Der Heidelberger Rap-Pionier Torch im Gespräch mit Falk Schacht bei dem von ihm gemeinsam mit Andreas Margara konzipierten Hip-Hop Symposium an der Popakademie Mannheim Fotostrecke starten

Der Heidelberger Rap-Pionier Torch im Gespräch mit Falk Schacht bei dem von ihm gemeinsam mit Andreas Margara konzipierten Hip-Hop Symposium an der Popakademie Mannheim © Arthur Bauer

Immer mehr Künstler und Fans betonen die herausragende Rolle Heidelbergs für die Entstehung des deutschen Hip-Hops. 2019 feiert auch das bedeutende Plattenlabel 360° Records 25-jähriges Jubiläum. Daher wird es Zeit, dass sich auch die Stadt Heidelberg zum Erbe ihrer Hip-Hop-Pioniere bekennt und sie öffentlich würdigt – beispielsweise durch ein Hip-Hop-Museum.

Ein Blick auf die deutschen Charts verrät: Der Siegeszug des deutschen Hip-Hops scheint unaufhaltsam. Für seine Entstehung in den 1990er Jahren spielte Heidelberg eine zentrale Rolle.

Hip-Hop-Pioniere

Damals befand sich das Zentrum des deutschen Hip-Hops in Südwestdeutschland. Während den Fantastischen Vier aus Stuttgart der Durchbruch in den Mainstream gelang, bezogen Hip-Hop-Künstler aus Heidelberg Stellung gegen Rassismus und thematisierten fehlende Akzeptanz von Migranten in Deutschland.

Advanced Chemistry hieß die Gruppe um Toni-L, Linguist und Torch, die mit Songs wie „Fremd im eigenen Land“ maßgeblich dazu beitrug, den US-amerikanischen Conscious Rap auf Deutsch zu etablieren. Dass ihre Themen heute genauso aktuell sind wie damals, muss eigentlich nicht betont werden.

Lebendiges Erbe

Ihr Erbe ist nach wie vor lebendig. Das zeigt sich daran, dass die Beginner ihr Comeback-Album nach der Heidelberger Gruppe benannten. Im vergangenen Jahr widmete sich ein Hip-Hop-Symposium an der Popakademie in Mannheim den Heidelberger Wurzeln des deutschen Hip-Hops. Mit dabei waren neben Torch als Mit-Organisator auch Samy Deluxe und Jan Delay.

Ihre Platten veröffentlichten Advanced Chemistry ab 1994 auf dem von ihnen mitbegründeten 360°-Label. 2019 feiert das Label sein 25-jähriges Bestehen mit einer Party in der halle02, bei der nicht weniger als 25 Künstler auftreten werden, u.a. natürlich auch Toni-L, der 2019 seinen 50. Geburtstag feiert.

Dauerhaft gesichert

Zu diesen Jubiläen passt, dass der Heidelberger Stadtrat vor einigen Monaten beschlossen hat, das Stadtarchiv mit Finanzmitteln in Höhe von 20.000 Euro auszustatten, um eine große Zahl Gegenstände aus dem Besitz von Torch und Toni L zu archivieren.

Dabei handelt es sich um Songtexte, Fotos, Tourbücher, Plakate, Graffiti-Skizzen und Gemälde, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel sowie um eine große Menge von Audio- und Videomaterial.

Dieser Beschluss ist außerordentlich begrüßenswert, sichert er doch die professionelle Aufbereitung und damit das Überleben oft einzigartiger Quellen aus der Gründerzeit des Heidelberger Hip-Hops. Die entscheidende Frage lautet jedoch: Reicht das?

Ein Zentrum für die Hip-Hop-Kultur

Es ist ohne Frage positiv, dass Forscher und die interessierte Öffentlichkeit im Stadtarchiv zur Geschichte des Heidelberger Hip-Hops recherchieren können. Noch weitaus besser wäre es jedoch, dieses gesammelte Wissen einer weitaus größeren Öffentlichkeit zu vermitteln, beispielsweise im Rahmen eines Hip-Hop-Museums.

Ein solches Hip-Hop-Museum könnte mit Ausstellungen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen die Entstehung und Wirkung des Heidelberger Hip-Hops thematisieren. Vor allem aber könnte es als lebendiges Zentrum der Heidelberger Hip-Hop-Kultur dienen, da es sowohl Konzerten, Workshops und Diskussionsrunden als auch Formaten der Jugendarbeit einen Ort bieten könnte.

Auf diese Weise könnte das Hip-Hop-Museum Vergangenheit und Gegenwart verbinden und weitaus mehr sein als eine Institution, die ausschließlich zurückblickt. Es könnte ein Ort entstehen, an dem die Jugend von gestern und die Jugend von heute zusammenfinden – und möglicherweise feststellen, dass sie viele Gemeinsamkeiten haben.

Chance nutzen

Ein Hip-Hop-Museum könnte auch dazu dienen, das bisweilen etwas angestaubt wirkende Image der UNESCO City of Literature zu modernisieren. Bislang orientiert sich die Stadt Heidelberg sehr stark an der Hochkultur vergangener Jahrhunderte.

In Zeiten, in denen Bob Dylan den Literaturnobelpreis gewinnt, lohnt es sich aber darüber nachzudenken, ob nicht auch lohnenswert wäre, Hip-Hop-Lyrics als Literatur zu begreifen und auf diesem Weg Menschen anzusprechen, die ansonsten mit kulturellen Angeboten schwer zu erreichen sind.

Selbstverständlich muss ein solches Museum angemessen finanziert und an einem passenden Ort errichtet werden. Die Stadt Heidelberg hat aber jetzt die Chance, ihr Hip-Hop-Erbe auf ein solides Fundament zu stellen. Diese Gelegenheit sollte sie sich nicht entgehen lassen!