Hot Hot Heat
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Hot Hot Heat Foto: Frank Ockenfels © Warner Music

Bedenkt man es recht, dann waren Hot Hot Heat so ziemlich die erste von einem breiteren Publikum wahrgenommene Band im neuen Jahrtausend, die die Tür zum tanzbaren New Wave und Post-Punk aufstieß, veröffentlichte sie doch ihren Tanzbodenkracher Bandages samt dazugehörigem Album "Make Up the Breakdown" bereits 2003 in Europa und damit einige Zeit noch bevor überhaupt die ersten Demos von Bands wie The Killers oder Franz Ferdinand, die diesen Weg in die eine oder andere Richtung fortführten, die Runde machten.

Was den Erfolg angeht, überholten diese stilistischen Nachzügler Hot Hot Heat zwar deutlich, über die Qualität der Mischung aus guten Achtzigern (XTC, Devo) und dem Underground der Neunziger (The Make Up, Les Savy Fav) sagt dies aber nichts aus, sodass man der Gelegenheit, sich die Band live anzusehen, im Voraus grundsätzlich freudig entgegensehen konnte. Support für Hot Hot Heat waren die aus Brixton stammenden The Thirst, die mich eigentlich ganz besonders interessiert hätten, aber denen laut dem auf der Bühne hängenden Zeitplan lediglich eine halbe Stunde Spielzeit gewährt wurde und die offenbar pünktlich um 21.00 anfingen. Als ich den Karlstorbahnhof betrat, durfte ich nur noch mit ansehen, wie das Equipment der Londoner abgebaut wurde. Jugendliche Schludrigkeit, die einen sonst doch gerne mal ordentlich auf den Konzertbeginn warten lässt, muss da wohl gelegentlich zugunsten der Professionalisierung geopfert werden.

Auf die Minute den Zeitplan einhaltend betraten dann auch Hot Hot Heat die Bühne, was von Nebelschwaden und zuerst von sphärischen Klängen, dann von einem Achtziger Hard Rock/Heavy Metal Einspieler der Sorte Twisted Sister untermalt wurde, was man doch etwas befremdlich finden konnte. Doch noch ungewöhnlicher für ein Konzert im Karlstorbahnhof waren die, als das Licht ausging einsetzenden, spitzen Schreie aus dem Publikum, das aus einer überdurchschnittlich großen Anzahl Mädchen unterdurchschnittlichen Alters bestand.

Gleich der erste von Steve Bays gesungene Ton des Openers My Best Fiend klang sehr überzeugend und stand dem, was man gesanglich auf den Alben zu hören bekommt, qualitativ in nichts nach. Auch an Hingabe fehlte es dem Sänger nicht; immer wenn er nicht nebenbei mit seinem weißen, auf der Bühnenmitte aufgestelltem Keyboard beschäftigt war, lief er auf und ab, näherte sich gelegentlich dem Pulk Mädchen am Bühnenrand, die daraufhin vor Verzückung ganz aus dem Häuschen gerieten und steigerte sich ansonsten schweißgebadet in seine Aufgabe. Doch leider blieb Bays’ stimmliche Vortrefflichkeit fast das einzig Gewinnende, denn die Band insgesamt vermochte das Werk ihrer Alben einfach nicht überzeugend auf die Bühne zu bringen.

Dass der breiter angelegte Klang des aktuellen Albums Happiness Ltd. nicht wirklich erzielt werden konnte, auch wenn fast versteckt in der hinteren Ecke ein zusätzlicher fünfter Musiker – bei dessen Anblick ich erst ganz erschrocken war, in der Annahme, es wäre Marc Terenzi – sich abwechselnd Tambourin, Gitarre und Keyboard widmete, geschenkt. Klar, dass man all die Overdubs live nicht einfach reproduzieren kann.

Was dem durchaus guten Songmaterial zur vollen Überzeugungskraft aber im Wege stand, war das mangelnde Durchsetzungsvermögen im Zusammenspiel der Band. Gerade bei Songs, die stark von rhythmischer Akzentuierung leben, wie es nun einmal bei den allermeisten von Hot Hot Heat der Fall ist, entscheidet das Vorhandensein messerscharfer Präzision darüber, ob sie den ganzen Saal aufpeitschen oder als Rohrkrepierer enden. Insbesondere der ständig eine Leidensmiene aufsetzende Schlagzeuger Paul Hawley verdiente sich an diesem Abend mit seinem unsauberen Spiel keine Lorbeeren und Gitarrist Luke Paquin lieferte vielleicht recht routiniert, aber sicher nicht perfekt ab. Dementsprechend schafften es hauptsächlich die eher konventionellen, einfacherer gestrickten und damit weniger fehlerträchtigen Stücke wie Jingle Jangle oder Harmonicas & Tambourines mit gewissem Wohlwollen meinerseits goutiert zu werden, während es mir bei Talk To Me, Dance With Me fast die Schuhe auszog ob des schleppenden Tempos und der wenig gelungenen Wechsel zwischen den latinmäßigen Strophen und den Interludes mit gerader Bassdrum. Soundtechnisch kam auch nicht wirklich alles klar rüber und wieso Bays selbst bei Bandages den schönen Orgelsound durch einen sägenden Synthesizer a la Jump von Van Halen ersetzte, bleibt wohl sein Geheimnis.

Was Hot Hot Heat darbieten wollten, war eine atemlos ekstatische Verschmelzung tanzbarer Grooves, einnehmender Melodien und mitreißenden Auftretens und oft genug stellte sich das Gefühl ein, dass die Band unmittelbar davor stand, sich in den Himmel der Exaltation aufzuschwingen und das gesamte Publikum mitzunehmen. Aber im entscheidenden Moment siegte die Schwerkraft dann doch und man wurde von dem Geschehen auf der Bühne merkwürdig unbeeindruckt zurückgelassen.

Nicht dass Missverständnisse aufkommen: All den jüngeren Menschen im Publikum stand die Begeisterung ins Gesicht geschrieben und in der Mitte des Saales wurde nach einiger Zeit eifrig gepogt – aber es drängte sich der Eindruck auf, dass da die Adoleszenz eher die eigene Ausgelassenheit feierte und es in dieser Situation zweitrangig war, wer auf der Bühne stand, was mir zu behaupten nie einfallen würde, wäre der Enthusiasmus gegenüber der Band soweit gegangen, dass die Texte begeistert mitgesungen worden wären. Aber genau in dem Moment, als sich das angeboten hätte, kam aus dem Publikum so ziemlich gar nichts. Im ska-angehauchten Mittelteil von Bandages wollte Bays dem Publikum offenbar den Gesangspart überlassen, doch das schwieg lediglich vor sich hin.

Nichtsdestotrotz hörte man nach dem Zugabenblock (Let Me In, Dirty Mouth, Goodnight Goodnight) viele sagen, wie geil die Band doch gewesen sei. Eine Meinung, der man mangels hinreichend vieler Vergleichsmöglichkeiten durchaus sein konnte, so dass ich niemandem das Konzerterlebnis madig machen möchte. Hinzugefügt werden muss dann aber auf jeden Fall, dass sich die Leute, die sich von Hot Hot Heat mitreißen ließen, darauf freuen dürfen, in Zukunft noch wahrhaft grandiose Gigs miterleben zu können. Denn wer vom gestrigen Konzert begeistert war, müsste von besseren Livebands geradezu überwältigt sein.

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