Nach 13 Jahren als Band und zehn Jahren FESTival steht jetzt das Abschiedskonzert ins Haus: Four Sided Cube aus Ladenburg lösen sich auf. Fotostrecke starten

Nach 13 Jahren als Band und zehn Jahren FESTival steht jetzt das Abschiedskonzert ins Haus: Four Sided Cube aus Ladenburg lösen sich auf.

Atlas Sound, das Solo-Projekt von Deerhunters Bradford Cox, zieht mit einem beachtlichen Release viel Aufmerksamkeit auf sich. Kool G Rap genoss schon viel davon, meldet sich nun aber wieder zurück, ebenso wie die beinahe verschollen geglaubten Four Sided Cube. Epischen Post-Rock gibt es bei The Winchester Club zu hören und vielseitige Beats bei Nicolay & Kay.

Atlas Sound – Let The Blind Lead Those Who Can See But Cannot Feel | Kranky

{image}Deerhunters Bradford Cox aka. Atlas Sound treibt schon seit der sechsten Klasse sein Unwesen mit Tape-Recordern, Effektgeräten und allerlei Instrumenten, wie zum Beispiel Gitarre, Glockenspiel, Piano und Gong. Die daraus resultierenden Songs sind mindestens so kontrastreich wie die Farben des aktuellen Albums Let The Blind Lead Those Who Can See But Cannot Feel und lassen sich irgendwo zwischen dem "Mutterschiff" Deerhunter, den Pop-Entwürfen von Velvet Underground als auch Kompakt-Alben einordnen. Noch einen Schwung eingängiger als die Ambient-Punk–Heroen wirkt das Solo-Projekt von Cox, welches als zusammenhängendes Werk zu betrachten ist und unbedingt von Anfang bis zum Ende durchgehört werden sollte. Produziert wurden die Songs mit einer speziellen Software (Ableton), mit der es für eine einzelne Person möglich ist, die Instrumente live zu loopen und ständig neue Elemente einzubringen. Cox verliert sich zu keiner Zeit in dieser oft kritischen Situation und ihm gelingt es, eine Band-artige Dynamik zu entwickeln und einen bunten Klangkosmos zu erschaffen, der nie zu kantig oder überladen wirkt. Trotz der vielseitigen Instrumentierung ist das Album zu keinem Zeitpunkt opulent oder gar "schmierig", sondern ist in sich eher kompakt und überwiegend minimalistisch. Es ist besonders die Art und Weise, wie er Klänge benutzt, um dadurch seinen Texten das nötige Rückgrat zu verschaffen. Mystisch wird in River Card (hier zum download) die Geschichte eines Jungen thematisiert, der sich in den Glanz eines Flusses verliebt, weil er davon überzeugt ist, dass dies ein anderer Junge sei. Aufgeregt springt dieser in den Fluss und lässt sich treiben ("river so clear and blue, I'm so in love with you, but you'll drown me."). Die Idee dazu entsprang aus der portugiesischen Kurzgeschichte Da ist glänzender Junge auf dem Abgrund des Sees, die bei homo- und bisexuellen Menschen einen sehr hohen Status inne hat. Auf der Bühne sieht die Umsetzung etwas anders aus, denn Cox erhält Unterstützung von einer kompletten Band, was Atlas Sound weit rauer gestaltet und sich darunter die Energie von Deerhunter zu bündeln scheint. Ob live oder auf CD, Atlas Sound sowie Deerhunter sind atemberaubende Bands, denen sicher mehr Aufmerksamkeit gebührt, als es momentan der Fall ist. Fazit: Unterstützt diese Bands und kauft deren Alben!

Wertung: + + + + (Christian Bethge)

Kool G Rap – Half a Klip | Latchkey

{image}Mit einer EP in Minialbum-Länge meldet sich der legendäre Juice Crew-MC und Straßenpoet Kool G Rap zurück im Geschäft. Produzent Domingo schneidert mit dem Opener Risin Up ein maßgerechtes Beatgewand für den Veteran am Mikrophon, der schon seit den frühen Achtzigern als Reimer aktiv ist und für viele bedeutende Rapper (wie z.B. Nas) wichtiger Inspirationsstifter war. Leider beginnt Half a Klip schon bei Titel Nummer zwei mit langweiligem 08/15-Clubsound zu schwächeln, fängt sich allerdings dank den stimmungsvollen Blaxploitation-Samples von 100 Rounds wieder. Kool G bleibt sich seinen harten Rap-Roots treu und versetzt den Hörer mit seinem unikaten Flow in beste "Cold Chillin"-Zeiten. Neben Rakim und Big Daddy Kane gibt es kaum einen wichtigeren Vorreiter in Sachen Reimstil und Technik, und das gibt er – nach über 20 Jahren – immer noch unmissverständlich zu erkennen. Einzig die durchgewürfelten Soundexperimente (u.a. mit mexikanischen Bläsersamples) schaden der Qualität der EP an mancher Stelle. Geradezu perfekt hingegen klappt die Old School Begegnung With a Bullet mit Produzentenkoryphäe Marley Marl, bei dem das eingespielte Team zu äußerst bestechender Form aufläuft. Auch die instrumentale Steilvorlage von DJ Premier (On the Rise again), weiß KGR verbal souverän zu verwerten. Insgesamt präsentiert Kool G Rap die gewohnte Street-roughness und serviert Storytelling vom Feinsten, nur der rhythmischen Untermalung fehlt es an qualitativer Konsequenz. Aber: wer hätte das überhaupt erwartet, nachdem Nathaniel Wilson schon bei Fifty’s G-Unit im Gespräch war.

Wertung: + + + (Andreas Margara)

 

Four Sided Cube – 4 | Soulism

{image}Die Ladenburger Band Four Sided Cube hat eine schwierige Phase hinter sich: Gleich zwei Musiker an zentraler Stelle (Gitarre und Drums) galt es im vergangenen Jahr zu ersetzen. Und nun melden sie sich mit einem neuen Album zurück, das als Gradmesser dafür gelten muss, wie gut der Band der Neuanfang gelungen ist. Die gute Nachricht zuerst: Four Sided Cube rocken wie eh und je auf höchstem Niveau. Die bessere: In neuer Besetzung klingen die Ladenburger reifer als zuvor. Schlechte Nachrichten gibt es hier nicht. Rainer Döhring und Simon Röckel, beide FSC-Kernbestand, ergänzen sich mit den neuen Membern Lucas Juhl (Gitarre) und Ollie Schlicht (Schlagzeug) zu einem gestärkten Act und bieten auf 4 neue Songs zwischen angegrungter Alternative-Rocknummer und Ballade. "Musikalisch irgendwo zwischen Pearl Jam, den Black Crows und Jimmy Eat World" heißt das offiziell im Info. Es ist ein Jubiläumsalbum, denn es erscheint im 10. Lebensjahr der Band. Überhaupt scheint neben der vier auch die Zahl zehn irgendeiner tiefere Bedeutung zu haben. 10 Jahre, 10 Songs (plus 1 Hidden Track), 10€ Kaufpreis. Letzterer ist neben der Musik besonders erwähnenswert, denn Booklet und Artwork dieser Veröffentlichung begeistern dank ihrer Wertigkeit. Wollte man einen Anspieltipp herauspicken, fiele das  schwer. Dann besser gleich drei: Den midtempo-Ohrwurm This Town, der countryesk in den Gehörgang groovt, die Hymne Impeachment, deren Text aufrüttelt und die vielleicht typischste FSC-Nummer, Blinded.

Wertung: ++++ (Markus Biedermann)

 

The Winchester Club - Brittania Triumphant | Exile On Mainstream

{image}Was sie auf dem CD-Rücken angekündigen, verfolgen Winchester Club auf ihrer CD Brittania Triumphant auch programmatisch: epischen Post-Rock. Eingespielt wurde die Platte von fünf Leuten, die neben der klassischen Rockinstrumentierung auch ein Xylophon, eine zweite Bassgitarre, Ebow und Soundsamples hinzunehmen. Auf Gesang wird gänzlich verzichtet. Fünf Stücke sind zu hören und in jedem nimmt sich die Gruppe Zeit, um Melancholie zu entfalten. Das Cover ist nicht unpassend: Man sieht wahrscheinlich die Britannia, zumindest offensichtlich einen schweren Segler, wie er die raue See durchkreuzt. Der Kupferstich, auf dem die Szene festgehalten ist, betont die Spannung zwischen dem ruhigen Schiffskorpus und der unruhigen Tiefe. Diese Mischung aus "epischem Post-Rock", den sich die Gruppe zum Ziel gemacht hat, sowie den Besonderheiten in der ansonsten gewöhnlichen Rockinstrumentierung, lässt einen spontan an das Mutterschiff solcher Musik in der zeitgenössischen Form denken: Godspeed You! Black Emperor. Es wird wahrscheinlich kein Zufall sein, dass die Musik von Winchester Club daran erinnert. Auch sie gehen minimalistisch an die Komposition der Stücke heran und versuchen sich an einer monumentalen, orchestral anmutenden Aufbereitung der Lieder. Die meisten der Stücke beginnen mit einem balladenhaften Gitarrenthema und nach und nach kommen Instrumente hinzu, bis das Lied voluminös genug geraten ist. Alles in getragenem Tempo und in dieser Hinsicht auch steigerungsarm – selbst dann, wenn sie ein wenig Tempo hinzunehmen. Leider fallen die Melodien allzu sentimental aus und werden nur mit einem verzerrten Bass und Ebow leicht variiert, zwecks Steigerung des Pathos. Aber die Musik hat nichts Bedrohliches an sich. Auch will sie nicht recht so sakral wirken, wie sie wohl gedacht war. Die Produktion ist ein wenig zu glatt für eine solche Unternehmung. Mit ein paar Ecken und Kanten hätte man den Stücken etwas Strauchelndes und Ambivalentes lassen können, das sie so allerdings einbüßen. Wo die kanadischen Vorbilder von Winchester Club, also Godspeed You! Black Emperor, das Tragische so weit treiben, bis es sich in Erhabenheit auflöst, da wagen sich Winchester Club leider an so etwas nicht heran. Redundant wiederholen sie Themen und setzen auf orchestrale Entfaltung, aber im Vordergrund bleiben Sentimentalität und Herbstmelancholie. Musik für Kerzenschein und um sinnierend aus dem Fenster zu schauen, aber erschlagen will es einen trotz des Pomps nicht. Es bleibt ein wenig zu kuschelig das Ganze, wo ein bisschen wagemütige Dramatik nicht geschadet hätte – denn das Potential dazu haben Winchester Club eigentlich. Die ersten zwei EPs der Band stehen hier zum kostenlosen herunterladen bereit.

Wertung: + + + (Alex Aßmann)

 

Erykah Badu - New Amerykah | Universal

{image}Mit einem positiv anmutenden Beat und dem Vocal-Fetzen "more action, more exitement, more everything" beginnt die neue Platte von Erykah Badu recht erheiternd. Aber der Schein trügt. Diese Frau hat etwas zu sagen und konnte für New Amerykah hevorragende Produzenten für sich gewinnen, die dem Album einen sehr eigenen Klang aufdrücken. Madlib, SA-RA und 9th Wonder zeichnen sich für die musikalische Grundlage verantwortlich,  die wiederum erhalten ab und an Unterstützung von dem Trompeter Roy Hargroves. Besonders bemerkenswert ist die direkte Art und Kompromisslosigkeit, mit der die Platte produziert wurde. Die Songs haben stets eine gewisse Schroffheit, die besonders bei den Madlib-Produktion hervorsicht und aktuellen RnB- und HipHop-Produktionen gegenübersteht. Träge schleichen sich die Songs The Healer, Me oder Twinkle  nach vorne und sprechen für gekonnten Minimalismus, den man in momentan eher im Dubstep findet (Burial, kode9 etc.).  Hemmungslos lässt Erykah auch ihre kritischen Texte von den Lippen, in denen sie mehr oder weniger glückliche Zustände in den Staaten thematisiert. Es macht den Anschein, als ob ihre Stimme manchmal gewollt "verloren" klingt und als ungreifbares Element mit dem Klangteppich der Produzenten verschmilzt. Nur wenige Sekunden später ist sie wieder voll da und ruft mit Aussagen wie "we ain't dead said the children don't believe it. We just made ourselves invisible" zur Besinnung auf. Ein großes Album, das nicht nur bekifft funktioniert und richtig frisch klingt.

Wertung: + + + + (Christian Bethge)

 

Nicolay & Kay – Time:Line | Nicolay Music Recordings

{image}Als Foreign Exchange hat sich der holländische Producer Nicolay 2004 mit Rapper Phonte von Little Brother connected und damit für eine frische Klangbrise und mächtig viel Aufmerksamkeit rund um den Erdball gesorgt. Mit seinem vielseitigen Beatrepertoire an smooth bis pumpenden Sounds, die an Jazz und Soul angelehnt sind, ist der Dutchman rasch zum neuen Lieblingsproduzenten vieler Conscious-Rapper in den Staaten avanciert. Für sein neues Konzeptalbum Time:Line hat sich Nicolay nun mit Rapper Kay von The Foundation zusammengeschlossen, um die Erfolgsgeschichte fortzusetzen. Unerwartet schnell beginnt der Titeltrack Time:Line mit lebendiger Snare-Drum und setzt das Tempo gleich hoch an. Mit Blizzard veranschaulichen Lay & Kay wenig später ihre Skills auf von Gitarren-Samples angetriebenen Funk-Rhythmen. Neben Oh-No (7. Tight Eyes) befindet sich unter anderem Chip Fu von den legendären Hochgeschwindigkeitsrappern der Fu-Schnickens als Feature auf dem Album, was mit The Gunshot in einem gelungenen Dancehall-Experiment mündet. Kays Reimbandbreite schwankt zwischen locker geflowten Raps mit politischem Hintergrund und Storytelling, Nicolay setzt dabei im Wechsel entweder mächtig Druck hinter oder lässt die Beats easy im Mellow-Bereich pendeln. Nach jedem Hörgang von Time:Line steigt der Genussfaktor, dennoch erreicht das Album nicht ganz das hohe Level von Connected.

Wertung: + + + + (Andreas Margara)

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

das hier kann dir die große Liebe ersetzen

Alles zu den Themen:

four sided cube erykah badu aufgelegt