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Weihnachten steht vor der Tür und wir durften jetzt schon ein paar Päckchen öffnen. Da uns besonders viele schöne HipHop-Scheiben beschert wurden, haben wir uns zu dieser einmaligen "aufgelegt"-Spezialreihe entschieden. Mit dabei ist der alte Hase GZA mit seinem fünften Album, Debütant Termanology, Curse mit seiner markant-rauchzarten Stimme und das Foreign Exchange-Duo. Abgerundet wird die beatlastige Folge von Turntable-Artist Babu von den Dilated Peoples.

Curse – Freiheit | Sony BMG

"Und nicht immer wenn mich Spinner kritisieren find ich’s schlimm", rappt Curse in Gold. Im musikalischen Bereich fallen die Kritiken für Michael Kurth ohnehin meist weitgehend positiv aus. Das scheint auch kein Wunder zu sein – der Mann mit der markant-rauchigen Stimme aus Minden bietet dazu nur selten Angriffsfläche. Alle HipHop-Puristen, die Curse noch aus Zeiten kennen, in denen es auf seinen Veröffentlichungen fast nur Features aus dem erlesenen Zirkel der La Familia um die Stieber Twins, STF und Raid gab, der wird bei der Fülle an chartkompatiblen Akteuren aus dem Pop-Bereich wie Silbermond, Westernhagen, Patrice und Xavier Naidoo auf dem neuen Album Freiheit sicher etwas irritiert sein. Trotzdem hat Curse mal wieder (fast) alles richtig gemacht. Vom strukturellen Aufbau her gleicht der erst behutsame und dann vitale Opener Der Lange Weg zur… stark an den fulminanten Auftakt von Common's Be Intro heran, das zunächst auch auf klassische Elemente setzt und langsam in einen pumpenden Rhythmusschlag übergeht.

Absolut nervtötend erscheint 2 ½ Minuten später die entbehrliche Neuauflage von Westernhagens Freiheit – zwar selbst von Marius eingesungen, aber serviert mit einem plastikartigen Clap-Beat der Hand in Hand mit den gesampleten Live-Aufnahmen aus dem Stadion geht. Anschließend reiht sich dann dennoch ein Highlight an das nächste. Als Fortsetzung zu Soulmusic und Wenn Ich Schon Kinder Hätte, gibt es erst ein gelungenes weiteres Zusammentreffen mit Xavier Naidoo, ehe Curse die Monster des Alltags bekämpft oder sich einfach nur selbst abfeiert. Speziell aber die komplexen Stories sind es, die Curse scheinbar mühelos in Reime hüllt und damit an deepness kaum zu übertreffen ist. Neben seinem einzigartigen Flow sorgen besonders die clever gewählten Gastauftritte für Ohrwurmcharakter. Besonders ins Ohr stechen dabei Ich Kann Nicht Mehr mit Clueso, Baby mit Nneka, Lila mit Jaguar Wright und ja, sogar Silbermond kann man sich Bis Zum Schluss anhören. Insgesamt ein inhaltsschweres und deshalb wichtiges HipPop-Album.

Wertung: + + + +

GZA / The Genius – Pro Tools | Babygrande

Mit Pro Tools steht nun GZA’s fünftes Soloalbum bereit. Verglichen mit anderen Wu-Tang Clan Mitgliedern ist das nicht mal viel, wenn man bedenkt, dass Ghostface Killah mit zehn Alben fast ein eigenes CD-Regal im Laden belegt. Dabei war es 1993 GZA, der unter dem Pseudonym "The Genius" als erster Rapper der späteren Supergroup Wu-Tang Clan ein Album (Words from The Genius) vorzuweisen hatte. Schon beim betrachten der Grafik auf der CD-Rückseite von Pro Tools werden erste Erinnerungen an sein Meisterwerk Liquid Swords (1995) wach. Beim Einlegen setzt sich der Flashback fort, denn die Beats dringen wieder gewohnt satt und düster durch die Boxen. Wie maßgefertigt erklingen die einzelnen Produktionen für Gary Grices dumpfe Membran, für die sich unter anderem Dreddy Kruger, Black Milk und Wu-Tangs Live-DJ Mathematics verantwortlich zeigen. Natürlich trägt der wiederbelebte Shaolin-Boom-Bap-Sound auch die Handschrift des New Yorker Beatmessias RZA. Auch wenn GZA sich bei 0% Finance von Jose Reynoso re-samplen lässt und auf gleichen Beat wie schon bei Stay in Line (vom Vorgängeralbum Legend of the Liquid Sword) neu einreimt, steckt diesmal mit kräftigerem Gitarrenriff deutlich mehr Druck dahinter.

Der bereits bekannte 50 Cent Diss-Track Paper Plate wird vom Kopf des Wu-Tang Clans noch durch ein Interlude erweitert, was sicherlich für neuen Zündstoff im G-Unit–Wu-Tang-Beef sorgen wird. Beim erneuten Hören offenbaren sich immer wieder neue lyrische Raffinessen, die der Genius in seinen komplexen Reimen verschachtelt hat. Alphabet birgt zum Beispiel ein interessantes Spiel durchs ABC. Absolutes Highlight der Scheibe markiert Firehouse, das Rock Marcy mit einem Clan-spezifischen Violinen-Loop arrangiert hat, bei dem sich der mittlerweile 42-jährige Wortakrobat allerdings dezent im Hintergrund hält und Rapper Ka den Vortritt gewährt. Dank dem Indie-Label Vertrag mit Babygrande präsentiert sich GZA pur und lässt sich keine am Trend orientierten Major-Konzepte aufzwingen. Wu-Tang forever!

Wertung: + + + + +

Foreign Exchange – Leave It All Behind | Hard Boiled

Vier Jahre nach der viel gelobten Veröffentlichung von Connected melden sich Phonte von Little Brother und der holländische Beatproduzent Nicolay gemeinsam mit dem Album Leave It All Behind zurück. Und hier ist der Name auch absolut Programm – die beiden HipHop-Heads lassen musikalisch gesehen alles hinter sich. Während Matthijs "Nicolay" Rook einen flauschigen Klangteppich aus Down Tempo, Swing Jazz, House und Elektronischem für die Chill-out Lounge webt, verziert Phonte Coleman den Sound mit einzigen Gesangspassagen ohne über die Gesamtlänge der Platte auch nur mehr als zwei Verse zu rappen. Doch schon beim Eröffnungsstück Daykeeper (gab es als freie Download-Single im Netz) offenbart sich dem Hörer ein zurückgelehnter Charme, der bei dem harmonisch zusammenfließenden Gesang von Phonte und der Gastchanteuse Muhsinah aufkommt. Betont stimmungsvoll wird man anschließend immer tiefer in einen sphärischen Tunnel gelockt, in dem sich die elektronischen Arrangements zunehmend verdichten.

Die Inhalte bewegen sich zwischen Belanglosigkeit und für R’n’B anspruchsvoller Lyrik. Ohnehin schweifen die Gedanken bei dem atmosphärischen Klima allzu oft ab und laden weniger zum konzentrierten Zuhören ein. Die Qualität der Produktionen weist an sich keine Schwachstellen auf (das Album erscheint als Doppel-CD mit allen Instrumentals) und auch Phonte ist ein exzellenter Rhythm and Blues-Sänger – das D’Angelo-meets-Cafe-del-Mar-Konzept geht also voll auf. Sicher wird dabei jedoch so manch ein Foreign Exchange Fan auf der Strecke bleiben, der sich zumindest einen Hauch von Connected versprochen hat. 

Wertung: + + +

Termanology – Politics As Usual | Nature Sounds

Lange ist es her, dass in einen jungen Rapper der Ostküste solche Hoffnungen gesetzt wurden wie in Termanology. Nachdem Term auf diversen Mixtapeveröffentlichungen mit innovativem Flow und deepen Lyrics für Aufsehen sorgte, nahm DJ Premier das Reimtalent unter seine Fittiche und schnell war vom "neuen Nas" die Rede. Spätestens als bekannt wurde, dass für Politics as Usual das legendäre Produzententeam (Large Professor, Pete Rock, DJ Premier) vom Nas-Debüt Illmatic reaktiviert wird, waren derartige Vergleiche auch nicht mehr haltlos. Zusätzlich klinkten sich noch namhafte Beatkoryphäen wie Alchemist, Hi-Tek, Buckwild und Havoc ein, so dass jedem Rap-Connaisseur schon vor dem Hören die Kinnlade runterfiel. Doch kann der junge Halb-Puertoricaner einer so großen Erwatungshaltung gerecht werden? Brachial startet Politics as Usual mit der vorab releasten Premo-Kollabo Watch how it go down, das im Untergrund zum regelrechten Klassiker mutiert ist. Termanology bezeichnet sich darin selbst als "holy resurrection" von Rap-Schwergewicht Big Pun. Allzu schnell fällt das Album dann aber in ein Tief der Unbedeutsamkeit.

Grausamer Höhepunkt ist der von Nottz völlig fehl platzierte Klimper-Beat mit R’n’B-Anleihen, der durch die eingängig-geleirte Please don’t go-Hookline noch gekrönt wird. So ist es am Ende einzig Premo, der Termanology mit How we rock und So amazing (dem besten Track der Scheibe) zu Höchstleitungen antreibt. Large Pro’s How I lied to you fehlt der nötige Drive und auch Pete Rock bleibt unter seinen Möglichkeiten. Termanology präsentiert sich auf ganzer Bandbreite mit großem Ego, bringt einen Vergleich nach dem anderen, spittet und besticht besonders durch seinen wirklich abgefahrenen Reimfluss. Anschaulichstes Beispiel ist The Chosen, bei dem er in verschiedenen Geschwindigkeiten über den Beat steigt und demonstriert wer der Flow-King ist. Lässt man bei der Bewertung den ganzen Hype im Vorfeld außer Acht, liefert Term insgesamt dennoch ein beachtliches Debütalbum ab.      

Wertung: + + +

DJ Babu – Duck Season Vol.3 | Nature Sounds

Die Jagdsaison ist wieder eröffnet. Bewaffnet mit zwei 1210ern, Mixer und einem Schwarm flinker Wortakrobaten im Rücken, zieht DJ Babu aus, um Fake-MCs und Phony-DJs zu entlarven. Als Kopf der weltbekannten Turntable-Artisten Beat Junkies serviert der Maestro natürlich im Mixtape-Style – sprich die CD läuft aus einem Guss und ganz ohne Pausen durch. Ohnehin setzt Chris Oroc bei seinen Veröffentlichungen stets auf die bewährte Plattendreher-Handwerkskunst, die er wie kaum ein anderer der Vinyl-Zunft beherrscht. Eröffnet wird Duck Season Vol.3 von Babu's LA-Homeboys Dilated Peoples. Passgenau schneidert Babu jedem reimenden Gast ein vorzügliches Soundfundament auf den Leib. Die aggressiv vorgetragenen Lines der Hardcore-Vertreter M.O.P reichert Babu mit Salsa-Samples an. Little Brother bekommen für ihre smoothen Raps einen besonders funkigen Untersatz gezimmert und auch Guilty Simspon aus Hitsville, USA erweist seiner Detroiter Heimat auf Babu’s bereitgestellter Tonleiter alle Ehre.

Besonders hervorzuheben ist The Unexpected, das ein mehr als nur gelungenes Aufeinandertreffen der gestandenen Rap-Größen Sean Price und MF Doom ist. Außerdem knüpft der fingerflinke Filipino-Amerikaner eine vorbildliche East-West Connection mit A.G. aus New York. Für den etwas ungewöhnlichen Titel SBX2LAX2OX sind die Stones Throw-Veteranen Wildchild aus Oxnard (OX) und Percee P aus der South Bronx (SBX) zum Dilated Peoples-DJ nach LAX geflogen, um ihre tiefgründigen Lyrics auf den fiebrig pulsierenden Babu-Beats zu bündeln. Gefüttert ist Duck Season 3 außerdem mit jeder Menge Vocal-Cuts, Scratches und den gewohnten Diskjockey-Raffinessen. Insgesamt eine fettige Bratente für die Vorweihnachtszeit!

Wertung: + + + +

So werten wir diesmal:

+

wack

++

weak

+++

nice

++++

phat

+++++

ill

 

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curse dj babu dilated peoples