Linn Hvid/Ana Fosca

Linn Hvid/Ana Fosca © Ed Gumuchian

Beim letzten Konzert der "Extreme Music"-Reihe des Enjoy Jazz-Festivals 2021 prallen Kontraste aufeinander: Während Nina de Heney mit Extended Techniques die Möglichkeiten des Kontrabasses erkundet, entfesselt Ana Fosca eine apokalyptische Wand elektronischer Geräusche.

Das letzte "Extreme Music"-Konzert des Enjoy Jazz-Festivals findet im Metropolink-Festivalzentrum auf dem Patrick Henry-Gelände in Heidelberg statt.

Die große Halle, deren Wände mit Graffitis verziert sind, bietet nicht nur einen willkommenen Tapetenwechsel zu den bekannten Spielstätten des Festivals, sondern steigert durch seinen langen Nachhall auch die Intensität der Soundkulissen, die die beiden Klangkünstlerinnen an diesem Vormittag bieten. 

Kontra-Klang

Den Anfang macht die schwedische Kontrabassistin Nina de Heney. Sie führt ein gemeinsam mit einer Komponistin entwickeltes Stück für Becken und Kontrabass auf, in dessen festgestecktem Rahmen sie improvisierend die tonalen Möglichkeiten des Kontrabasses erkundet. 

Ihr Set lebt aufgrund dieses Ansatzes insbesondere von der Vielfalt der mit nur zwei Instrumenten erzeugten Klänge – von dröhnenden, atmosphärischen Passagen, in denen die Sounds von gestrichenem Becken und mit dem Bogen gespielten Kontrabass ineinander verfließen zu scheinen, bis zu perkussiven Teilen, in denen die Schwingung der Bass-Saiten das Becken erklingen lässt, sodass de Heney fast wie eine traditionelle Jazz-Rhythmussektion klingt. 

In der Breite liegt die Kraft

Während de Heneys Musik von der Reduktion lebt, frönt die dänische Musikerin Linn Hvid mit ihrem Noise-Projekt Ana Fosca dem Maximalismus: Auf einem breiten Tisch hat Hvid ein Arsenal an Klangerzeugern und -verfremdern bereitgelegt, darunter u.a. Tape Loops, einen analogen Synthesizer, Mikrofone und zahlreichen Effektpedale. 

Mit diesen Zutaten erschafft Hvid einen Klangkosmos, der so detailliert wie überwältigend ist: Während zahlreiche kleine Details den Zuhörenden auffordern, seine Ohren zu spitzen, wirken die wummernden Bass-Drones zusammen mit der fordernden Lichtshow wie ein direkter Angriff auf das Publikum.

Verbunden durch Kontraste

Besonders intensiv wirken die Stellen in Hvids Set, in denen sie mit via Kontaktmikrofon verstärkten Metalketten live für eine zusätzliche Klangfarbe inmitten der gesampleten Sounds sorgt, sowie ihre Vocals, die, durch zahlreiche Effekte verfremdet, düster und kaum noch menschlich klingen. 

Diese Intensität ist es auch, die die Konzerte der Extreme Music-Reihe wie ein roter Faden durchzieht – intensiver musikalischer Ausdruck abseits überkommener Strukturen oder Genre-Vorgaben.

Dabei zeigt das Doppelkonzert von Nina de Heney und Linn Hvid/Ana Fosca eindrucksvoll, die divers nicht nur die Klänge der experimentellen Musik sein können, sondern insbesondere, wie unterschiedlich Intensität erreicht werden kann – durch Reduktion und Körperlichkeit auf der einen, durch Lautstärke und Vielfalt auf der anderen Seite. 

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