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Thinner Logo © Thinner Netlabel GbR

Netlabels sind eine noch relativ neue Form des Musikvertriebs. Sie sind mit klassischen Labels im Musikbusiness vergleichbar, veröffentlichen jedoch keine CDs mit den Werken der Musiker, sondern stellen die Musik als kostenlosen Download in Form von MP3-Dateien zur Verfügung. Auf Thinner wird dem Hörer eine Schnittmenge aus Dub, House und Ambient angeboten. Kürzlich wurde der nächste große Schritt vollzogen: Ein Relaunch hat das Modell "Netlabel" zu einem tragfähigen Businessmodell weiterentwickelt.

Oberstes Prinzip sind Variabilität und Sounddesign. Die Musik auf Thinner kommt ausgesprochen eigenständig daher und weckt beim Hörer Assoziationen. Der Name beschäftigt sich mit dem Thema Reduktion, das in vielerlei Hinsicht das Label prägt – sei es das konsequente Nutzen von Dateien als Tonträger-Medium oder die stilistische Vielfalt, deren gemeinsamer Nenner Minimalismus darstellt. Das Label Thinner wurde ursprünglich 1998 von dem Schweden Thomas Jaldemark gegründet und spezialisierte sich zunächst auf den Vertrieb von speziellen Songmodulen im Internet, zu einer Zeit, in der noch niemand über MP3 gesprochen hat. Anfangs war Thinner also zum Teil eine rein schwedische Angelegenheit. Thomas Jaldemark hatte zunächst seine regionalen Freunde und Bekannte dazu eingeladen, auf Thinner zu veröffentlichen. Das ist heute noch deutlich erkennbar, wenn man die 50 Katalognummern durchforstet, die zwischen 1998 und 2001 entstanden sind. Die Arbeitsweise jedoch war von Anfang an digital.

2001 stieß Sebastian Redenz aus Mannheim dazu. Er hatte frühzeitig das Potenzial des Internet als globalem Markt für Nischenprodukte erkannt und brachte viele Ideen ein, wie man erfolgreiche Konzepte von Indie-Labels auf die Idee eines Netlabels anwenden konnte. Die Folge war aber auch eine Dezentralisierung des Teams: Es kamen Künstler aus Kanada, USA, Deutschland, Schweden und vielen anderen Ländern zum Label. Mit dem Einstieg von Ole Schulte im Jahr 2005, der zahlreiche neue Mitglieder aus dem Großraum Frankfurt für das Label gewinnen konnte, trat wieder mehr räumliche Nähe ein. Heute umfasst das Label 11 freie Mitarbeiter, die sich um die Abwicklung (u.a. Mastering bei SonoArt, Pressetexte von Larry Johnson, Cover-Design von SchultzSchultz etc.) einer Veröffentlichung kümmern.

Nun ist bereits der nächste große Schritt vollzogen: Ein Relaunch hat das Modell "Netlabel" zu einem tragfähigen Businessmodell weiterentwickelt. Zeitgemäße Techniken des Web2.0 – wie zum Beispiel RSS-Feeds, Social Bookmarking, animierte Cover, Recommendation, Social Network und Podcasting – wurden integriert und sind jetzt Teil des Angebots. Ergänzend gibt es ein Blog, das über die Dezentralisierung der Tonträgerindustrie berichtet. Zudem soll demnächst das Labelportfolio ausgebaut und Genres gefeatured werden, die bis dato im Netlabelbereich unterrepräsentiert sind. Die A&R-Politik hat sich ebenfalls verändert um eine neue Generation von "Thinner Künstlern" wird so heranwachsen. Zu diesen "Policy"-Veränderungen abseits der reinen Internet-Techniken gehört auch, zumindest teilweise Abschied zu nehmen von einem Ideal, dem man über viele Jahre die Stange gehalten hat: Kostenfreie Downloads unter der Nutzung der Creative Commons Lizenzierung. Den Sinneswandel erklärt Sebastian Redenz vor allem in Hinblick auf ökonomische Perspektiven für die Künstler des Labels:

"Bisher gibt es noch kein Netlabel, welches es mit einem traditionellen Verständnis der kostenlosen Downloads geschafft hätte, Strukturen zu entwickeln, die sich einerseits treu bleiben, indem sie kostenfreie Downloads anbieten, andererseits den Künstlern nachhaltige ökonomische Perspektiven anbieten und gleichzeitig ein regelmäßiges Einkommen erwirtschaften, das die Labelfinanzierung realisiert."

Diese Gedanken erscheinen im Hinblick auf die Entwicklung des Labels sehr verständlich: Als man einen gewissen Status etablieren konnte – und damit auch die Künstler – war eine Situation entstanden, die ganz zu Beginn nicht absehbar war.

Beispielsweise hat Thinner diverse Künstler veröffentlicht, die am Anfang ihrer Karriere standen und sie auf der Plattform durch mehrere Veröffentlichungen entwickelt. Für die Künstler selbst ist die Plattform jedoch nur zu einem gewissen Grad relevant. Zur konsistenten Alternative fehlen bis dato die finanziellen Anreize. Die Konsequenz daraus ist fast zwangsläufig, dass Künstler zu jenen Labels abwandern, die ihre Produkte gewinnbringend vermarkten und anschließend die Rechte durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lassen. Das von Thinner gewählte Creative Commons Lizenzmodell ist jedoch mit den Statuten der GEMA unvereinbar – ein Nachteil für das Label. Also gilt es für das Team, Konzepte zu entwickeln, die diese Lücken schließen und gleichzeitig eine wirtschaftliche Grundlage für das Netlabel darstellen. Man durchläuft bei Thinner somit einen Reifeprozess. Sebastian Redenz will aber nicht alles neu erfinden:

"Die Aufgabe heißt auch, unserer Philosophie gerecht zu werden und unsere Ursprünge nicht zu verleugnen."

Dementsprechend wird es auch weiterhin kostenlose Downloads geben, wenn es ums Artist-Development geht. Damit soll Bands, die noch nie etwas veröffentlicht haben ebenso wie bereits erfahrenen Musikern, ein adäquates Angebot gemacht werden.

"Somit schaffen wir", so Sebastian Redenz, "eine integrale Lösung, die es uns ermöglichen wird, mit beiden Seiten zusammenzuarbeiten und unseren Wurzeln treu zu bleiben: der konsequenten Förderung von Künstlern durch alternative Vermarktungsstrategien."

Bei Thinner legt man weiterhin gesteigerten Wert auf eine gesunde Kommunikationsbasis sowie gegenseitigen Respekt zwischen den Künstlern und dem Label. Die Künstler sollen bereit sein zu lernen und sich stetig zu verbessern, damit sie den Reifeprozess gleichermaßen mitvollziehen können. Die Ziele für die Zukunft lauten also: Ein hoher Grad der Professionalisierung und das Verstehen eines globalen Marktes. War die erste Thinner-Generation primär vom Spieltrieb und der Neugier getrieben, so geht es heute darum eine Plattform zu produzieren, die seinesgleichen sucht.

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