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Vijay Iyer (live in Mannheim, 2021) © Rudolf Uhrig

Das neue Trio des US-amerikanischen Pianisten Vijay Iyer erweist sich bei Enjoy Jazz 2021 in der Alten Feuerwache in Mannheim als energiegeladene Formation, die jeden Anflug von Herbst-Depression aus der Halle bläst.

Nach einem Auftritt seines Sextetts in der Alten Feuerwache im Jahr 2018 haben wir den Wunsch geäußert, Vijay Iyer "im nächsten Jahr mit einem Trio zu erleben".

Ein erfüllter Wunsch

Bei Enjoy Jazz 2021 geht dieser Wunsch tatsächlich in Erfüllung: Der US-amerikanische Pianist gibt mit seinem neuen Trio bestehend aus Linda May Han Oh und Tyshawn Sorey ein Gastspiel in der sehr gut gefüllten Alten Feuerwache.

Ob solo, mit seinem Sextett oder wie jetzt im Trio: Vijay Iyer zählt zu den Dauergästen bei Enjoy Jazz. Festivalleiter Rainer Kern macht in seiner kurzen Ansprache klar, dass er Iyer für einen der bedeutendsten Jazz-Pianisten der Gegenwart hält – wer den US-Amerikaner bei einem der früheren Konzerte erlebt hat, wird das kaum bezweifeln.

Von der ersten Sekunde an

Manche Konzerte benötigen etwas Anlaufzeit – dieses nicht. Von der ersten Sekunde an legt das Trio los wie die Feuerwehr. In den ersten vierzig Minuten spielen die drei Musiker eine kontinuierliche Suite, die auf Soli weitgehend verzichtet.

Im Mittelpunkt steht dagegen der enorm dichte Bandsound des Trios, der permanenten Wandlungen unterworfen wird, aber nie seine gewaltige Energie verliert, so dass der Zuhörer sich fühlt, als würde er in einem unablässigen Strom mitgerissen. 

Das Konzert lebt von der perkussiven Kraft aller drei Musiker, die mit unablässiger Leidenschaft die Möglichkeiten ihres Instruments ausloten. Langjährige Vertrautheit und intime Kenntnis des Gegenübers sorgen dafür, dass sich der Abend so mitreißend gestaltet und nicht wenige Besucher von den Sitzen reißt.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Iyer, Oh und Sorey haben vor einigen Monaten ein Album mit dem Titel "Uneasy" auf ECM veröffentlicht, das von der gleichen Energie lebt, aber gleichzeitig die für das Münchner Label gewohnte Transparenz besitzt. 

In der Alten Feuerwache wirkt die Musik noch dringlicher, noch dynamischer und ausgesprochen modern. Obwohl die Meister des Jazz immer wieder anklingen, machen Vijay Iyer & Co. definitiv Musik aus der und für die Gegenwart – auch in politischer Hinsicht.

Das zeigt sich im Titel des neuen Albums, der sich in einer seltenen ECM-Liner Note auf die "emerging anxiety within American life" bezieht. Auch "Children of Flint" ist schwer anders zu interpretieren, wie als Bezugnahme auf den Skandal um verseuchtes Trinkwassers der Stadt in Michigan. Vijay Iyer und sein Trio machen es ihrem Publikum eben nie leicht.

Musik lässt Corona vergessen

Es ist übrigens einer dieser Abende, an dem man gelegentlich die Corona-Pandemie vergessen kann, obwohl sogar die Musiker auf der Bühne fast durchweg Masken tragen. 

Das Konzert fühlt sich dennoch so wie einer der vertrauten und schmerzlich vermissten Konzertabende bei Enjoy Jazz an. Ein hoffnungsvolles Zeichen in einer nicht nur für die Kreativbranche schwierigen Zeit.

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