Die Swans lassen im Zoom in Frankfurt in Abgründe blicken

Swans (live in Frankfurt am Main, 2024) © Johannes Rehorst

Nicht ganz so extrem laut, aber genauso kompromisslos wie gewohnt präsentieren sich die Swans um Michael Gira im Zoom in Frankfurt. Während die Musik nichts von ihrem hypnotischen Sog verloren hat, stellt sich die Frage, wie lange es die Swans noch geben wird.

Schon häufig gab es Grund zu Annahme, dass die aktuelle Swans-Tour die letzte sein könnte. Diesmal allerdings sind weniger Michael Giras Temperament oder der immer volatile Charakter der Band die Ursache, sondern die Frage nach Michael Giras Gesundheit.

Gira sitzt fast während des gesamten Konzerts auf einem Stuhl. Wenn er sich an der Musik aktiv beteiligt, spielt er akustische Gitarre und singt seine düsteren Gesänge ins Mikro. Oft agiert er als Dirigent bzw. Band-Diktator, indem er vornehmlich Schlagzeuger Phil Puleo und Bassist Christopher Pravdica Kommandos gibt oder besser: Befehle erteilt.

Launisch und herrisch

Dass mit Gira nicht zu spaßen ist, weiß jeder Swans-Fan. Früher, zu Beginn der 1980er, hat er Fans getreten, die so dumm waren, ihre Finger auf die Bühne zu legen oder sich mit Besuchern angelegt, die es gewagt haben, zu headbangen.

Seit dem großen Comeback ab 2010 pflegt Gira einen mürrischen, aber ruhigen Umgang mit dem Publikum. Seine Bandmitglieder herrscht er aber nach wie vor auf der Bühne an und zeigt sich genervt, gefrustet, launisch und herrisch.

Der alternde Diktator

Eine Swans-Show ist immer auch Drama auf der Bühne. Darin erinnert er an einen anderen großen Exzentriker der Popmusik, nämlich an Mark E. Smith von The Fall.

Als er einmal verzweifelt die Hände vors Gesicht schlägt, äfft ihn Pedal Steel-Spieler Kristof Hahn nach, so als wolle er sagen: "Ja, Michael, wir wissen es. Lass es einfach sein." Wenn der Diktator altert, werden die Geknechteten aufmüpfig.

Ungewohnte Abwesenheit

Wie lange Michael Gira diese körperlich extrem anstrengenden Konzerte noch durchhält – wir wissen es nicht. Die Shows sind jedenfalls kürzer geworden, nur etwas mehr als zwei Stunden statt drei.

Außerdem lässt sich Michael Gira sich am Merch-Stand entschuldigen, den er eigentlich immer besucht, um die Einnahmen zu steigern. Man kann sich vorstellen, dass er nicht eine Villa in Beverly Hills besitzt.

Die dunkle Seite

Wie ein anderer großerer Exzentriker, Jazz-Bassist Charles Mingus, der auch gerne seine Musiker auf der Bühne belehrte und demütigte, verkörpert Michael Gira, das andere Kalifornien, die dunkle Seite des Sonnenstaats sozusagen.

Nihilismus, Leiden, Isolation, Einsamkeit, Tod, Macht, Verzweiflung und Dunkelheit sind einige der Themen seiner in beschwörenden Gesängen verpackten Musik. Eingebunden in einen musikalischen Maelestrom wogen repetitive hypnotische Rhythmen in gewaltiger Lautstärke mitten durch das Publkum.

Immer neu erfunden

Die Stücke von den letzten beiden Studioalben, unter denen das epische The Beggar herausragt, erscheinen in gänzlich veränderten Versionen, sind länger, haben einen neuen Text oder neue Musik. Es ist so wie immer.

Die letzten fünf Songs sind sogar gänzlich neu, wirken auf Anhieb aber ausgesprochen gelungen und fügen sich nahtlos in den Gesamtauftritt ein.

Nach Auskunft kenntnisreicher Besucher ist der Auftritt anders und grundsätzlich besser als die Konzerte in Leipzig und Bochum letztes Jahr. Die Band hat die Präsentation verfeinert und perfektioniert.

Eine körperliche Erfahrung

Auch dieses Swans-Konzert ist eine fordernde physische Erfahrung. Hier gibt es kein entspanntes Zuhören, sondern nur den Versuch der Musik standzuhalten, was leichter ist als früher, denn sie ist nicht mehr so extrem laut und überwältigend wie noch vor einigen Jahren.

Angesicht der allumfassenden Düsternis ist es immer wieder beeindruckend, wie niederschmetternd und gleichzeitig erhebend Swans-Konzerte sind. Das völlige Ausgeliefertsein erlaubt nur Flucht oder Durchhalten und wer durchhält erlebt eine Katharsis, die alle Mühen belohnt.