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Amy Macdonald bei der Night of the Proms in Hamburg, 2022 © Falk Simon

Nach zwei Jahren Zwangspause ist die beliebte Konzertreihe Night of the Proms wieder da. Die Show 2022 ist kurzweilig und hat einige Höhepunkte. Im Mittelpunkt steht dennoch ein Künstler, der leider nicht mehr da ist.

Die traurige Nachricht, die alle Fans der Night of the Proms mitten in der Pandemie erschüttert hat, war der unerwartete Tod von John Miles im Dezember 2021. Die Frage für die Konzerteihe 2022 ist also, wie man diesen Schock gemeinsam mit dem treuen Publikum verarbeiten kann.

Treu geblieben sind auf jeden Fall die Fans in Mannheim. Tausende Fans haben ihre Karten von 2020 behalten, die SAP Arena ist bis auf einige Plätze im Oberrang voll. Für den Abend gilt laut Moderator Markus Othmer auch nur eine 3G-Regel: gut gelaunte Gäste.

Klassik und Jazz-Pop

Die Ouvertüre ist eine Kombination des wie immer phänomenal aufspielenden Antwerp Phiharmonic Orchestra mit dem Chor Fine Fleur. Dem folgt der "Ungarische Tanz Nr. 5" von Johannes Brahms. Dabei steuert Dirigentin Alexandra Arrieche nicht nur das Orchester, sondern bindet das Publikum bei den Tempowechseln in den schnellen Teilen als Klatschchor mit ein.

Das so angeheizte Publikum wird sogleich von der bestens gelaunten Saxofonistin YolanDa Brown weiter in Stimmung gebracht. Ihre Jazz-Version von "How Deep Is Your Love" wird stimmlich vertont von den drei hervorragenden Backing-Vocals Michelle, Julia und Rob.

Pop-Vielfalt

Ein wenig eingeschränkt bleibt leider der Showteil von Matt Simons. Der vielseitige Musiker, der 2016 ein Riesenkonzert beim SWR3 New Pop Festival hingelegt hat, kann in nur drei Songs nur einen Bruchteil seiner enormen Fähigkeiten zeigen.

Der Rhythmus des groovenden "We Can Do Better" wird laut mitgeklatscht. Die einfühlsame Ballade "After The Landslide" spielt er am Piano, unterstützt von den Streichern des Orchesters, die dem Song einen wunderbar opulenten Rahmen geben. Das Publikum geht aber erst beim Ohrwurmhit "Catch & Release" so richtig ab.

Zwischendurch darf das Publikum Walzer tanzen im Innenraum zum Klassiker "An der schönen blauen Donau" von Johann Strauss (Sohn). Schwungvoll weiter geht es mit dem ersten Auftritt von Nik Kershaw, der "The Riddle" mit tatkräftiger Unterstützung des Orchesters darbietet.

Für beeindruckende Stimmpower sorgt anschließend Carol Decker, die Stimme von T'Pau. Dem kraftvoll gesungenen "Valentine" folgt der große Hit "China In Your Hand". Als Unterstützung wird die Stimmung noch weiter angeheizt von YolanDa Brown, die dem Song mit ihrem Saxophon noch mehr Druck verleiht.

Ein unvergesslicher Moment

YolanDa Brown bleibt auf der Bühne und interpretiert zwei weitere Hits. Auf das coole und energetische "Ranglin On Bond Street" folgt der funkige Bob Marley Hit "Is This Love" Beide Hits werden ebenso laut beklatscht wie der "Superman March" des Orchesters nach John Williams.

Dann kommt der Moment, der für immer in Erinnerung bleiben wird. Moderator Markus Othmer spricht berührende Worte der Trauer über John Miles. Zu seinen Ehren hat das Produktionsteam zunächst aus einer alten Live-Performance von "My Way" die Stimme von John Miles isoliert. Zu seiner Stimme spielt das Orchester und die Lichter tanzen in der ganzen Arena.

Noch dramatischer ist die Ankündigung von John Miles Junior. Sein Sohn ist da, der auch Musiker ist. Er setzt sich an den weißen Flügel, an dem sonst sein Vater gesesssen hat. Schon mit den ersten Tönen von "Music" steht das komplette Publikum in der Arena. Den Gesang übernehmen die drei Back-Vocals. Es ist ergreifend, viele Tränen fließen. 

Gern gesehene Gäste

Nach der Pause wird es lustig zur Musik "Die Diebische Elster". Dafür sorgt wie immer Percussionist Patrick de Smet, der wieder einen Riesenklamauk veranstaltet. Erst sorgt er für Späße oben, dann rennt er runter und dirigiert das Publikum zum Mitklatschen mit dem Klöppel – bis er von Dirigentin Alexandra Arrieche die Rote Karte gezeigt bekommt. 

Für die nächste Sängerin gilt der Satz: Gern gesehene Gäste dürfen wiederkommen. Amy Macdonald hat schon 2013 das Publikum bei der Night Of The Proms begeistert. Kaum setzt sie an zu "Mr. Rock & Roll", stehen auch schon zahllose Fans und tanzen ausgelassen zu diesem energetischen Hit.

Auf die kraftvoll gesungene Ballade "Down By The Water" folgt ihr bekanntester Hit "This Is The Life", der wieder unzählige ihrer Fans in der Arena mitreißt. Sie wird stürmisch beklatscht und verabschiedet.

Rock-Power

Nach der "Bacarolle" des Orchesters und des Chors Fine Fleur kommt Carol Decker zurück. Mit großer Stimme singt sie den Power-Rock von "Heart & Soul". Dem folgt ein visuelles Spektakel zur Europahymne, der 9. Sinfonie von Beethoven. In Dunkelheit spielt das Orchester die Sinfonie mit beleuchteten Geigenbögen, während Alexandra Arrieche mit Leuchtstäben dirigiert.

Als Nik Kershaw die Bühne betritt, laufen viele Zuschauer zur Bühne. Der griffige Rock von "Wouldn't It Be Good" heizt mächtig ein, das Publikum klatscht laut mit. Ebenso enthusiastisch mitgefeiert wird auch "I Won't Let The Sun Go Down On Me", bei dem Nik Kershaw vor allem mit seinen Gitarreneinlagen glänzt. Der Gefangenenchor von Nabucco ist mit "Va Pensiero" ein letztes alleiniges Ausrufezeichen von Orchester und Chor.

Funky-Groove

Den fulminanten Schlusspunkt setzen Kool & The Gang. Sie fahren zu den letzten Tönen des Chors aus dem Boden hoch und heizen dem Publikum mit der funkigen Mitsing-Hymne "Cherish" gleich richtig ein. Mit gewaltigem Soul-Groove singen sie "Ladies Night" und das tanzbare "Get Down On It" ist einfach nur Party-Feeling. Dieser Song wird zelebriert und gemeinsam mit der ekstatisch gefeierten YolanDa Brown kommt es zum doppelten Saxophon-Solo. 

Das große Finale mit allen Künstlern könnte nicht besser passen mit dem Hit "Celebration". Eine großartige Darbietung zum Abschluss eines gelungenen Abends. Ein Abend mit einem ebenso traurigen wie hochemotionalen Moment. Eine Show ohne erkennbaren Ausfall, die auch stimmungsmäßig konstant besser ist als die letzte Show 2019.

Setlist:

Ouvertüre / Ungarischer Tanz Nr. 5 / How Deep Is Your Love / We Can Do Better / After The Landslide / Catch & Release / An der schönen blauen Donau / The Riddle / Valentine / China In Your Hand / Ranglin On Bond Street / Is This Love / Superman March / My Way / Music

Die diebische Elster / Mr. Rock 'n' Roll / Down By The Water / This Is The Life / Bacarolle / Heart & Soul / 9. Sinfonie (Europahymne) / Wouldn't It Be Good / I Won't Let The Sun Go Down On Me / Va Pensiero (Gefangenenchor aus Nabucco) / Cherish / Ladies Night / Get Down On it / Celebration

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