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Gringo Mayer (live auf dem Brückenaward Mannheim, 2022) © Johannes Rehorst

Zwei Jahre in Folge konnte der Mannheimer Brückenaward nicht stattfinden. 2022 kehrt das Underground Festival zurück - mit einer Ausgabe, die deutlich macht, wie sehr alle das einzigartige Event vermisst haben.

Die Vorzeichen für das Comeback des Brückenawards sind nicht gut. Glücklicherweise verschonen die befürchteten Unwetter das Festivalgelände unter der Eisenbahnbrücke im Jungbusch, so dass einem reibungslosen Ablauf des zweitägigen Festivals nichts im Wege steht. 

Schmerzlich vermisst wird aber Christian Bethge, einer der vier Brückenaward-Macher, der von seinen Kollegen "Ache", Tobias Weber und Martin Feige würdig vertreten wird. 

Gegensätze zum Auftakt

Am Freitag geht es los mit der Hip-Hop-Gruppe Lauchcremegruppe, die mit ihrem ironischen Hip-Hop für gute Laune sorgt. Killbite aus Stuttgart hauen im Anschluss das erste massive Brett des Wochenendes raus.

Energisch und druckvoll schallt der Noise-Rock des Trios zwischen den Brückenpfeilern und genauso furztrocken wie die Neckarwiese sich gerade präsentiert, knarzt der Bass-Sound aus den Boxen. Zuständig dafür: Sängerin Daniela, die sich mit Gitarrist Bastian das eine oder andere Feedback-Duell liefert, während Drummer Helge dem Lärm mit massiver Armarbeit das Fundament legt.

Den Award für die sympathischste Moderation des Wochenendes heimsen uneingefochten How I Left ein. Die Ansagen von Julian Bätz, die irgendwo zwischen ADHS, Stream of Consciousness und Standup-Comedy einzuordnen sind, waren mindestens so unterhaltsam wie der zwischen knarrig und leichtfüßig pendelnde Americana-Sound des Trios.

Mit Augenzwinkern

Und dank der drei wissen wir jetzt, was es mit Sepulchralkultur auf sich hat, welche Superkräfte Kakerlaken haben und dass eine Zugfahrt von Mannheim nach Karlsruhe dieser Tage zur Geduldsprobe werden kann.

Ach, und den Coversong des Tages gabs dann auch noch. Zum wundervoll verschrobenenen "Hero" von Enrique Iglesias war auch klar: Das Brückenaward-Publikum ist wach, denn es wurde eifrig mitgeschmettert.

Psychedelische Erfüllung

Dann hieß es Bühne frei für Yin Yin. Für die ist der Auftritt in Mannheim etwas ganz besonders, wie Synth-Zauberer Robbert Verwijlen erklärt: 2018 feierten die Niederländer mit ihrer aberwitzigen Melange aus Surfrock-Twang, Discobeats, Psychedelic-Wahnsinnigkeiten und fernöstlichen Melodien auf der Brückenaward-Bühne unter dem Namen Lady Boys ihre Premiere.

Heute, vier Jahre später sind sie angekommen in der europäischen Musiklandschaft. Energiegeladen, frickelig, tanzbar: so lässt sich der Sound des Quartetts beschreiben. Und es scheint, dass das Brückenaward-Publikum nur auf die Jungs gewartet hat: Tanzende Füße wirbeln den Staub der Wiese auf, der die Szenerie in Kombination der wie immer wunderschön anzusehenden analogen Lichtshow von Keith Pearson und Lisa Eggers in ein futuristisch-surreales Panorama verwandelt.

Von gefühlvoll bis wütend

Gegensätze bestimmen auch die frühen Auftritte am Samstag. Sängerin-Songwriterin Anna Stucky, die von den Machern bei Backstage PRO ausgewählt wurde, singt im Stil US-amerikanischer Größen der 1970er-Jahre wie Joni Mitchell. Ihre beeindruckend, ausdrucksstarke Stimme transportiert ihre Songs mühelos über die Neckarwiese. Dass sie mit einem eigenständigen Cover von John Lennons "Working Class Hero" abschließt, ist überaus passend.

Ganz andere Emotionen weckt Rapper Amor.vto, der als Sänger der Band Euternase zumindest lokale Bekanntheit besitzt. In seinem neuen Projekt macht er im Duo leidenschaftlichen, wütenden Hip-Hop, bei dem er seine Rhymes hinaus in die Welt bellt. Das erinnert in manchen Momenten an die Sleaford Mods, jedenfalls an den dreckigen UK-Hip-Hop, nicht an glattgebügelten, chilligen Trap.

Neu zusammengestellt

Ganz neu ist die Gruppe Soy Yolanda um Sängerin Yolanda Diefenbach. Die Band hat sich erst zwei Tage vor dem Brückenaward zusammengefunden und die fehlende Routine spürt man auch manchmal.

Dennoch verfügt die Gruppe über ein breites Repertoire zwischen chillig und mitreißend und kann auch ein längeres Set vielseitig gestalten. Musikalisch kombinieren Soy Yolanda Fusion-Jazz, Soul, Latin und Krautrock. Es dürfte interessant sein, die Band live zu erleben, wenn sie etwas länger zusammen waren.

Der Liebling des Abends

Mit Gringo Mayer folgt dann der fraglos populärste Act des Abends. Der Ludwigshafener hat sich mit seinen auf Kurpfälzisch gesungenen Songs zu einen Liebling in der Rhein-Neckar-Region entwickelt.

Und es ist kein Wunder zu verstehen, warum Gringo Mayer so populär ist, dass sich das Gelände unter der Eisenbahnbrücke füllt: Seine Songs wirken, als seien sie voll aus dem Leben gegriffen, egal, ob es sich um die Fußballhymne "Gibt's do' net", die Nachbarschaftsparabel "Ru' do driwwe", das Liebeslied "Ahjoo" oder die Drogensatire "Viel zu arg" handelt. Gringo feiert das Leben und die Zuneigung, die ihm entgegengebracht wird. Auf das zweite Album kann man gespannt sein.

Kurz und knackig

Den Abschluss bildet ein kurzes, aber intensives Set der instrumentalen Noise-Rock-Band Zahn. Die Band besteht aus zwei Mitgliedern der Noise-Rock-Band Heads und Felix Gebhard von der aktuellen Version der Einstürzenden Neubauten.

Ihre Musik ist live weitaus roher und ungezügeltet als auf den Studioaufnahmen. Manchmal ist sie unverkennbar bautig, in anderer Momenten erinnert sie an die Post-Rock und Noise-Rock-Genre der letzten zehn Jahre. Die Songs gehen fast nahtlos ineinander über und bieten genug Struktur, um sich daran zu orientieren und genug Leidenschaft, um sich nicht zu wiederholen. Absolut hörenswert ist das auf jeden Fall und eigentlich ein wenig zu kurz.

Mit dem Auftritt geht der Brückenaward 2022 zu Ende und alle Besucher wissen, wie sehr sie das Festival in den letzten zwei Jahren vermisst haben.