HERBERT GRÖNEMEYER, am 25.05.2012 in Mannheim Fotostrecke starten

HERBERT GRÖNEMEYER, am 25.05.2012 in Mannheim © Manuela Hall

In der vollen SAP Arena gastierte Herbert Grönemeyer am 25. Mai im Rahmen seiner Schiffsverkehr-Tour 2012. Er lotste viele Schiffe in diesen großen Hafen, die bekannten Hits und zahlreiche unbekanntere Perlen. Und er packte seine Kenntnisse im hiesigen Dialekt aus, umschmeichelte seine Fans und hinterließ am Ende des Abends den Eindruck, als habe er sich an jeden einzelnen Zuhörer gewandt. Die Basis für Groove und Intimität: Seine Band ist nach wie vor musikalische Weltklasse.

Wenn der Künstler eine wesentliche Kritik im Laufe seiner Show selbst äußert, dann muss man aufpassen, ob's wirklich stimmt oder ob ein großer Spruch eine Riesenlücke schließen soll. Wenn Grönemeyer also auf seine Band verweist, die ihn im Kern seit 30 Jahren begleitet und gut zur Hälfte mit Musikern aus der Region rund um Mannheim besetzt ist, und er sagt, diese sei "tight wie Sau!" – nein; dann muss man nicht überlegen, sondern kann einfach nur zustimmen.

Seine "Lieblingsband" sei das, und jeder versteht, dass er dies auch genau so meint. Besonders motiviert seien seine Musiker aufgrund des Auftritts nahe ihrer Heimat heute sowieso, sagt Grönemeyer, und bewiesen wird's später im Set bei den Zugaben vom Bassisten Norbert Hamm, der in der proppevollen SAP Arena Bekannte und Freunde ausmacht und ihnen von dem weit in die Halle reichenden Bühnesteg aus heftig zuwinkt.

Unbestrittener Mittelpunkt

Zwei Stunden und fünfundvierzig Minuten wird dieser Konzertabend am Ende gedauert haben und selbstverständlich ist Herbert Grönemeyer selbst der unbestrittene Mittelpunkt. Nach einem kurzen Intro entert er mit umgehängter E-Gitarre die Bühne zu wilden, tobenden Drum- und Percussiongrooves, stampft mit dem rechten Bein mehrfach auf und startet mit "Schiffsverkehr" seine Show, wonach auch die gesamte Tournee benannt ist.

Es ist insgesamt ein fulminanter Start: Der Evergreen "Musik nur, wenn sie laut" ist folgt an dritter Stelle, der Bassist spielt exponiert in der Mitte der Arena, dann Halt mich, die Mannheimer singen mit, Frank Kirchner glänzt zum ersten Mal mit einem bestechenden Saxofon-Solo, dann "Bochum" – "keine Weltstadt, genau so wie Mannheim", stellt Grönemeyer fest.

Alte Kamellen im Auftrag des Kulturministeriums

Voller Tanzeinsatz seinerseits, mit seinen bekannten und typischen Bewegungen, folgt bei "Männer", das er als "alte Kamelle" ankündigt, die nur noch "im Auftrag des Kulturministeriums" gespielt werde. Aber der Oldie funktioniert, als habe er erst vor wenigen Wochen die Charts gestürmt.

Grönemeyer schmeisst sich an seine Fans ran, packt ein paar Kenntnisse im kurpfälzer Dialekt aus, und spricht generell sehr viel über den ganzen Abend hinweg. So fällt auch eine klare Absage an jeglichen Faschismus ("Die Härte") – er hat seine Standpunkte nie aufgegeben – aber insgesamt sehr viel mehr humorvolles.

Schwere Songauswahl

Man will sich gar keine Vorstellung davon machen, wieviel Nachdenken die Songauswahl für diese Tournee erfordert hat. Soviele Hits und andere Perlen schuf Grönemeyer im Laufe seiner Karriere, dass er fast zwangsläufig den ein oder anderen Fan enttäuschen muss, weil er dies oder jenes Lied auslässt. Viele Geschenke landen auf der Bühne, die meisten verbunden mit einem kleinen Schreiben, das den Wunsch nach dem persönlichen Lieblingslied enthält.

Doch trotz allem ist die Titelwahl in Mannheim hervorragend gelungen. Neues Material wechselt mit älteren Klassikern ("Alkohol", "Flugzeuge" ("dieses Lied bezieht schon Rente"), etc.) und teils noch gänzlich unentdecktem wie "Wäre ich einfach nur feige", das auf einer Schiffsverkehr-B-Seite ein Schattendasein fristete, live aber voll zur Geltung kommt. Auch hier liefert Grönemeyer die Kritik übrigens wieder selbst mit: "ursprünglich aussortiert finde ich es heute die beste Schiffsverkehr-Nummer!".

Er will gefallen. Er muss gefallen.

So wie ich feiert in Mannheim seine Tournee-Premiere, Mensch liefert hier den emotionalen Höhepunkt. Ein Meer sich durch die Lüfte wiegender Arme und Hände verwandelt die SAP Arena bis in die obersten Ränge hinein in ein elektrisiertes Pulverfass, das nur darauf wartet, zu den Grooves von Zeit, dass sich was dreht oder bei dem Percussionsolo während des "Mambo" zu explodieren (→ Videofundstück auf youTube).

Nach einer Stunde dreißig verabschiedet sich Grönemeyer zum ersten Mal von der Bühne, die neben dem langen Steg als weitere Besonderheit mit mehreren Videowalls ausgestattet ist. Vom Presseplatz sieht man ihn in den Backstage huschen. Er hat einen Blick in dem sich Skepsis mit Zufriedenheit mischt. Er will gefallen. Er muss gefallen, um selbst mit sich im Reinen zu sein.

Bevor aus diesem Publikum und dem eigenen Vermögen nicht alles rausgeholt ist, wird dieser Abend nicht enden. Tosender Beifall holt Herbert Grönemeyer und Band zurück. "Die Aufregung legt sich langsam", sagt er und weiter geht's. "Schont eure Kräfte, der Abend ist noch lang", lässt er seine Fans zwei Songs später noch wissen.

Intimität in einer anderen Dimension

Mit Vollmond endet der Abend nach zwei weiteren mit Höhepunkten gespickten Zugabeblöcken. Dem Künstler gelang erstaunliches: Keiner verlässt die riesige SAP Arena ohne das Gefühl im Bauch, Grönemeyer nahe gewesen zu sein, von ihm förmlich angesprochen, motiviert und mitgerissen worden zu sein. Intimität in einer anderen Dimension.

Wie er nach fast drei Stunden während "Vollmond" nochmal jedes Eck der Bühne und den kompletten Steg abtanzt, sich dabei an jeden Winkel der Halle wendet und zum Ausrasten auffordert, das ist beinahe unglaublich. Grönemeyer live setzt immer noch den Maßstab in Sachen deutschsprachiger Pop/Rock.

Setlist Herbert Grönemeyer, am 25.05.2012 in Mannheim:

Intro | Schiffsverkehr | Kreuz meinen Weg | Musik nur, wenn sie laut ist |  Halt mich | Bochum | Stück vom Himmel | Zu Dir | Männer | Was soll das? | Der Weg | Die Härte | Kopf hoch, tanzen | Wäre ich einfach nur feige | Alkohol | Mensch | Bleibt alles anders |  Liebe liegt nicht

(Zugabenblock 1) Land unter | Demo (Letzter Tag) | Zeit, dass sich was dreht

(Zugabenblock 2) Zum Meer | Flugzeuge in meinem Bauch | Glück

(Zugabenblock 3) So wie ich | Mabmo | Unterwegs | Vollmond

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