Kraftklub (live beim Berlin Festival 2012)

Kraftklub (live beim Berlin Festival 2012) © Julian Reinecke

Das Berlin Festival wird unter Spöttern auch das "Festival der Hipster" genannt. Seit mehreren Jahren findet es auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof statt. Nun war es wieder soweit - 20.000 Zuschauer feierten zwei Tage lang ausgiebig zu Bands wie The Killers, Paul Kalkbrenner, Franz Ferdinand oder Sigur Ros. Ein Festival mit Höhen und Tiefen.

{image}Ob Abbruch wegen gefährdeter Sicherheit, Beschwerden aufgrund der Lärmbelästigung durch Anwohner oder die Kritik an der Soundqualität in den Hangars des Flughafen Tempelhofs – in den letzten Jahren mussten sich die Veranstalter des Berlin Festivals oft berechtigter Kritik stellen. Diesmal wollte man alles noch besser machen und hatte sich dafür mächtig ins Zeug gelegt. In bunte Farbenlichtern getaucht, erstrahlte der Flughafen Tempelhof und entwuchs seinem tristen Alltagsleben. Der geschichtsträchtigen Vergangenheit gedenkend, bauten die Veranstalter die Mainstage zu einer ovalen Bühne in Flugzeugform um und ließen auch die anderen drei Bühnen – Zippo Encore Stage, Hangar5 Stage und Berlin Musik Week Stage – im Gewölbe der Hangars neu ausrichten. Die Veranstaltung "Berlin Debate" mit seinen zahlreichen Diskussionen über neue Wege, Chancen und Risiken der Musikindustrie sollte ein verbindendes Element zwischen den Businessveranstaltungen der gleichzeitig stattfindenden Berlin Musik Week und des musikalischen Festivaltreibens darstellen. Musikbusiness und Musikkonsumenten auf einer gleichberechtigten Ebene zum Austausch anzuregen war hierbei die Intention. Für die lockere Atmosphäre sorgte ein großer Abenteuerspielplatz aus einem "Art-Village-Camp" mit zahlreichen ausgestellten Kunstwerken, Installationen und einem Poetry-Zelt, Autoscooter-Fahrwerke und ein Fußballplatz. Mitmachen, mitspielen und mitteilhaben an den Aktionen, den Spielen und dem kreativen und künstlerischen Gedankenaustausch war von der Festivalleitung ausdrücklich erwünscht.

Doch so schön diese verschiedenen Nebenschauplätze des Festivals eine Verbindung zwischen Musikbranche, kreativen Künstlern und deren Konsumenten schaffte – für umso mehr Ernüchterung sorgten die Konzerte. Das lag nur zum Teil an den Bands. So enttäuschten The Killers mit einem unmotivierten, seelenlosen Auftritt und auch der zweite Headliner Paul Kalkbrenner blieb trotz viel Jubels nach Meinung des Autors merklich blass. Der Sound der Lautsprecheranlage trug wie in den Vorjahren dazu bei, dass einige Auftritte zu Flops wurden. Aus dem Soundbrei Instrumente oder einzelne Stimmen herauszuhören war teilweise kaum möglich.

Für eine Band wie The Soundtrack Of Our Lives war das der Genickbruch. Aber auch andere Bands und Künstlern hatten sichtlich Mühe aus den Lautsprechern das Bestmögliche herauszuholen. We Have Band durchzog anfangs nur ein Wummern ohne Melodien oder Synthie-Klänge erkennen zu können – später wurde es zum Glück besser. Bei Tocotronic fegte der Wind die Stimmen in weite Sphären weg. Und die Berliner Band I Heart Sharks begannen erst später, um länger Zeit für die Behebung der angesprochenen Schwierigkeiten zu haben. Leider vergeblich.

{image}Diese Soundprobleme gipfelten beim Auftritt von Kate Nash. Der Sänger der derzeit groß gefeierten deutschen Gruppe Kraftklub brachte es vor dem Berlin-Smasher Ich Will Nicht Nach Berlin auf den Punkt: Er hätte sich in die dritte Reihe nach vorn stellen müssen, um überhaupt ein Wort der Britin zu verstehen. Und selbst dort hätte er sich anstrengen müssen, ihrer Stimme zu folgen.

Besser machten es Sigur Ros, die sich erfolgreich mit fantasievollen Videosequenzen und sich komplex entwirrenden, phantasievollen Melodien gegen den zweitweise einsetzenden Regen durchsetzten. Und auch Franz Ferdinand konnte mit den alten Hits wie Take Me Out oder Michael das Publikum zum Tanzen bringen. Die Dänen von WhoMadeWho zogen das Publikum mit einem energetischen Auftritt in den Bann.

Wunderbare Konzerte und DJ-Sets konnten auch jene Festivalbesucher erleben, die nach dem offiziellen Ende des Programms auf dem Flughafen Tempelhof nicht zur "Silent Disko" gingen, sondern sich mit einer der vielen kostenlosen Shuttle-Busse in die Arena Berlin zur Night-Session vom ClubXBerg des Berlin Festivals transportieren ließen. Hier erwartete sie neben der großen Halle der Arena mit dem kleinen Glashaus und dem Arena Club sowie dem mit einem Sandstrand ausgestatteten Badeschiff noch drei weitere Locations. Electro-Klänge übernahmen dort schnell die Macht über die Indie-Klänge des Nachmittags. Beats ließen die Körper bewegen und im Gegensatz zum Flughafen Tempelhof musste man hier glücklichweise weder über den Sound noch die Stimmung meckern. Vom treibenden Elektro von Modeselektor über den spaßigen Aufritt von Hercules And Love Affair Soundsystem bis zu den sphärischen Klängen von Bands wie Light Asylum oder When Sains Go Machine wurden hier alle Richtungen der guten Elektromusik ausgelotet und bis zum Sonnenaufgang gefeiert. Die Tonprobleme vom Flughafen Tempelhof waren da schnell verziehen und vergessen.

Für die Zukunft bleibt festzuhalten: Das urbane Konzept des Festivals ging auf. Ob Art Village, Autoscooter-Fahrwerk oder Bolzplatz – die zahlreichen Angebote wurden von den Besuchern gut genutzt. Technisch jedoch muss sich das Berlin Festival steigern. Ein weiteres Festival mit einer solch grenzwertigen Soundanlage würde viele Besucher abschrecken. Notfalls müsste man die Bühnen aus den Hangars verlagern. Doch dann gäbe es wohl wieder Ärger mit den Anwohnern. Eine Zwickmühle?

Wir sind gespannt auf die Umsetzung und freuen uns auf die nächste Ausgabe des Berlin Festivals am 6. und 7. September 2013.