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Metallica, live in Hamburg, 2023 © Falk Simon

Beim zweiten der Doppelkonzerte im Hamburger Volksparkstadion beweisen Metallica, dass sie immer noch eine ungezähmte Bestie sind, die bei den zehntausenden Besuchern für fast grenzenlose Euphorie sorgen.

Im 43. Jahr ihrer Bandgeschichte touren Metallica mal wieder um die Welt, um ihr aktuelles Album "72 Seasons" zu promoten.

Dafür haben sich die Kalifornier gleich mehrere Besonderheiten einfallen lassen: 1. Sie spielen auf einer runden Bühne in der Stadionmitte. 2. Jede Stadt auf der Reiseroute wird an zwei Abenden bespielt und 3. Die Setlist wird an beiden Abenden keine Dopplungen haben. "No Repeat Weekend" nennen Frontmann James Hetflied & Co. diese Tour daher auch.

Vorteile und Nachteile

Besonderheit 1 hat Vor- wie Nachteile: Einerseits schaffen es die Bandmitglieder, jede Ecke des Stadions zu bespielen und (temporäre) Nähe zu allen Teilen des Publikums herzustellen. Sie wechseln permanent die Position, schauen mal ins weite Rund, dann in den Inner Circle, wo sich die Die Hard-Fans versammelt haben.

Andererseits geht aber auch das Bandgefühl verloren und immer wieder mal sieht man die Musiker nur von hinten und muss den Blick auf eine der acht gigantischen Videotürme lenken, um mitzubekommen, was auf der Bühne passiert. Das wiederum klappt erstaunlich gut, weil die Kamera-Crew einen exzellenten Job macht.

Einmarsch der Gladiatoren

Das Konzept der wiederholungsfreien Setlists dagegen funktioniert einwandfrei. Beim ersten Hamburg-Konzert Freitag hatten Metallica bereits neben Klassikern wie "Creeping Death", "Battery", "One" oder "Enter Sandman" eher selten Gespieltes wie "The Call of Ktulu" oder "Leper Messiah" gespielt.

Entsprechend gespannt waren die gut 50.00 Fans, welche Songs die Band nun am zweiten Abend auspacken würde. Nach dem obligatorischen Intro von Band ("It’s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock’n’Roll)" von AC/DC sowie "The Ecstasy of Gold" von Ennio Morricone), zu dem Hetfield, Hammett, Ulrich und Trujilo wie Gladiatoren die Manege betreten, startet die Band mit einem fulminanten "For Whom The Bell Tolls".

Das Publikum ist sofort da, streckt die Fäuste in die Luft und gibt den Chor. Schon beim ersten Song wird klar: Es wird ein intensiver Abend. Hetfield, der erstaunlich gut bei Stimme ist, führt das Quartett, das bei aller Erfahrung und fortgeschrittenem Alter immer noch Momente vollkommener Zügellosigkeit und Unkontrollierbarkeit hat. Wenn Metallica einmal rollen, stellt man sich ihnen besser nicht in den Weg.

Euphorie auf den Rängen

Als zweiter Track folgt ein bretthart gespieltes "Ride The Lightning", bevor mit "Through The Never" sogar ein Tour-Debüt folgt. Insgesamt spielt die Band aus Los Angeles 16 Songs (wie an jedem Abend bislang). "Screaming Suicide" hat schon jetzt den Charakter eines Band-Klassikers hat und entsprechend auch so gefeiert.

"Fade To Black", für das Hetfield zu Beginn die akustische Gitarre auspackt, sorgt für viele feuchte Augen im Publikum, weil Metallica ihn immer noch spielen, als ginge es um alles. "I still love that song. It’s from 1984. Seems like a hundred years ago", sagt Hetfield.

Unverwechselbarer Sound

Ebenso euphorisch empfangen wird der Dreierblock aus dem elegischen "Orion", "Nothing Else Matters" sowie "Sad But True". In letzterem wird einmal mehr die Klasse von Kirk Hammett deutlich. Der Lockenkopf spielt noch immer mit einer Mischung aus giftiger Aggressivität und zerbrechlichem Gefühl, die ihn unverwechselbar macht. Sein scherzhafter Kurz-Versuch an den Drums in einer Umbaupause zeigt, dass sein Talent sich auf die sechs Saiten konzentriert.

Und dann ein paar Worte zu Lars Ulrich: Der Mann ist ein Phänomen. Sein Spiel ist schwerfällig, unorthodox. Immer wieder entsteht der Eindruck, er verpasse Zählzeiten und hinke dem Rest der Band hinterher. Doch er spielt dies mit einer konsequenten Beharrlichkeit, dass schnell klar wird: Nur so kann diese Schwere der Songs entstehen.

Besuch im Miniatur Wunderland

Im Umgang miteinander wirkt die Band extrem gefestigt und entspannt. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass sie am freien Vortag gemeinsam das Miniatur Wunderland besucht haben oder aber eben daran, dass 42 Jahre inklusive aller Höhen und Tiefen einer Bandgeschichte einfach trotz aller gut dokumentierten Probleme eng zusammenschweißen.

Das Konzert in Hamburg endet mit "Blackened", "Fuel" sowie der Doppelspitze aus "Seek & Destroy" und "Master of Puppets", ihrem Opus Magnum, hier und heute extraschnell und extrahart gespielt. Noch einmal hallt Hammetts fantastischer Gitarrensound durch die inzwischen dunkle Nacht.

Danach folgen frenetischer Jubel im weiten Rund und eine überglückliche Band, die beim Abgang aus dem Stadion viele Hände schüttelt, Kussmünder verteilt, Autogramme gibt und für Fotos posiert. Metallica sind auch 2023 noch eine Attraktion. Eine ungezähmte Bestie, die in Würde altert. Stark!       

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