Fiddler's Green sind auch 2012 unermüdlich unterwegs.

Fiddler's Green sind auch 2012 unermüdlich unterwegs. © Carsten Bunnemann

Das Jahr hat gerade erst angefangen, und dabei haben wir noch so viel gute Musik, die uns die letzten Wochen in 2008 brachten! Dennoch liegt mit "Great Escape" von The Rifles nicht das einzige extrem frische und starke Stück in unseren Playern. Diesmal treffen irische Speedfolker auf Old-School-Rapper und melancholische Singer/Songwriter, alte Helden auf Jungspunde, zurückgekehrte Söhne erfrischen das Auftreten ihrer Combos, und endlich wissen wir, dass sich "Folk-Noir" viel besser anhört, als die Genrebezeichnung klingt.

Diesmal für euch "aufgelegt": The RiflesFiddler's GreenSchroeder RoadshowThe Poem Is YouJurassic 5EPMDJedi Mind TricksDoghouse Roses

The Rifles – Great Escape | Rough Trade

{image}Während die Popwelt noch über das neue Album von Franz Ferdinand sinniert und überlegt, mit welchem Knoten man am Besten einen Lederschlips bindet, schicken sich The Rifles zur Veröffentlichung ihrer zweiten CD an. Great Escape heißt das gute Stück. Bei wem jetzt die Alarmglocken läuten, der kann beruhigt weiter rauchen, denn The Rifles legen kein Blur-Tribut-Album vor. Von der popsoziologischen Analyse à la Albarn über die aktuelle Befindlichkeit von England hat Great Escape nichts. Obwohl, gerade in diesen Zeiten wäre das sicher sehr interessant, würde aber wohl wirklich nicht anders als Blurs The Great Escape ausfallen. Doch zurück zu den Rifles. Bekannt wurde die Band durch Local Boy von ihrem ersten Album Love’s not lost, das eine Mischung aus Cure-Gitarren und Clash-Direktheit aufbot. Schon damals outete sich auch Paul Weller als Fan, und auf den Modfather ist nicht nur in Frisurstil-Fragen Verlass: auf Great Escape zeigt sich das Quartett ausgereifter, wenn auch weniger Hit-tauglich, zumindest beim ersten Hören. Beim zweiten Hören wird klar: die Rifles haben sich deutlich gesteigert. Ausgetüftelt arrangiert und ordentlich tanzbar sind die 11 neuen Lieder. Mit Science in Violence, The Great Escape, Romeo and Juliet, The General und For the Meantime enthält das Album fünf veritable Hits – und der Rest ist auch alles andere als Füllmaterial. The General erbt die Alltagsperspektive von Local Boy und mischt diese mit bratzigen Gitarren sowie der Klangdichte der Editors. Zudem versuchen sich die Rifles in komplexen Strukturen, und am Ende des Liedes setzt noch eine Spaghetti-Western-Trompete ein. Dabei erinnert der Song sehr an Kasabians The Doberman. Der besungene ist in diesem Fall übrigens ein Mann der sich auf Tike Myson reimt. Science in Violence, das erste Lied der CD, ist keine Wissenschaftskritik, wohl aber guter Powerpop. Romeo and Juliet zeigt eine Leichtigkeit, die sofort mitreißt und deshalb auch sofort auf jeder Indie-Playlist stehen sollte. Bei For the Meantime versuchen sich The Rifles an der Gattung der "akustischen Hymne", und man kann sagen: Es geling ihnen nicht schlecht, geriet weder peinlich, noch zuckersüß, bleibt aber dennoch wohl eher etwas für den Nachhauseweg. Das Mellotron wurde dafür von Strawberries Fields Forever (Beatles) übernommen. Immerhin: "Talent borrows, genius steals" (Oscar Wilde). The Rifles und ihre Punk/Rock’n’Roll-Mischung könnten als "Anti Franz Ferdinand" dienen. Nicht zwanghaft innovativ, mehr vom einzelnen Lied als von einem gesamten Konzept getrieben. Wobei dies keine Kritik an den vier Glasgowern sein soll, denn The Rifles sind wohl gekommen, um zu bleiben. Im Musikgeschäft, im CD-Regal und vor allem aber im Gehör.

VÖ: 30.01.2009
Wertung: +++  (Thomas Laux)

Fiddler's Green – Sports Day At Killaloe | Indigo

{image}Fast 19 Jahre rocken die ungekrönten irischen Speedfolk-Könige Fiddler's Green aus Erlangen schon ihre Fans. Passend dazu finden sich auf der neuen Scheibe Sports Day At Killaloe ebenfalls satte 19 (!) Songs – eine ganze Stunde voller Partylaune! Selbst die Balladen (Down By The Hillside, Apology) sind im Up-Tempo gehalten, so dass die gute Laune gar keine Chance auf eine Atempause erhält. Neben den beiden Balladen und den gewohnt punkig angehauchten Speedfolk-Songs sorgen einige Traditionals für Abwechslung (Life Full Of Pain, Strike Back, 7 Drunken Sailors, Change). Man merkt den sechs Jungs bei dieser Produktion die Erfahrung deutlich an: selbstsicher und vor Energie fast platzend krachen die Tracks, einer nach dem anderen, dem Hörer ins Gesicht und zwingen ihn zum Tanzen. Nachdem 2006 eine kleine Umbesetzung stattfand und Drive Me Mad! schon eine auffällige Frische an den Tag legte, zeigt nun auch Sports Day At Killaloe, dass die Fiddler's noch lange nicht alt sind. Sie klingen dafür bereit, die Bühnen zu rocken. Getreu dem Motto "Raus aufs Feld und zeig, was du drauf hast!" geschieht genau dies auf der aktuellen "Sports Day"-Tour (Bericht). Wer da nicht mithüpft verpasst etwas, oder kann mit Gute-Laune-Musik einfach nichts anfangen. Wenn die CD vor dem Saint Patrick's Day den Player wieder verlassen sollte, ist spätestens dann wieder der Stichtag, um sie wieder einzulegen – denn langweilig wird sie so schnell nicht. In diesem Sinne: Trikot einpacken, Musik an und raus aufs Feld!

VÖ: 09.01.09

Wertung: ++++ (Jan Philip Brand)

 

Schroeder Roadshow – Rock’n’Roll-Chansons vom Hinterhof der Träume

{image}Als alter Fan der Schroeder Roadshow stand unser Autor diesem Ereignis mit gemischten Gefühlen gegenüber. Doch es stellte sich heraus: Alles unbegründet…

...denn dieses Album entpuppte sich als Muss für jeden Schroeder-Fan. Es bietet musikalisch eine Reise durch diverse Stilrichtungen. Beinahe alles ist hier vertreten: Country, Chanson, Rock, Pop – und alles passt ineinander. Die Texte sind wie früher: politisch, sozialkritisch, sarkastisch, lustig… – eben genau so, wie man es von Schroeder Roadshow aus den 80ern noch kennt. Insgesamt ergibt sich ein Werk voll gelungener Abwechslung, das auch auf Dauer nicht so schnell langweilig wird. Die neuen Versionen der Kult-Songs Anarchie in Germoney und Fette Ratten klingen in ihrer 2008er-Variante zwar anders, aber das schadet den Titeln keinesfalls. Die Reprise-Version (30 years later) von Anarchie in Germoney trifft den Zahn der Zeit auch heute noch ganz genau, nicht nur weil im Text jetzt auch der Dax und Hartz IV angesprochen werden. Das Booklet ist schön aufgemacht und bietet alle Texte. Der Schwarz-Rot-Goldene Faden zieht sich von Anfang bis Ende durch. Ein stimmiges Comeback.

VÖ: 14.11.2008

Wertung: +++; für Fans ein Muss (Rudi Brand)


The Poem Is You – The Promised South | K&F Records

{image}Die europäisch besetzte Band The Poem Is You begibt sich mit ihrem neuen Album The Promised South auf die Suche nach dem "Mythos Amerika". Damit schafft sie ein ruhiges, atmosphärisches Album, das von der Band selbst geschrieben, gespielt, aufgenommen und produziert wurde. Allerdings wäre es besser gewesen, eine Person von außerhalb hätte Einfluss genommen, um der Musik die Gradlinigkeit zu verleihen, die sie gelegentlich vermissen lässt. So wurde in Emile das Schlagzeug merkwürdig laut auf den rechten Kanal gemixt und das eigentlich wunderschöne Down The Hall verliert sich zum Schluss im Geplänkel einer akustischen Gitarre. Über das unnötige Instrumental Duell For Guitars #2 sollte man eigentlich gar kein Wort verlieren. Die Band benötigt also jemanden, der hilft, ihre Ideen zu ordnen und zu strukturieren sowie Entscheidungen zu treffen. Abgesehen von diesem Manko enthält The Promised South einige wirklich überzeugende Songs, vor allem das stimmungsvolle The Ballad Of Old Harold und das gefühlvolle Midnight Train In F Major. Erwähnenswert ist auch, dass The Poem Is You über zwei sehr gute Sänger in der Gestalt von Daniel Bock und Marie Reiter verfügt, die abwechselnd oder gemeinsam die Gesangsstimme übernehmen und dabei zu überzeugen vermögen. Mit etwas mehr Konzentration wäre ein exzellentes Album möglich gewesen, so reicht es immerhin für ein gutes.

VÖ: 09.01.09

Wertung: +++ (Daniel Nagel) 

 

Jurassic 5 – J 5 (11th Anniversary Reissue) | Interscope

{image}"Let’s take it back to the concrete streets..." lautete 1997 die Mission von Marc 7even, Chali 2na, Zaakir, Akil, DJ Nu-Mark und DJ Cut Chemist aus Los Angeles. Zwölf Jahre später blicken die vier Rapper und zwei DJs von Jurassic 5 auf eine beeindruckende musikalische Karriere mit vier erfolgreichen Alben zurück, von denen allein in den USA über eine Million Einheiten über den Ladentisch geschoben wurden. Ihr erster Streich J 5 ist längst in die Reihe der Rap-Klassiker aufgenommen worden und gilt unter Fans und Sammlern als begehrtes Stück. In einer Jubiläumsausgabe zusammen mit exklusiven Titeln und einer DVD ist das Debütalbum nun als Fanpaket neu geschnürt worden. Die erste der drei Scheiben enthält das kompakte Album in unveränderter Weise und besticht auch heute noch mit den Stücken Quality Control Part II, Action Satisfaction, Improvise und natürlich Concrete Schoolyard. Beats, unveröffentlichte Tracks und jeder Menge rares Material beinhaltet die zweite Scheibe – obwohl echte Fans sicherlich vieles davon schon von diversen B-Seiten her kennen werden. Komplettiert wird die Trilogie durch eine DVD. Hier wird dem Sextett bei einem Konzert in der Londoner Brixton Academy über die Schulter geschaut. Außerdem gibt es das Video von Concrete Schoolyard und die Dokumentation "Jurassic 5’s Early Years". Insgesamt zeigt die Box einen bunten Querschnitt der Jurassic-Crew. Dabei verdeutlichen die vier MCs einmal mehr, wie man völlig unbeschwert über betont lässige Old-School-Beats reimt und damit feinsten HipHop fabriziert. Unverwechselbar stechen dabei besonders 2nas aus tiefster Bassmembran geflowte Verse und die von Kreativkopf Cut Chemist eingeflochtenen Querflötenklänge heraus.

VÖ: 14.11.2008

Wertung: ++++ (Andreas Margara)

 

EPMD – We Mean Business | Bodog

{image}Strictly Business hieß 1988 der erste Streich von Eric Sermon und Parrish Smith. Mit diesem Album konstituierte das Rapper- und Produzenten-Duo wegweisende Schaffensmuster für nachfolgende Künstler, indem es ein Feuer aus abgedrehten Funk-Samples und innovativer Reimtechnik legte. Die Lunte reichte zunächst bis ins Jahr 1999, als EPMD (Eric & Parrish Makin’ Dollars) ihre bis dato in allen fünf Albentiteln widergespiegelte "Business"-Serie mit Out of Business beendeten. Eher unerwartet wurde diese nun zehn Jahre später mit We Mean Business fortgesetzt. Ohne Umwege nehmen die beiden New Yorker gleich im ersten Track Puttin’ Work In ihre gemeinsame Arbeit wieder auf. Mächtig viel Druck macht dabei der mit Streicher-Loop verzierte Basslauf, außerdem darf sich mit Raekwon unmittelbar das erste von zahlreichen Features hervorreimen. Nächster auf der Gästeliste ist Havoc von Mobb Deep – besonders Laune machen auf What You Talkin’ aber Sermons leidenschaftlich geflowten Lyrics. Roc-Da-Spot liefert anschließend eine bouncende Rhythmusschleife, die durch verzerrte Vocoder-Effekte getreu der bewährten EPMD-Rezeptur ergänzt wird. Das ähnlich zusammengebaute Listen Up dürfte hingegen hauptsächlich G-Funk erprobte Ohren erfreuen. Neben Eric Sermons Def Squad-Kollegen Keith Murray (They Tell Me) und Redman (Yo) ergreifen unter anderem noch KRS One, Method Man und Skyzoo das Mic. Nur die Creme de la Creme darf Hand anlegen, wenn die Old School-Veteranen ihre Beats nicht in Eigenregie zusammensetzen. Diesmal sind es DJ Honda (Never Defeat’em) und 9th Wonder (Left 4 Dead), die sich auf dem überdurchschnittlichen Album verewigen dürfen. Natürlich befindet sich in der Playlist traditionell auch wieder ein Song der Jane betitelt ist. Eine runde Sache, die Mic Doctors sind (zum zweiten Mal) erfolgreich Back in Business.          

VÖ: 05.12.2008

Wertung: ++++ (Andreas Margara)

 

Jedi Mind Tricks – A History of Violence | Babygrande

{image}Als Rapper Jus Allah 1999 auf das Duo Vinnie Paz und Stoupe von den Jedi Mind Tricks stieß, entstand mit Violent By Design ein beeindruckendes Werk des Independent-HipHop. Mit keinem Nachfolgealbum gelang es den Jedis, nach Jus Allahs Abgang, an diesen Erfolg je wieder anzuknüpfen. Nun ist der verlorene Sohn zurück und auch die Titelauswahl der sechsten Jedi-Mind-Scheibe A History of Violence deutet auf eine viel versprechende Fortsetzung hin. Schnelle Scratches und Cuts sind das Erste, was den neugierigen Ohren entgegengeschmettert wird, ehe die politisch hinterdachten und stets im aggressiven Hardcore-Style vorgetragenen Reimparts einsetzen. Beim weben des Soundteppichs setzt Stoupe auf altbewährte Muster, indem er instrumentale Versatzstücke mit hochgepitchten Vocals kombiniert. Soulblues-artig erscheint dagegen der melodiös eingesungene Chorus von Deadly Melody. Besonderes Schmuckstück von A History of Violence markiert Vinnie’s Solostück Trail of Lies, das auf ungewöhnlich geruhsame Weise zum Nachdenken animiert. An mancher Stelle wirken Stoupes Beats jedoch plastisch und einfallslos. Und dann beginnt das ungeduldige Warten auf das Unverbrauchte, den innovativen Moment eines neuen Albums. Selbst mit einem zurückgekehrten Jus Allah gelingt es den Jedi Mind Tricks dann nicht mehr, das Level wieder deutlich anzuheben. Spektakuläre Features, die auf den letzten Alben von Rappern wie GZA, RA the Rugged Man oder Sean Price verrichtet wurden, bleiben diesmal auch aus. Stattdessen gibt es nur Gäste aus dem direkten Philadelphia-Umfeld. Insgesamt eine solide Produktion des wiedervereinten Trios – die wahren Jedi Mind-Fans werden sicherlich über den gewohnt rauen Philly-Sound erfreut sein. 

VÖ: 12.12.2008

Wertung: +++ (Andreas Margara)

 

Doghouse Roses - How’ve You Been (All This Time) | Yellowroom Music

{image}"Folk-Noir" – ein wunderbares Genre. Doch was ist das eigentlich? Die Doghouse Roses aus Glasgow jedenfalls interpretieren dies für sich auf ganz eigene Weise: Im Zentrum stehen die Akustikgitarre, gespielt von Paul Tasker, und der Gesang von Iona Macdonald. Abgerundet wird das Ganze hier und da durch Streicher, leichte Chöre und ein wenig Piano. Die Stimme von Macdonald ist sehr sanft und zerbrechlich, so dass sie an manchen Stellen leider auch ein bisschen zu dünn wirkt. Doch das ist schnell vergessen, denn die Stärke des Albums liegt vor allem im Songwriting der beiden Schotten. Ruhige, teilweise keltisch angehauchte Stücke reihen sich sanft aneinander und bieten dem Hörer ein rundes Album ohne Ecken und Kanten. Die erste Singleauskopplung in England, Greener The Grass, wurde dort bereits mir Lob überschüttet und schafft auch sicherlich den Sprung auf den Kontinent. Eine eingängige Melodie, Banjo, ein Rhythmus der an Pferde erinnert, die auf einer Weide dahin trotten. Schön! Aber auch die anderen Songs haben ihre Stärken. So zum Beispiel Stalling, eine wunderbare Ballade mit Klavierbegleitung, das bluesige Happiness oder On The River, das die Wurzeln von Tasker und Macdonald auf musikalische Weise freilegt. Eine schöne Platte aus dem Americana-Universum made in UK.

VÖ: 6.10.2008

Wertung: +++ (Sarina Pfiffi)

 

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"