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Placebo (live in Mannheim, 2009) © Achim Casper

Nach der langen Auftrittsserie im Anschluss an "Meds" trennten sich Placebo von ihrem zweiten Schlagzeuger. Nachfolger wurde Steve Forrest, der zuvor bei der kalifornischen Punkband Evaline getrommelt hatte. Mit ihm nahmen Brian Molko und Stefan Olsdal ihr sechstes Album "Battle For The Sun" auf, das im Juni veröffentlicht wurde und auf der aktuellen Tour live präsentiert wird. In Mannheim spielten sie einen am Ende umjubelten Auftritt, bei dem die Zuschauer zwischendurch jedoch auch kleine Hänger verkraften mussten.

Mit einer positiven Überraschung begann der Abend in der SAP Arena, weil es die Support-Band Expatriate mit ihren vom New Wave geküssten Indie auf hervorragende Art und Weise verstand, die bereits um Punkt 20 Uhr beinahe alle eingetroffenen 6000 Ticketbesitzer aufs Beste zu unterhalten. Die melodischen Songs ihres Albums In the Midst of this, getragen von ungewöhnlich straighten Drums, gingen ins Ohr und lassen darauf hoffen, dass sich diese Band aus der Wahlheimat Berlin heraus noch öfter auf den Weg in die Clubs und Hallen der Republik machen wird.

Nachdem der die riesige Bühne in ein Vorne und Hinten aufteilende Vorhang nach diesem Gig gefallen, und die dank Videoeinspielungen kurzweilige Umbauarbeit beendet war, bezogen Placebo unter grellem Licht mit dem Opener For what it's worth ihre Aufstellung: 4-2 lautete das System.

2 vorne, nämlich Brian Molko und Stefan Olsdal, die Bandgründer und Masterminds. 4 hinten, wie auf einer unsichtbaren Schnur aufgezogen: Geige, Drums, Zusatz-Gitarrist, Zusatz-Bassist/Keys. Was dem Bandsound in der Folge sehr gut tun wird, da mit teilweise 3 Gitarren ein anständiges Brett bei respektabler Lautstärke gefahren wird, lässt gleichzeitig aber auch die Frage aufkommen, warum "der neue Feste" am Schlagzeug nicht näher am Frontduo platziert ist, sondern eher – rein von der Symbolik her, die dieser Aufbau auf der riesengroßen Bühne hinterlässt – dem "optionalen" Musikerstamm zugeschlagen wird. Will man ihn (noch) nicht richtig integrieren? Will er sich selbst auf diese Art zurücknehmen? Fest stehen nur die Konsequenzen, und die sind auch positiv: Molko und Olsdal haben Platz bis zum abwinken, um sich auszutoben.

Und davon machen sie im Laufe des Abends reichlich Gebrauch. Dennoch wäre Steve Forrest mehr Aufmerksamkeit zu gönnen, denn er spielt hervorragend. Und wenn man ehrlich ist: Ohne einen klasse Schlagzeuger wären viele der von vergleichsweise stupiden Achtel-Rhythmen getragenen Placebo-Songs doch relativ sicher echte Live-Flops. Forrest ist es auch, der das Gerüst zusammenhält, als Molko und Olsdal nach 7 Songs ausgerechnet bei den Über-Songs Every You und Special Needs einen Schwächeanfall erleiden.

Bis dahin konnten vor allem die Songs Ashtray Heart und Follow the Cops Back Home für erste echte Begeisterungsstürme sorgen, und gerade bei letztgenanntem, einem ruhigeren Stück, bewies Molko seine beachtlichen gesanglichen Fähigkeiten und zog in seinen Bann. Aus der dadurch etwas zurückgefahrenen Power kommen Placebo aber für die angesprochen beiden Songs nicht mehr heraus. Die Sache hängt.

Während bei der ersten Strophe von Special Needs noch das komplette Publikum die Hände zum Klatschen in die Luft streckt, ist spätestens beim Chorus die Luft urplötzlich komplett raus und auch keine Hände mehr zu sehen. Placebo hätten aber nicht ihren guten Ruf als Live-Band, wenn dafür kein Gespür vorhanden wäre. Und schließlich war da auch noch Forrest, der sich keine Sekunde lang beirren ließ. So dauerte der Durchhänger glücklicherweise nicht allzu lange. Spätestens mit Molkos erster etwas ausführlichen Ansage ans Publikum nach 11 Songs, vor Julien, war auch er wieder voll da.

Dass sogar noch mehr drin gewesen wäre, die berühmten 110%, das machten Placebo schließlich bei den Zugaben unzweifelhaft klar. Special K und Bitter End, dann noch Infra-Red im zweiten Zugaben-Block, geraten zu den Abräumern des Abends und rissen die komplette Arena mit. Alle 3 Hauptprotagonisten schienen nun bis in die letzte Haarspitze motiviert, diese weitere Schippe draufzulegen. Auch Forrest war nun gefühlt mittendrin, beim zum Abschied Winken sogar ganz vorne dabei. Ohne Shirt präsentierte er bei dieser Gelegenheit nebenbei noch sein stattliches Tattoo, das für ein kurzes zusätzliches Raunen sorgte.

So bleibt der Eindruck, dass hier in Mannheim durchaus einiges mehr möglich gewesen wäre, auch wenn man mit Placebos Konzert insgesamt mehr als zufrieden sein darf. Nicht nur die Power der Band über weite Strecken des Abends und der stimmige Sound, sondern auch die Lichtshow und die Videowände sorgten für eine Atmosphäre und ein Erlebnis, das sich gerne wiederholen dürfte.

->> Noch mehr Eindrücke vom Konzert: Hier in unserer Placebo-Fotogalerie!

Setliste: Placebo, am 24.11.2009 in Mannheim

For what it's worth | Ashtray heart | Battle for the Sun | Soulmates | Speak in Tongues | Cops | Every you Every me  | Special Needs | Breathe Underwater | Because I want you | 20 years | Julien | Neverending Why | Blind | Devil in the Details | Meds | Song to say Goodbye || Bright Lights | Special K | Bitter End || Trigger Happy | Infra-Red

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