Mit Blumfeld als einer der wichtigsten Vertreter der "Hamburger Schule" wurde er zu einer Ikone in der deutschen Musikszene. Seit ihrer Auflösung ist Jochen Distelmeyer nun auf Solopfaden unterwegs. Vor wenigen Tagen spielte er im Berliner Postbahnhof.

Dort trat Jochen Distelmeyer mit einer Internatsschüler-Frisur auf und wirkte durch seine Gesichtszüge anfangs sehr ernst und starr. Genau wie seine Begleitband, die zu Beginn ebenfalls kaum einen Gesichtsmuskel bewegte. Stattdessen bedankte er sich mit verschiedenen Begriffen wie "Toll", "Süß" und "Schön" beim Publkum für das Erscheinen zu seinem Konzert. Durch sein aufgesetztes süffisantes Lächeln und seine Stimmlage machte er jedoch den Eindruck, dass er dies eher ironisch und sarkastisch, als wirklich ernst meinte. Wie auch einige Ansagen, die er an diesem Abend an das Publikum richtete. Wie zum Beispiel, als er den Blumfeld-Hit Eintragung ins Nichts dem neuen Bundesaußenminister Guido Westerwelle widmete. Typisch Distelmeyer eben, der mit Blumfeld auch Songs coverte und spielte, bei denen man sich live fragen musste, ob dass wirklich Ernst gemeinte Versionen waren. Nur die Repetition, also die fortwährende Live-Präsenz dieser Stücke und die stets lakonische Art von Distelmeyer lassen keinen Zweifel daran, dass er es ernst meint und nach wie vor auch ernst meint mit der Musik. Rein musikalisch hat sich bei Jochen Distelmeyer auch nur wenig verändert.

Immer noch spielt er den gleichen Pop mit hohem Songwriter-Anteil und auch an den zwischen Radikalität und Poesie verschwimmenden Textinhalten seiner Songs hat sich nicht viel verändert. So spielte er an diesem Abend in Berlin dann nicht nur die Songs seiner Soloplatte Heavy, wie zum Beispiel den aufreibenden Song Wohin Mit Dem Hass, sondern eben auch viele Songs aus seiner Blumfeld-Ära, darunter das bereits erwähnte Eintragung Ins Nichts, aber auch 2 Oder 3 Dinge, Die Ich Von Dir Weiß. Bei Schmetterlings Gang fing er dann plötzlich zu tanzen an und man spürte, dass mit diesem Song auch die Lockerheit im Saal einkehrte.

Es folgten Songs und Balladen über die Liebe, wie der neue Song Lass Uns Liebe sein und mit Status: Quo Vadis schließlich ein Hit für alle, die Distelmeyers Texte gern mitsingen wollten. Das wurde nur noch vom Patti-Smith-Cover Dancing Barefoot  fast übertroffen. Hier sang das gesamte Publikum den Refrain "Oh God I Felt For You" ebenfalls lautstark mit.

Am Ende waren wieder einmal fast zwei Stunden Jochen Distelmeyer vergangen. Die Musik und Inhalte sind dabei die Gleichen geblieben, doch die Band heißt nun nicht mehr Blumfeld, sondern Jochen Distelmeyer. Denn obwohl man annehmen könnte, dass er nun ein Solokünstler ist: Er versteht sich nicht als solcher, sondern betonte zu Beginn des Gigs mit deutlichen Worten: "Wir sind Jochen Distelmeyer!" Na dann: Gutes Gelingen für die Zukunft!

--> Fotos: Jochen Distelmeyer live in Berlin

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