Calexico, stammt auch Howe Gelb aus Tuscon im US-Bundesstaat Arizona. Während Burns und Convertino offene und zugängliche Menschen sind, ist Howe Gelb ein anderes Kaliber. In Amerika sagt man dazu: "Er hat ein Ego so groß wie Texas".

Für die meisten Künstler ist Musik eine Form der Kommunikation. Gerade ein Liveauftritt lebt vom Austausch zwischen Künstler und Publikum, hat also in gewissem Maß den Charakter eines – wenn auch asymmetrischen – Dialogs. Nicht so für Howe Gelb.

Ein Konzert dient ihm offensichtlich vor allem dazu, seinem riesigen Ego Auslauf zu gewähren. Howe als Tom Waits ohne Esprit! Howe als Kurt Wagner ohne Emotionen! Howe spielt selbstverliebte Belanglosigkeiten auf der Gitarre. Howe spielt schlechter Klavier als ein durchschnittlicher Klavierschüler.

Langweiliger Auftakt

Von Anfang an fehlt es dem Konzert an Spannung. Ein Song beginnt, geht vorüber, ein neuer fängt an – oder auch nicht. Man bräuchte schon einen veritablen Howe-Gelb-Experten, um zu entschlüsseln, um welches Lied es sich handelt. Die Grenzen zwischen den einzelnen Liedern verschwimmen in Monotonie. Niemand scheint irgendeinen Song zu erkennen, jedenfalls kommt es nicht ein einziges Mal während des gesamten Konzerts vor, dass ein Zuschauer einen Song bereits zu Beginn bejubelt. Auch sonst ist die Reaktion im halbgefüllten Karlstorbahnhof trotz vereinzelten Jubels zunächst eher verhalten.

Howe Gelb singt nicht, er flüstert und spricht in das Mikrophon. Das ist nun nichts Ungewöhnliches, das ist auf seinen Alben genauso, aber dort zeichnen sich seine Lieder durch eine gewisse Vielfalt der Stile und Tempi aus. Hier haben seine Songs alle dasselbe schleppende Tempo. Irgendwann wird es mal lauter, dann wieder leiser, ansonsten ist die Musik statisch, fast leblos. Den "Gesang" könnte er sich fast sparen, man hört ihn sowieso nur entfernt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Blues-, Country- oder Rockelemente im Vordergrund stehen. Eine flexiblere, offenere Band wäre eine große Hilfe, aber die skandinavischen Begleitmusiker erzeugen einen allzu dichten, undurchdringlichen Klang, der das wenige Leben erstickt, das noch in der Musik erkennbar ist.

Eben noch gelangweilt, jetzt gut gelaunt

Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Auftritt von Giant Sand nur langweilig, dann wird es wirklich ärgerlich. Howe spielt Piano! Er scheint mal irgendwann Klavier-Jazz gehört haben und denkt wohl – ja was denkt er sich eigentlich? Vielleicht probiert er aus, wie viele musikalische Nichtigkeiten und Belanglosigkeiten er dem erstaunlich duldsamen Publikum vorsetzen kann.

Als er dann die beiden Sängerinnen, Sarah Blasko und Lonna Kelley, auf die Bühne bittet, wird es hörbar besser. Die beiden Damen, die mit ihrem jeweiligen Vorprogramm nicht wirklich überzeugen konnten, singen fortan abwechselnd mit Howe Gelb. Das schafft sofort ein wenig Abwechslung, treibt die Musik voran, verleiht ihr etwas Weite und beendet die Monotonie. Der Applaus des Publikums steigert sich. Dann die Überraschung: Howe Gelb kann doch singen, nicht nur grummeln, flüstern und sprechen. Geradezu Unglaubliches geschieht: Schien er eben noch das Publikum mit allen Mitteln langweilen zu wollen, scheint er nun auf einmal sogar Spaß zu haben. Er lächelt.

Zu spät, du rettest dein Konzert nicht mehr

Zu diesem Zeitpunkt ist es aber leider zu spät. Zu viel hat Howe Gelb mit seiner lustlosen Selbstgefälligkeit während dem Großteil des Konzertes kaputtgemacht, als dass er jetzt noch das Ruder herumreißen könnte. Es gehört sich einfach als Musiker, dass man alles gibt, wenn man auf der Bühne steht – auch wenn die Umstände schwierig sind.

Es ist eine Sache, wenn Musiker sich Mühe geben, reinhängen, kämpfen und sich trotz mancher Unzulänglichkeiten behaupten – so wie Get Well Soon am vergangenen Samstag. Es ist etwas anderes, wenn ein Musiker voller Unlust auf der Bühne steht, hauptsächlich zu sich selbst spielt und das Publikum bestenfalls als notwendiges Übel wahrnimmt.

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