Bon Iver spielt im Juli drei Konzerte in Deutschland. Fotostrecke starten

Bon Iver spielt im Juli drei Konzerte in Deutschland. © Bon Iver

Blitz the Ambassador meldet sich nach seinem 2009 erschienenen Album "Stereotype" mit "Native Sun" zurück, Bon Iver ließ sich drei Jahre lang Zeit für seine nächste LP "Bon Iver". Da ging es Gillian Welch doch ruhiger an: Aufgrund einer Schreibblockade mussten ihre Hörer ganze acht Jahre auf "The Harrow & The Harvest" warten. Jede Menge Verstärkung hat sich Booba für seine Platte "Lunatic" geholt, während Smif-n-Wessun auf den Produzenten Pete Rock gesetzt haben.

Booba – Lunatic | Because Music

{image}Booba ist so etwas wie der bessere Bushido aus Frankreich. Da beide zu den kommerziell erfolgreichsten Landesvertretern ihrer Sparte zählen, wundert es kaum, dass es für Bushidos kommendes Album zu einem ersten Gipfeltreffen der beiden Straßenrapper kam. Der fünfte Streich von Booba heißt Lunatic – genau wie seine frühere Rap-Crew, die er zusammen mit dem Halbmarokkaner Ali formte. Die Arbeit an seinem Album verglich der Rapper mit senegalesischen Wurzeln mit dem Gestaltungsprozess eines neuen Ferraris. Beteiligt haben sich an der Konstruktion bekannte US-Zulieferer wie P.Diddy und Akon, weshalb dem Sound des Ferraris auch geschuldet ist, dass er bewusst tiefer gelegt klingt. Düstere Synthesizer umrahmen das Beatgestell von Lunatic, doch leider ist auch der nervige Verzerreffekt Autotune nicht weit, wenn Rapper wie T-Pain gefeatured werden (Reel). Allgemein klingt die von T-Pain eingesungene Hookline, die aus Wavin' Flag von K'Naan geborgt ist, wenig innovativ. Besser klappt das bei Jimmy Deux Fois und dem von B2OBA gespitteten Part. Inhaltlich schießt der straßengeeichte Skandalrapper wie immer seine staatsfeindlichen Salven ab und eckt nach gewohnter Manier an. Wirklich authentisch wirkt der mittlerweile in Miami lebende Booba mit solchen Texten nicht mehr so sehr und auch den rauen Asphalt kennen die Gummireifen seines Ferraris inzwischen ausgiebiger. Trotzdem haben die meisten der äußerst eingängig produzierten Lieder Ohrwurmcharakter und das hat in den französischen Charts bereits ausgereicht, um selbige zu erklimmen.
Wertung: +++ (Andreas Margara)

Bon Iver – Bon Iver | 4AD

{image}Sein Debütalbum For Emma, Forever Ago nahm Bon Iver (eigentlich Justin Vernon) unter dem Eindruck von enttäuschter Liebe, Krankheit und Trauer in der Isolation des ländlichen Wisconsin auf. Daher vermittelte es einen starken Eindruck für den Ort, an dem es entstand und die damit verknüpften Emotionen. Bon Ivers selbstbetiteltes zweites Album erweitert die emotionale Darstellung von Orten, indem Justin Vernon diesmal in den Songtiteln imaginäre und reale Orte zum Schauplatz seiner skizzenhaft geschilderten Beziehungen und assoziativ dargestellten Erlebnisse macht. Trotz aller Melancholie, die auch dieses Werk auszeichnet, ist Bon Iver weniger introspektiv als das Debütalbum. Das liegt an der exzellenten Instrumentierung und den teilweise herausragenden Arrangements. Am kontroversesten erweist sich das mit viel Hall, 80er-Synthies und -Gitarre ausgestattete Beth/Rest, das manche– nicht ganz zu Unrecht – an Phil Collins erinnert. Ansonsten erweist sich Bon Iver aber als gewohnt fein gewobenes Werk: Es finden sich entrückte Chöre, verhuschte Bläser, vielfältige Percussion, geisterhafte Violinen, Pedal Steel, Klavier und akustische und elektrische Gitarren, die mal klar und hell, mal verhallt oder rockig klingen. Durch diese kleinen musikalischen Details bietet jedes Lied delikate Momente, die durch Schönheit und Ausdrucksstärke bestechen. Obwohl Bon Ivers charakteristisches Falsett die meiste Aufmerksamkeit erregt, variiert er seinen Gesang doch nicht nur bezüglich der Stimmlage, sondern inszeniert seine Lieder gekonnt durch die bewusste Verwendung bestimmter Reimschemata, Lautmalerei und Tempiwechsel. Die Qualitäten von Justin Vernon als Sänger und Songwriter sind seit For Emma, Forever Ago unstrittig, mit Bon Iver etabliert er sich auch als herausragender Komponist und Arrangeur.

Wertung: ++++ (Daniel Nagel)

 

Gillian Welch – The Harrow & The Harvest | Acony Records

{image}Es gibt Musik, die deshalb so wertvoll ist, weil sie eine Oase der Ruhe in unserer hektischen und kurzlebigen Zeit schafft. Musik, die von einem speziellen, zeitlosen Ort zu stammen scheint, der das Leben verlangsamt und es dadurch intensiver erlebbar macht. Gillian Welchs neues Album The Harrow & The Harvest ist ein solches Werk. Die amerikanische Sängerin/Songwriterin hat – von Schreibblockaden geplagt – unglaubliche acht Jahre benötigt, um ihr Nachfolgewerk zu Soul Journey einzuspielen und zu veröffentlichen. Anders als der Vorgänger wird die musikalische Landschaft von The Harrow & The Harvest allein von Welch und ihrem langjährigen Partner David Rawlings bevölkert. Vorwiegend begleitet von Gitarre und Banjo singt Welch mit gewohnt einnehmender, ausdrucksstarker Stimme über Themen, die von ihrem düsteren Weltbild geprägt sind. So blickt The Way It Goes mit schonungsloser Offenheit auf menschliche Katastrophen. Häufig wirken Welchs Songs jedoch, als gäben sie nur Ausschnitte aus einem größeren Bild preis. Überwiegend projiziert Gillian Welch auf The Harrow & The Harvest ihre Lieder in eine südstaatliche Szenerie. Dabei spielt sie mit Orten und Ortsnamen genauso wie mit Folktraditionen, indem sie beispielsweise in Songtiteln auf Stephen Forster und auf Joan Baez verweist. Ebenso wie Welchs Anspielungen und Verweise benötigt die auf das Mindeste reduzierte Instrumentierung Zeit und Geduld, um den Hörer mit ihrer beiläufigen Eleganz und ihrer subtilen Schönheit in den Bann zu schlagen. The Harrow & The Harvest entfaltet umso mehr Zauber, je tiefer man sich in seine Welt hineinwagt.

PS: Einen Film über die Herstellung des Artworks der CD kann man sich hier ansehen.

Wertung: ++++ (Daniel Nagel)

 

Blitz the Ambassador – Native Sun | Jakarta Records

{image}Blitz the Ambassador stammt aus der ghanaischen Hauptstadt Accra, wohnt in Brooklyn, New York und ist auf dem deutschen Label Jakarta gesignt. Eine trikontinentale Vielfalt an Einflüssen, die nicht zuletzt in seiner Musik Ausdruck findet. Sein zweites Album Native Sun weiß das HipHop-Feeling der guten alten New Yorker Tage zu transportieren, erscheint musikalisch jedoch in der afrikanischen Farbenpracht eines Dashiki und driftet mit deutscher Passgenauigkeit in den Gehörgang. Organisch und erquickend wechseln sich die stark instrumentierten Stücke ab. Nach der entspannten Nummer Dear Africa, das von dem sphärischen Gesang der französischen Les Nubians-Schwestern getragen wird, demonstriert der Ambassador mit seinem schnellen Reimfluss, warum er "Blitz" genannt wird. Seine Hörer heißt er mit einem kräftigen Akwaaba willkommen. Verjazzte Bläsersätze, funkige Drums und groovende Gitarren verschmelzen im melodischen Temporausch zu einer innovativen Melange. Dadurch entsteht eine Klangkulisse, die sich auf kein Genre festlegen lässt. Dennoch wird die moderne Form des ghanaischen Highlifes stets mit der poetischen Ausdruckskraft des Rap gekoppelt. Promoe aus Schweden (Wahala) und Pete Philly aus den Niederlanden (Victory) sorgen in Punkto inhaltsschwere Verse für tatkräftige Unterstützung am Mikrofon. Blitz the Ambassador ist es gelungen ein Stück Weltmusik zu kreieren, das seinem Namen auch tatsächlich gerecht wird. Diese Scheibe groovt von Yaounde bis Jakarta!

Wertung: ++++ (Andreas Margara)

 

Pete Rock / Smif-n-Wessun – Monumental | Duck Down Music

{image}Monumental – so lautet die Versprechung, wie die Kollabo zwischen dem dynamischen Rap-Duo Smif-n-Wessun und dem versierten Produzenten Pete Rock aussehen soll. Vom Cover her erscheint das zunächst jedoch wie eine unvorteilhafte Kombination aus Mount Rushmore und dem Seitenprofil von Lenin, Marx und Engels. Umso monumentaler platziert Pete Rock hingegen in gewohnter Manier seine Sample-Beats. Gegeben der Tatsache, dass Rock auch selbst den ein oder anderen Vers kickt, finden sich mit Raekwon, Bun B, Styles P, Black Rob, Memphis Bleek sowie den Boot-Camp-Clik-Kollegen Buckshot, Top Dog, Sean P und Rock (Heltah Skeltah) äußerst viele rappende Gastfeatures auf der Scheibe. Während den deutschen Hörern der Bläser-Loop von Prevail möglicherweise noch vom ersten Blitzmob Release bekannt vorkommen könnte, überzeugen auch die anderen Produktionen weniger durch Innovation als viel mehr durch die eingängige Simplizität ihrer bassgewaltigen Drums. Kopfnickbretter und Hardcore-Rap dominieren die Soundkulisse von Monumental. Mit der Reggae-Nummer This One befindet sich allerdings auch wieder ein musikalischer Ausflug zu Pete Rocks jamaikanischen Wurzeln unter den Stücken. Trotz der vielen Einflüsse durch die verschiedenen Rapper gelingt es Pete Rock auf dem Album einen roten Faden zu spannen. Etwas unter gehen dagegen die raren Parts von den Smif-n-Wessun Rappern Tek und Steele. Erst auf dem gastfreien letzten Track Time To Say entfalten sich die früheren Cocoa Brovaz völlig frei und demonstrieren dabei ihre punktgenauen Reime. Weniger ist eben oft mehr. Ein gutes aber keineswegs monumentales Gesamtwerk das ausreicht, wenn es in Vinyl gestanzt ist.

Wertung: +++½ (Andreas Margara)

 

Und so werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"