Jennifer Rostock (live im Substage Karlsruhe, 2008)
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Jennifer Rostock (live im Substage Karlsruhe, 2008) Foto: Achim Casper (punkrockpix.de) © regioactive.de

Vom Geheimtipp zum Überflieger? Jennifer Rostock touren gerade durch ganz Deutschland und das Feedback ist durchweg positiv. Am vergangenen Samstag hatte die Band ihren Auftritt im randvollen Substage in Karlsruhe und begeisterte die Menge erneut mit ihrem knackigen Disco-Punk-Pop-Gemisch sowie einer gehörigen Portion Respektlosigkeit und Sex.

{image}Der Name dieser Gruppe ergab sich eher zufällig, als die zuvor "aerials" betitelte Band von Berliner Studiomitarbeitern stets über Klebezettel Jennifer Rostock genannt wurde, da die Frontfrau Jennifer heißt und aus dem Norden kommt. Der wohlklingende Titel wurde übernommen und so ganz nebenbei bekam die Band einen Plattenvertrag bei Warner Music. Seitdem das Fünferpack Anfang des Jahres bei Stefan Raabs "Bundesvision Song Contest" seinen ersten richtig großen Auftritt hatte, surft es auf einer verdientermaßen stetig anschwellenden Woge des Erfolges.

Um 21:00 Uhr ging es mit der stark behaarten Vorband THEMROC los. Die vier Punkrocker aus Berlin lieferten einen soliden Einstieg mit Liedern wie Vienna, Betty Ford und Zurück in die Zeit, waren aber nicht mehr als ein Appetithäppchen vor dem Jennifer Rostock-Buffet. Als auf der noch leeren Bühne plötzlich ein Schlager anspielte, schauten sich alle erst einmal verwirrt an und wollte ihre Eintrittskarte schon wieder zurückgeben. Doch 20 Sekunden später schlugen Jennifer Rostock mit Drahtseiltakt ohne Vorwarnung auf der Bühne ein wie eine Bombe.

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Die Sängerin Jennifer Weist fegte während der gesamten Spielzeit wie ein Tornado über die Bühne, hatte das Publikum durch Mitmach-Aktionen sowie ihre Ausstrahlung jederzeit voll im Griff und brachte nach jedem Lied mindestens einen bösen Spruch. Drummer Baku, Gitarrist Alex, Bassist Christoph und vor allem Keyboarder Joe waren ebenfalls gut aufgelegt und zu jeder Schandtat bereit. Das Debütalbum-Feuerwerk Ins offene Messer mit Hits wie Blut geleckt, Himalaya und Kind von dir wurde komplett abgefackelt und von der Menge gebührend gefeiert. Auch die "Romantik" kam nicht zu kurz. Zu den sanften Klängen von Gedanken, die man besser nicht denkt erfuhren die Fans, dass "Brüste das Romantischste überhaupt sind" und Frauen eigentlich immer wollen, auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Außerdem durften sie dabei zusehen, wie sich die Sängerin selbst befummelt, und es folgte der (von vielen bereitwillig ausgeführte) Befehl: "Wenn eure Freundin hier dabei ist, dann packt ihr jetzt an die Brüste! Die will das!"

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Beim zweiten ruhigeren Titel, Mein Parfum, wurden alle Gäste dazu gezwungen, sich auf den Boden zu setzen, wahrscheinlich damit es ein bisschen kuscheliger wird. Der überdurchschnittlich große Redakteur war davon wenig begeistert, da es leider keinen Platz für seine langen Beine gab und sich ihm am Ende in der absolut unbequemsten Sitzhaltung auch noch ein Wonneproppen auf die Füße setze. Schmerz! Zum Glück dauerte dieses Intermezzo nicht allzu lange und bald durften alle wieder tanzen, springen, gröhlen und sich gegenseitig rumschubsen.

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Auch Jennifer Rostock-Merchandiseverkäufer Mario hatte es an diesem Abend nicht leicht. Nachdem rund 80 Euro in einer "Bartkasse" von der Band im Publikum gesammelt worden waren, musste er auf die Bühne kommen und sich den "System of a Down"-Gedächtniskinnbart mit einer schmerzhaften Elektrorasur entfernen lassen. Was für eine Gaudi! Weniger gut war die Idee der Sängerin bei Diadem ins Publikum zu kommen und mit den Fans tanzen zu wollen. Von der "Romantik" wohl noch etwas erhitzt, stürmte eine Herde von pubertierenden Kerlen auf die gute Jennifer ein – und ihr blieb nur die Flucht zurück auf die Bühne. Der Gewinner des dann folgenden Contests der nackten Männeroberkörper hatte sich vielleicht auch ein inniges Tänzchen mit der Sängerin ausgemalt, doch stattdessen leckte ihm der Keyboarder eine Runde Jägermeister von der Brust, und er wurde zu einem weitergehenden Techtelmechtel nach dem Auftritt aufgefordert. Zum Abschluss durften er und zwei weitere Freiwillige bei einer Piratenparty ("kann man immer machen!") mit Hütchen und Tröten bei Ich will hier raus mit der Band auf der Bühne abfeiern.

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Noch eine "Karlsruher Welle", dann war vorerst Ende. Durch einen extrem lauten "Zugabe!"-Chor zum Weiterspielen motiviert, kam die Band dann aber doch nochmal zurück auf die Bühne und das Publikum in den Genuss der Hitsingle Kopf oder Zahl, mit der der Abend feucht-fröhlich ausklang. Zum Abschied bekamen alle noch den gut gemeinten Rat "Nazis raus, Schwänze rein!". Es ist offensichtlich: Wer noch nicht auf einem Jennifer Rostock-Konzert war, sollte dies spätestens jetzt bei dieser Tour dringend nachholen! An dieser Stelle noch ein Dank an das Substage für die perfekte Organisation und genügend Personal an der Getränketheke. Aber bitte bringt doch nächstes Mal der Jennifer ihre acht kalten Jägermeister etwas schneller auf die Bühne, dann muss sie nicht so schreien.

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