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Richie Blackmore's Rainbow (live in Berlin, 2018) © Manuel Berger

Mit dem frischen Livealbum "Memories In Rock II" im Gepäck bringt Richie Blackmore Jahrhundertriffs und virtuose Soli nach Berlin ins Velodrom. Er zeigt sich nahbar und mit gut eingespielter Band. An den ersten neuen Song seit über 20 Jahren traut er sich aber nicht heran.

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Konzerabend voll und ganz im Zeichen (sehr) alter Rockmusik steht. Während andere Bands sich als Supportact am liebsten Frischfleich ankarren, eröffnen für Ritchie Blackmore's Rainbow im Berliner Velodrom The Lords.

Selbst die Rolling Stones haben weniger Jahresringe. Bühnenansagen beginnen bei Leo Lietz, Jupp Bauer, Bernd Zamulo und P.J.M. Seminara gerne so: "Vor 50 Jahren schrieben wir mal ein Liedchen..."

Vorgezogener Konzertbeginn

Respekt vor dem Alter hat zumindest der Veranstalter nicht. Unangekündigt verschiebt er die Stagetime um eine halbe Stunde nach vorn. Auch später platzt die Halle nicht aus allen Nähten, doch The Lords beginnen ihr Set zu einem wahrlich traurig anzusehenden kleinen Häufchen Frühankömmlinge.

Als die Band zur ursprünglich geplanten Startzeit 20 Uhr den regulären Teil ihres Auftritts beendet, ist es im Publikum zwar zum Glück etwas kuscheliger, doch nach einer Zugabe ruft ob der Verwirrung kaum jemand. Die Musiker kehren trotzdem nochmal zurück und trällern "Glory Glory Hallelujah". Immerhin jetzt springt der Funke über.

Auf die Knie!

Der, auf den hier alle warten, lässt sich anschließend Zeit. Eine gute Dreiviertelstunde lang müssen die Zuschauer mit einem anderen Gitarrenmessias vorlieb nehmen: Jimi Hendrix schallt in der Umbaupause aus den Boxen. Irgendwann aber gehen die Lichter doch aus und eine stimmungsvolle Suchscheinwerfer-Lightshow plus "Land Of Hope And Glory" vom Band prophezeihen das Nahen Blackmores.

Der begrüßt sein Publikum unerwartet herzlich: Kaum durch den Backstage-Vorhang getreten, kniet er sich zum ersten Mal an den Bühnenrand und nimmt Kontakt mit seinen Fans auf. Später wird er noch zu Handshakes übergehen, doch zunächst sind "Spotlight Kid" und "I Surrender" dran.

Das bedeutet: Spielmodus. Blackmore verfällt in sein typisch lässig-gelangweiltes Griffbrettgucken. Bewegung überlässt er Sänger Ronnie Romero. Der verfügt über die nötige Präsenz und die Stimme, um ein Zehntausender-Venue zu unterhalten, hat aber auch Gespür dafür, dass die meisten Zuschauer in erster Linie Augen für den Mann haben, der meist leicht versetzt hinter ihm steht.

Ronnie meistert den Ronnie

Dass er die großen Fußstapfen seiner namhaften Vorgänger ausfüllen kann, bewies Romero bereits 2016. Heute wartet der erste Härtetest bereits bei Song Nummer 4: Nachdem Blackmore in "Mistreated" seine charakteristischen Blues-Licks abgefackelt hat, stimmt er den Überhit "Since You Been Gone" an. Romero besteht mit wehendem roten Fahnenband am rechten Oberschenkel. Auch das nachfolgende Dio-Paradestück "Man On The Silver Mountain" meistert er.

Nach der groovigen Deep Purple-Halbballade "Perfect Stranger" wechselt Blackmore zur Akustikgitarre. "Soldier Of Fortune" soll es sein. Hier zeigen sich erstmals am Abend allzu klare Abnutzungsspuren: Zwar funktioniert durch das gute Zusammenspiel der Band die tolle dynamische Steigerung der Nummer noch immer, doch der intim gedachte Anfang mit Blackmore und Romero in trauter Zweisamkeit auf dunkler Bühne gerät heute arg müde.

Mit tausend Kehlen durch die "Black Night"

Da kommt es gerade recht, dass im Anschluss gleich zwei Nummern mit langem Jam-Part anstehen: "Black Night" und "Difficult To Cure". Besonders "Black Night" ruft eindrücklich ins Gedächtnis, dass hier eine der prägendsten Figuren der Rockgeschichte auf der Bühne steht.

Das fällt anscheinend auch dem Tonmann auf, denn mittlerweile erklingt Blackmores Gitarre so laut, dass weder Keyboarder Jens Johansson noch Romero am Mikro vernünftig dagegen ankommen. Die magische Wirkung des weltberühmten Riffs scheint davon jedoch nicht getrübt, sodass es durch die Kehlen der Fans lautstark weiterläuft, während die Band ohne viel Aufsehen oder weitere Anleitung von der Bühne verschwinden kann.

Blackmore lässt es langsamer angehen

Ritchie Blackmore ist dabei neben seinen ikonischen Riffs freilich auch bekannt für virtuose Soli. In Geschwindigkeitsrausch spielt er sich mit seinen heute 73 Jahren (vier Tage vor der Show feierte er Geburtstag) nicht mehr; auch war sein Lead-Spiel insgesamt schon spritziger und ideenreicher.

Doch technische Finessen wie zweihändiges Tapping blitzen ein ums andere Mal auf und das ihm eigene sanfte und doch druckvolle Feeling trägt er immer noch in den Fingern.

Mitmusiker im Spotlight

Neben Blackmore soliert vor allem Johansson ausgiebig. Bei "Difficult To Cure" überlassen ihm seine Mitmusiker gar einen mehrminütigen Spotlight-Moment und verlassen erneut die Bühne. Zuvor liefert er sich ein amüsantes Duell mit Bassist Bob Nouveau, der außerdem im folgenden Song Raum für ein eigenes Solo bekommt. Denn als Blackmore schließlich mitsamt seiner überdimensionalen Setlist-Tafel Richtung erste Reihe watschelt, steht wenige Augenblicke später fest: "Child In Time" ist dran.

Der zeitlose Purple-Klassiker entwickelt sich sodann zum Meisterstück Romeros an diesem Abend. Souverän erobert er die berühmten Harmonie-Vocals im ersten Abschnitt des Songs. Dagegen verblasst selbst das anschließende "Rising"-Opus "Stargazer".

Das können die Kollegen besser

Das Schlussdoppel "Smoke On The Water"/"Burn" entpuppt sich leider als weniger feurig als ihr Inhalt. Das wohl bekannteste jemals geschriebene Riff steht zwar für sich, doch hier offenbaren sich dann doch deutliche Defizite gegenüber Blackmores ja ebenfalls noch auftretenden Ex-Kollegen Deep Purple.

Ritchie Blackmore's Rainbow wirken hier im Vergleich wie eine Coverband – wenn auch mit Stargitarrist.

Der erste neue Song seit über 20 Jahren

Wirklich schade ist, dass Blackmore diesem Coverband-Status nicht mit dem ersten neuen Rainbow-Song seit über 20 Jahren entgegenwirkt. Immerhin veröffentlichte er anlässlich des am 6. April erschienenen Livealbums "Memories In Rock II" den brandneuen Track "Waiting For A Sign". Man fragt sich, warum er ihn auf der nach ebendiesem Album benannten Tour ausklammert.

Schon allein, weil Romero in diesem Song seine Fähigkeiten jenseits seiner Dio/Bonnet/Turner/White-Ersatzrolle beweist, hätte der Track einen Platz in der Setlist verdient gehabt. Vielleicht schreibt Blackmore lieber gleich ein komplettes Album um diesen neuen Song herum und tourt damit erneut. Hoffen erlaubt. Warten wir doch einfach auf ein Zeichen.

Setlist

Spotlight Kid / I Surrender / Mistreated / Since You Been Gone / Man On The Silver Mountain / Perfect Strangers / Soldier Of Fortune / Difficult To Cure / Black Night / All Night Long / Child In Time / Stargazer / Long Live Rock’n’Roll / Smoke On The Water // Burn

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