Get Well Soon (live, 2008).
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Get Well Soon (live, 2008). Foto: Anne-Laure Fontaine-Kuhn © regioactive.de

Rechtzeitig zu Nikolaus schickt das deutsche Label City Slang drei seiner Bands (Get Well Soon, Herman Dune und Port O’Brien) gemeinsam auf eine Tournee durch deutsche Lande. Am vergangenen Samstag erfreuten die Bands das zahlreich erschienene Publikum in der Alten Feuerwache in Mannheim, quasi ein Heimspiel für die Band von Konstantin Gropper. Es entwickelte sich ein spannender Auftritt: Beinahe wär's schiefgegangen, hat am Ende aber alle begeistert.

Der Höhepunkt des Abends folgt zu Beginn: Port O’Brien sind eine kalifornische Band, die in diesem Jahr ihr Debütalbum All We Could Do Was Sing veröffentlichten. Die Band spielt manchmal sanfte, meistens jedoch exaltierte und euphorische Musik. Auf Platte klingen sie wie entfernte Verwandte der Fleet Foxes, im Konzert erinnern sie stattdessen gelegentlich an Modest Mouse oder Neil Young & Crazy Horse. Sie beeindrucken mit offensichtlich unbegrenzter Energie und der Fähigkeit, ihre Lieder spannungsvoll zu arrangieren. Trotz mancher Ansätze, die eine Nähe zu Jam-Bands nahezulegen scheinen, spielen Port O’Brien immer songdienlich und kompakt – lange ausufernde Instrumentalpassagen sind nicht ihre Sache.

Im Gegensatz zu ihrem folkigen, offenen, häufig sparsam instrumentierten Erstlingswerk ist der Charakter der Musik wesentlich dichter und rockiger. Die dadurch gewonnene Gradlinigkeit kommt ihrer Musik zweifelsohne zu Gute. Leadsänger Van Pierszalowski würde jederzeit einen Kurt Cobain-Ähnlichkeitswettbewerb gewinnen, hat ansonsten mit dem zu früh verstorbenen Nirvana-Sänger aber nichts gemein. Stattdessen steht er in der langen Tradition des Westküsten-Indie-Pops. Er scheut nicht davor zurück, seine Stimme bis an die Grenze der Belastbarkeit zu beanspruchen und damit ein Höchstmaß an Emotionen zu transportieren. Pierszalowski gelingt es außerdem mit seiner offenen, sympathischen Natur das Publikum zum Mitmachen zu animieren. Dass Port O’Brien so viel Zuspruch erhalten, liegt sowohl ihrem vollständig überzeugenden fünfundvierzigminütigen Auftritt als auch der Aufgeschlossenheit der Zuschauer, die sich bereitwillig auf die Band einlassen.

Herman Dune sind schwieriger einzuordnen. Während Port O’Brien in Aussehen und Auftreten wie typische College-Studenten wirken, entsprechen Herman Dune eher einer Mischung aus Kunststudenten und berufsmäßigen Exzentrikern. Die Band beeindruckt mit der Fähigkeit, ihre Musik mit einer großen Vielfalt an Instrumenten – von Klarinette bis Baritonsaxophon – zu arrangieren, ohne dass sie überfrachtet wirkt. Einige Zuschauer sind aufgrund des verspielten und aufwendig arrangierten Pops begeistert und hätten sich einen längeren Auftritt gewünscht, anderen erlebten die Band als eher fad und etwas belanglos, wofür sie vor allem die fehlenden gesanglichen Fähigkeiten des Sängers David-Ivar Herman Düne sowie die fehlende emotionale Resonanz der Musik verantwortlich machen. Lediglich einige Songs, wie My Home Is Nowhere Without You oder When The Water Gets Cold And Freezes On The Lake, vermittelten so etwas wie persönliche Empfindungen. Häufig erscheint die Musik allerdings zu konstruiert, zu gestelzt und letztlich auch zu wenig aufrichtig.

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Bereits letztes Jahr spielten Get Well Soon zum Jahresabschluss ein Konzert in den Zwillingsstädten, allerdings vor einer weitaus geringeren Zahl Zuschauer im Ludwigshafener Haus. Damals stand die Veröffentlichung des Debütalbums noch bevor und der von einigen prophezeite nationale und internationale Erfolg war keineswegs ausgemacht. Ein Jahr ist der kommerzielle Durchbruch gelungen, aber ein langes Jahr mit vielen kraftraubenden Auftritten in allen denkbaren Variationen hat bei der Band hörbar Spuren hinterlassen. Der Anfang des Konzerts ist leider furchtbar schlecht. Die Songs, die eigentlich von ihrer dichten, organischen Geschlossenheit leben, zerfasern und zerfransen vollkommen, zerfallen in einzelne Fragmente, die keinerlei Zusammenhalt haben. Aurora ist ein Desaster, die Band scheint planlos aneinander vorbeizuspielen, dabei sind Get Well Soon doch eigentlich besser als viele andere in der Lage, sich als musikalische Einheit zu präsentieren. Die Entscheidung, Lieder häufiger als nötig mit einem krachenden Gitarren-Workout enden zu lassen, sollte jedoch dringend überdacht werden. Eine Rockband sind sie wahrlich nicht.

Dann gelingt es der Band jedoch, Tritt zu fassen. Mit diesem Eindruck wollen sie die Fans dann doch nicht nach Hause schicken. Christmas In Adventure Parks ist der erste Höhepunkt, dann folgt das sensationelle If This Hat Is Missing, das die Zuschauer mit seinem hysterischen Refrain in die Ekstase treibt. Das Gleichgewicht und die Harmonie innerhalb der Band, die letztes Jahr den Zuschauern noch in aller Frische entgegentraten, lässt sich jedoch so leicht nicht wiederherstellen. Get Well Soon geben dennoch ihr Bestes und dafür verdienen sie Anerkennung.

Genug gemäkelt: Der Höhepunkt des Auftritts folgt als Zugabe: People Magazin Front Cover besticht durch seine euphorische Leichtigkeit. Zum Abschluss versammeln sich Musiker aus allen Bands für den Flaming Lips-Klassiker Race For The Price auf der Bühne. Wie bei den Lips selbst ist dieses Lied Hymne und Kindergeburtstag in einem. Am Ende strahlen alle über das ganze Gesicht. Wäre nur das ganze Konzert so gewesen. In einer Hinsicht ist jedoch eine positive Entwicklung unverkennbar. Konstantin Groppers Gesang erinnert viel weniger an seine Vorbilder als noch im letzten Jahr. Er hat fraglos an Eigenständigkeit und an Statur gewonnen. 2008 war ohne Zweifel ein prägendes Jahr für ihn und seine Band. Man darf gespannt sein, wie die Geschichte im nächsten Jahr weitergeht. Sie könnte fabelhaft werden.

Setlist Get Well Soon

Heading Home For The Pole – You’re Using All Your Senses Just For Being Sad – You/Aurora/You/Seaside – We Are Safe Inside While They Burn Down Our House – Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day – Christmas In Adventure Parks – Busy Hope – Green Island Never Turns White – If This Hat Is Missing I Have Gone Hunting – Good Friday – I Sold My Hands For Food So Please Feed Me – Tick Tack! Goes My Automatic Heart – Dear Tempest-Tossed! Dear Weakened!

Zugabe: People Magazine Front Cover – Race For The Price

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