Fugazi

Fugazi © Glen E. Friedman

Rock'n'Roll ist geprägt von Gegensätzen. De facto ist seine Geschichte eine des Konflikts. Gleichzeitig schwelt immer ein Kampf darum, bisher noch unklare Meinung und Ansichten durch neue Ansätze und Interpretationen zu manifestieren. Über die letzten Jahrzehnte wurden durch vielerlei Bands die verschiedensten ideologischen Fronten gebildet - und auch umgehend wieder fallen gelassen. Vielleicht war niemand so einflussreich, kompromisslos und zum Teil auch pervers wie die Band Fugazi aus Washington D.C.

{image}Sogar im Kern, nämlich dem Namen, ist Rock'n'Roll ein Paradoxon: Während ein Felsen (Rock) naturgemäß still und fest seinen Gesetzmäßigkeiten folgt, ist der Ausdruck "rollen" mit Bewegung verbunden. Geboren wurde dieser Widerspruch durch dieses Medium selbst, denn auf der einen Seite ist Rock'n'Roll überwiegend geprägt von einer Befürwortung des Erfolgs und der Selbstinszenierung, während auf der anderen Integrität durch soziales Bewusstsein erreicht werden sollte. Mit einem kontinuierlichen kommerziellen Aufstieg dieses Genres wurde die Authentizität allmählich durch Glamour ersetzt und anfängliche Ideologien verworfen oder gar vergessen. Es waren die frühen Punks, die dieser Inkohärenz anfänglich entgegenwirkten und einen "do it yourself"-Ethos propagierten. Es war der Traum, die Musikindustrie maßgebend zu untergraben und so die Eigeninitiative der Amateure zu fördern.

Doch auch dort begann die Musikindustrie Fuß zu fassen und die Bands wurden mehr und mehr von der "dunklen Seite" der Industrie umschlossen – eine Seite, gegen die sie einige Zeit selbst rebellierten.

{image}Durch den ansteigenden Ausverkauf, der gleichzeitig von einem für die Bands finanziellen Fehlschlag geprägt war, begann sich die "Hardcore"-Szene zu formieren. Hardcore, genauso wie Punk, beinhaltet im Kern die gleichen Qualitäten wie Rock'n'Roll: Aggressivität, Humor und einfache Strukturen, die jedoch durch Schnelligkeit, Kunstlosigkeit und Unerforschlichkeit nochmals verstärkt werden. Die Bands produzierten ihre Alben in ihren Garagen und kümmerten sich um unabhängige Distributionskanäle. In den 80iger Jahren galt das "Produkt" Musik als sehr schwierig, denn die Major-Labels positionierten sich weiterhin wo es nur ging und entdeckten das finanzielle Potenzial in der "Underground"-Sparte. Bands wurden unter Vertrag genommen, ausgesaugt und ausgespuckt – also ein fruchtbarer Nährboden für Rebellen.

Während dieser Zeit schossen die Fanzines und unabhängigen Plattenlabels wie Pilze aus dem Boden. Mit einer ähnlichen Abneigung dieser Industrie gegenüber, formierten sich auch immer mehr Bands, die mit den festgefahrenen Standards dieser Musikrichtung nichts anfangen konnten. Gruppen wie Big Black, The Jesus Lizard, Minutemen und viele andere befürworteten diesen Ethos zwar, setzten jedoch weiterhin auf Innovation und wollten dieser Verachtung einen noch breiteren Rahmen schaffen. Die auffälligste Band dieser Art war Fugazi. Als die Band zum ersten Mal auftauchte, hatte "Rock" bereits tausende Permutationen hinter sich gelassen und logischerweise viele Skeptiker hervorgebracht – letztendlich dann doch bereit, deren Alben und Konzerte zu bejubeln.

Fugazi - Glue Man Live (von der Fugazi-Dokumentation Instrument)

 

Der Bekanntheitsgrad der Band stieg mit dem Album Repeater und der enorm hohen Anzahl an gespielten Shows (bis 2002 absolvierten Fugazi fast 1000 Konzerte) rapide an. Sie nutzen die Ideen des Punk-Rock als ein funktionierendes Arbeitsmodell und anstatt in Clubs zu spielen oder sich buchen zu lassen, mieteten sie selbst Hallen, in denen sie ihre eigenen Preise bestimmen konnten. Hervorragende Soundsysteme und Techniker wurden ebenfalls selbst organisiert, dennoch waren die Tickets nie teurer als 5 US-Dollar. Das kapitalistische Denken wurde bewusst abgelehnt und ein nahezu irrational ökonomisches Modell befürwortet, welches damalige Marketing-Experten im Regen stehen ließ. Der Output beschränkte sich auf "reale" Alben und keine Wiederveröffentlichungen, Remixes, Interview-Discs oder gar T-Shirts, wie es zu diesem Zeitpunkt eben gängig war. Gerade diese Ablehnung, gepaart mit dem relativ großen kommerziellen Erfolg war es, die in Fachkreisen für Furore sorgte. Den hart erarbeiteten Erfolg machen sich Fugazi zu nutze und regelmäßig organisierten sie größere Konzerte – nur um die Einnahmen anschließend zu spenden. Obdachlose, freie Kliniken oder Kampagnen gegen den Golfkrieg wurden so finanziell unterstützt und waren gleichzeitig im Fokus der Medien. Legendär war das Konzert im Schatten des weißen Hauses, bei denen mehr als 2000 Hörer gegen den Krieg protestierten, während aus den Lautsprechern der Sound hämmerte (->youTube-Video).

{image}Schon zur Ära von Minor Threat, eine der wichtigsten Hardcore-Bands und Begründer der Straight-Edge-Bewegung, begann Sänger und Gitarrist Ian MacKaye mit seinem Label Dischord damit, Gleichgesinnten eine Heimat zu bieten. Er setzte sich für klare Verhältnisse zwischen Künstler und Label ein. Anfänglich noch vom Sound des Hardcore geprägt, wurde das Label über die Jahre immer offener und vielseitiger. Heute schmücken Indierock-Perlen genauso das Repertoire, wie z.B. jazzige oder avantgardistische Alben. Zu den bekannteren Bands gehören unter anderem Faraquet, Q and not U, Medications, Youth Brigade, Rites of Spring und natürlich auch Fugazi selbst. Analog dazu wurden auch sie immer vielseitiger und der klare Sound, der hauptsächlich durch die Rhythmussektion Brendan Canty (Drums) und Joe Lally (Bass) angetrieben wurde, während Ian MacKaye mit Guy Picciotto eine klagende Wand aus Vocals und Gitarren beisteuerte, veränderte sich fortlaufend. Spätestens ab End Hits rückten eingängige Songstrukturen immer mehr in den Vordergrund, wütende Ausbrüche wurden nun sogar in Dub verpackt und die Schnelligkeit musste vermehrt komplexeren Songstrukturen Platz eingestehen. (Song: Closed Captioned).

 

Wichtige Alben, die dieser Ära entsprungen sind:

Nation of Ulysses - 13-Point Programm to Destroy America

The Jesus Lizard - Goat

Fugazi - 13 Songs

Slint - Spiderland

Rapeman - Two Nuns and a Pack Mule

June of '44 - Four Great Points

Shellac - At Action-Park

 

 

Fortsetzung folgt...

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