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Tool (live in Frankfurt, 2022) © Torsten Reitz

Was lange währt, wird endlich gut: Nach anderthalb Jahrzehnten beehren Tool erstmals wieder Frankfurt als Teil ihrer "Fear Inoculum"-Tour. Die vier Kalifornier um Sänger Maynard James Keenan präsentieren sich in der Festhalle als präzise aufeinander abgestimmte Band, die ihren Fans neben zahlreichen neuen Songs auch einen tranceähnlichen audiovisuellen Trip bieten, der sich gewaschen hat.

Nun sind sie also wieder zurück, die Konzerte nach der gefühlt ewig andauernden "Corona-Auszeit". Für Tool-Anhänger ist eine solche Pause keine allzu neue Erfahrung, lässt sich der stilprägende Vierer aus Los Angeles doch gerne mal sehr viel Zeit mit der Veröffentlichung neuen Materials oder gar Konzerten in den hiesigen Arenen.

Im Nachgang an einen einmaligen Auftritt in Berlin und Auftritten bei Rock am Ring und Rock im Park anno 2019 ist die Band aktuell zurück in deutschen Landen – und macht nur nicht die Hauptstadt erneut unsicher, sondern auch die Finanzmetropole am Main.

Tradition und Moderne

Prall gefüllt sind daher nicht nur der Innenraum, sondern ebenso die Tribünen der altehrwürdigen Frankfurter Festhalle. Die Fans können es kaum erwarten, ihre Heroen endlich live und in Person vor sich zu sehen. Da tut es der Begeisterung keinen Abbruch, dass sich Tool gewohnt distanziert geben und für die ersten Songs hinter einem die gesamte Bühne umspannenden Vorhang verstecken, während für das Publikum in der Arena absolutes Handyverbot herrscht. Immer wieder laufen Sicherheitskräfte durch die Gänge, um zu gewährleisten, dass sich auch wirklich alle daran halten.

Verglichen mit dem vorherigen Auftritt in Berlin haben Tool ihre Setlist komplett überarbeitet. Der Fokus beim Konzert in Frankfurt liegt klar auf dem seinerzeit noch nicht erschienenen, aktuellen Album “Fear Inoculum“. Ganze sechs Songs der Platte präsentieren die Mannen um Sänger Maynard Keenan James an diesem Abend. Hinzu kommt "Litanie contre la Peur" vom Band. Nur zwei Stücke aus ihrer Frühphase spielt die Band mit den Klassikern "Opiate" und "Pushit" in der Festhalle. Dafür gibt es mit der ersten Live-Performance von "Ticks & Leeches" nach zehn Jahren eine faustdicke Überraschung.

Gut geölte Maschine

Wie üblich, hält sich Frontmann Maynard Keenan James mit seiner prägnanten Irokesenfrisur im Hintergrund. Er steht selten im Rampenlicht und kommuniziert lediglich im Zugabenteil wenige Sätze mit dem Publikum: Vor dem letzten Song "Invincible" erlaubt er den seinen Worten zufolge bislang braven Zuschauern schließlich, ihre "blöden Telefone" aus der Tasche zu ziehen, um doch noch Fotos und Videos aufzunehmen. Sofort gehen in der Festhalle dann auch Dutzende von Handys in die Höhe, weil sich viele eine mediale Erinnerung des denkwürdigen Abends mit nach Hause nehmen möchten.

Ansonsten spielen Tool sich und ihre Fans gute zwei Stunden lang in eine regelrechte Trance, bei der insbesondere Drummer Danny Carey als (nicht ganz so) heimlicher Star der Show hervorsticht. In seinem Basketballtrikot der Kansas Jayhawks zimmert er völlig entspannt ein raffiniertes Rhythmusfundament, über dem die tiefen Töne von Bassist Justin Chancellor, die Gitarrenriffs von Adam Jones und die markante Stimme von Maynard Keenan James thronen. Nebenbei weiß er bei "Chocolate Chip Trip" auch noch einen hochkomplexen modularen Synthesizer zu bedienen.

Bewegende (Klang-)Bilder

Trotz der langen Pause gibt sich die Band in der Frankfurter Festhalle als perfekt aufeinander abgestimmte Einheit. Dazu gehört ebenso die gesamte Inszenierung, die Tool die komplette Show hinweg vom Publikum fernhält: Abgesehen von dem bereits erwähnten Bühnenvorhang und der nicht vorhandenen Kommunikation mit den Zuschauern sorgen auch die stimmungsvolle Lichtkulisse, die Videoanimationen hinter den Musikern sowie eine zeitweise opulente Lasershow dafür, dass man es gefühlt mehr mit einem Gesamtkunstwerk denn einem Konzert im eigentlichen Sinne zu tun hat.

Die Frankfurter Fans honorieren diese hypnotisch wirkende Aufführung, auf die sie wortwörtlich eine Ewigkeit warten mussten, ein auf das andere Mal mit frenetischem Jubel. Jede kurze Pause und ruhige Passage geht geradezu im Applaus unter. Genau das hatten Tool wohl auch im Sinn, als sie das strikte Telefonverbot ausgaben: Nichts und niemand soll sie und ihr Publikum von dem ablenken, was auf der Bühne und in der Halle passiert. Obwohl es sich bei dem Konzert um ein groß angelegtes audiovisuelles Spektakel handelt, entsteht dadurch eine Art intimes Erlebnis zwischen Band und Zuschauern.

"Beehren Sie uns bitte bald wieder!"

Als der traumähnliche Trip nach guten zwei Stunden (plus zwölfminütiger Pause vor den Zugaben) zu guter Letzt zu Ende geht, verlässt wahrscheinlich keiner der Anwesenden die Show mit einem unguten Gefühl.

Die musikalisch gereifte und für ihre Verhältnisse inzwischen fast handzahme Band hat stellenweise vielleicht etwas zu routiniert gewirkt. Dennoch soll dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der psychedelische Rausch für die Sinne und die miteinander verschwimmenden Klanggebilde der neuen Songs die lange Wartezeit für viele der Fans von Tool durchaus wert waren.

Setlist

Litanie contre la Peur (vom Band) / Fear Inoculum / Opiate / The Pot / Pushit / Pneuma / The Grudge / Eon Blue Apocalypse / The Patient / Descending / Ticks & Leeches // Chocolate Chip Trip / Culling Voices / Invincible

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