Nach ihrem Debütalbum "Replace Why With Funny" haben Dear Reader 2011 den Nachfolger "Idealistic Animals" veröffentlicht. Dir Tour dazu folgte im Februar 2012.
Foto: Marcus Maschwitz

Nach ihrem Debütalbum "Replace Why With Funny" haben Dear Reader 2011 den Nachfolger "Idealistic Animals" veröffentlicht. Dir Tour dazu folgte im Februar 2012. Foto: Marcus Maschwitz © City Slang

Bereits im September vergangenen Jahres erschien Dear Readers zweites Album "Idealistic Animals", die erste Veröffentlichung ohne Bassist Darryl Torr. Waschbär oder Maulwurf, Fuchs, Elefant oder Eisbär: Die unterschiedlichsten Tiere werden von Dear Reader in ihren Indie-Folk-Songs besungen. Erst jetzt schaffte es die südafrikanische Musikerin, mit ihrer Liveband einmal wieder in ihrer Wahlheimat Berlin ein Konzert zu geben. Es wurde ein ganz besonderer Konzertabend.

{image}Wenn das Thermometer im zweistelligen Minusbereich festfriert braucht es schon einen triftigen Grund vor die Tür zu gehen. Dennoch ist es an diesem Abend im Lido in Berlin alles andere als leer. Viele sind gekommen um Dear Reader zu sehen, die Band um die Südafrikanerin Cherylin MacNeil, die mit ihrem Debütalbum Replace Why With Funny 2009 schon viel Aufmerksamkeit und Achtung verbuchen konnte. Heute, nach Ausstieg des Bassisten Darryl Torr, führt MacNeil Dear Reader als Soloprojekt von Berlin aus weiter und brachte vor einigen Monaten ihr Album Idealistic Animals auf den Markt, ein Album, das schon fast ein Konzeptalbum ist, denn fast alle Songs sind nach Tieren benannt. Auf dem Album befinden sich dann aber zum Glück keine albernen Kinderlieder, sondern erstklassige Indie-Folk-Songs. Dear Reader live zu erleben ist allerdings noch einmal eine Klasse für sich. Nicht weil es eine Wahnsinnsshow gibt oder alle Leute wild Pogo tanzen, sondern weil sich zwischen Band und Publikum gleich eine herzliche Stimmung und Interaktion entwickelt. So auch an diesem Abend in Berlin.

{image}Eröffnet wird dieser Konzertabend von Felix Gebhard, der vielleicht einigen unter dem Namen Home of the Lame etwas geläufiger sein sollte. Während ein großer Teil der Besucher noch an der Garderobe steht, um sich um einige Kleidungsschichten zu erleichtern, bearbeitet er bereits seine E-Gitarre auf der Bühne. Viel Aufmerksamkeit bekommt er dafür leider nicht, obwohl er seinem Instrument beachtliche Klänge entlockt und hin und wieder auch seinen eindrucksvollen Gesang hören lässt.

Anders ist es dann bei Dear Reader. Hier zeigt das Publikum, dass es doch nicht nur zum Bier trinken und Quatschen gekommen ist, sondern um dieser sympathischen Gruppe auf der Bühne zuzuhören. Auch nach 17 Liveterminen in den vergangenen Wochen – wie Cherylin MacNeil gleich zu Anfang betont – wirkt die fünfköpfige Band immer noch bestens in Form und lässt einen guten folkigen Sound aus den Boxen erklingen. Hin und wieder stößt auch Martin Wenk an der Trompete zur Band hinzu, der auch schon bei Calexico tätig war und Dear Readers Labelkollegen Nada Surf live unterstützt. Aber nicht nur der gute Sound und die charmanten Indiefolksongs machen diesen Abend so schön. Fast noch mehr Freude machen einem auch die Ansagen der freundlichen Frontfrau MacNeil, die in teils akzentfreiem Deutsch und teils mit charmanten sprachlichen Fehlern ihre Lieder anmoderiert und ihre Band vorstellt.

{image}So erzählt sie fröhlich, wie ihre Ansage des Liedes Moles einmal nach hinten losging, als sie erklärte, die Maulwürfe in diesem Song seien – genau wie ihr Publikum – "warm", da sie einfach Wort für Wort übersetzt hatte. Kurz darauf lässt sie auch das Berliner Publikum mit einigen Fragezeichen über dem Kopf in den nächsten Song starten, als sie vor Great White Bear erklärt, man könne einen Eisbären auf Infrarot nicht sehen, weil er so dick sei. Nur nach langem Überlegen kann man kombinieren, dass es wohl das Fell, das keine Wärme nach außen lässt, dick gewesen sein muss. Aber nicht nur diese Anekdoten sind es, sondern auch die direkte und ehrliche Art, in der sie ihr Publikum anspricht.

Als sie das letzte Lied ankündigt und die Besucher sogleich mit einem enttäuschten "Oooh!" reagieren erklärt sie, wie albern sie das Spiel um die Zugabe eigentlich findet. Aber sie werde es tapfer durchziehen und so die kehrt Band nach langem Applaus und Fußtrampeln noch einmal zurück und tut, wie angekündigt, sehr überrascht. Ob die allerletzte Zugabe, eine Coverversion von Bruce Springsteens Dancing in the Dark, in die MacNeil einen kleinen Exkurs in Mr Bigs To Be With You einbaut, allerdings auch so geplant ist, bleibt offen. Fakt ist aber, dass dieses Konzert ein lohnenswerter Grund war, Haus und Heizung mal für ein paar Stunden zu verlassen.

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