© Peter Detje

Das ausverkaufte Hurricane Festival 2022 sorgt nicht nur für zahlreiche Gänsehautmomente, sondern zeigt auch, wie sehr die Fans nach zwei Jahren Pause jeden Moment genießen – auch bei Temperaturen von über 30 Grad.

Da der Donnerstag in diesem Jahr auf einen Feiertag fällt, reisten fast alle Fans sehr früh an. Der Zeltplatz war bereits um 12 Mittags rappelvoll und die ersten Partys stiegen. Die anfängliche Enttäuschung, dass das Veranstalter-Team sehr spontan kommuniziert hatte, dass man in diesem Jahr auf einen Supermarkt auf dem Campinggelände verzichten muss, war recht schnell verflogen, da sich die Leute lieber dazu entschieden zu feiern, anstatt Trübsal zu blasen.

Das traditionell regnerische Hurricane-Wetter wurde vor allem von Donnerstag bis Samstag durch knallige Sonne und hochsommerliche Temperaturen ersetzt. Das Motto lautete also "eincremen, eincremen, eincremen…" und ohne Ende Spaß haben. Da macht auch der Staub kaum noch was aus, der einige vermutlich sehr überrascht hat.

Was für eine Party

Die Zeltplatzbühne, die bereits am Donnerstag zu Acts wie Alex Mofa Gang oder Sondaschule einlud, platzte aus allen Nähten, als am späten Abend die Warm-Up-Party losging. Vor allem Sondaschule rissen die Bühne komplett ab und sorgten dafür, dass die Euphorie kein Ende nehmen wollte.

Allgemein muss man lange zurückdenken, um ein ähnlich feierwütiges Publikum zu finden. Egal ob in der Toilettenschlange, den großen Zeltlandschaften oder auf den Herrenduschen: alle sind am Tanzen, singen und abgehen. Und dabei hat das eigentliche Programm ja noch gar nicht begonnen…

Gigantische Hits

Das Programm am Freitag richtet sich vor allem auf drei Acts aus: Seeed, Martin Garrix und The Killers. Letztere sorgen beim Beginn ihres Sets für einen der besten Momente, die das Hurricane je gesehen hat. Ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren, stürmt Sänger Brandon Flowers auf die Main-Stage und seine Band startet mit keinem geringeren Song als "Mr. Brightside" ins Konzert.

Was ohnehin schon eines der ikonischsten Lieder der Welt ist, kommt hier einfach nur magisch. Auch danach machen die Killers keine Gefangenen. Alle Hits wie "Somebody Told Me", "Spaceman" oder "Human" werden in den ersten 20 Minuten abgeschossen. Das Publikum kann kaum fassen, was hier passiert. Parallel nehmen SDP die River Stage komplett auseinander und vor allem das jüngere Publikum feiert ein absolut denkwürdiges Fest.

Zwei Männer dominieren die Bühnen

Die beste Performance des Freitags geht aber dennoch an den Headliner: was Seeed auf der Hauptbühne veranstalten, gehört definitiv zu den besten Konzerten, die Scheeßel in den letzten Jahren gesehen hat.

Peter Fox hat eine sensationelle Ausstrahlung auf der Bühne und nimmt jeden einzelnen Zuschauer mit. Zusammen mit seiner Riesen-Band spielt er Hit um Hit, die alle im Schlaf mitsingen können. Als er dann noch seine legendären Solo-Hits "Schwarz zu blau" und "Alles neu" rausholt, wird jedem klar, dass das hier etwas ganz Besonderes ist.

Den Abschluss des ersten Tages bildet dann der Auftritt von Martin Garrix. Mit einer riesigen Pyro- und Feuershow kommt der Niederländer auf die Bühne und bringt mit seinen melodiösen Beats jeden zum Tanzen.

Untermalt wird dieses Spektakel von einer fetten Lasershow, die jedem mindestens ein Mal eine Gänsehaut verpasst. Das Finale seiner Show ist dann wieder von gigantischen Feuersäulen und Feuerwerk-Choreos geprägt, die alle mit einem strahlenden Gesicht auf den Zeltplatz schicken. Dort geht die Party weiter, bis die ersten Sonnenstrahlen den Tag erblicken.

Ein heißer Samstag

Seit den frühen Morgenstunden steht am Samstag die Sonne über Scheeßel und knallt 80.000 Menschen mit über 30 Grad auf den Kopf. Viele lassen es daher erstmal etwas ruhiger angehen und trinken ihr Bier lieber in Ruhe unterm Pavillon anstatt beim schattenfreien Flunkyball.

Die Ruhe wehrt jedoch nur kurz, denn bereits am frühen Nachmittag steht ein großes Highlight an: Bad Religion auf der Forrest Stage. Die vermutlich legendärste Punkband der Welt feiert momentan ihr 42-jähriges Jubiläum und hat dabei mehr Energie und Spaß auf der Bühne als so gut wie jede junge Band. Trotz der Hitze und dem extrem staubigen Boden starten unzählige Menschen einen riesigen Pogo und wirbeln ordentlich Dreck auf.

Spätestens als Sänger Greg Graffin den legendären "Punkrock Song" anstimmt, gibt es kein Halten mehr und jeder Fan gibt alles. "21st Century Digital Boy" und "American Jesus" runden das Set dann ab und machen allen klar, dass es an Bad Religion auch nach 42 Jahren kein Vorbeikommen gibt, wenn es um richtig gute Konzerte geht. Die beste Show des Samstags.

Musikalische Vielfalt

Nach diesem Spektakel müssen sich viele erstmal abkühlen. Zum Glück ist die Badeanstalt dieses Jahr erneut top organisiert und die Veranstalter haben für genug Wasserstellen auf dem Gelände gesorgt. Zusätzlich gibt es eine exzellente Essens- und Fahrgeschäfteauswahl, durch die jeder auf seine Kosten kommt.

Bei den Konzerten drücken sich dann vor allem die großen Hit-Schreiber die Klinke in die Hand. Juju sorgt mit "Vermissen" für viele feuchte Augen, während Mando Diao mit dem Riesensong "Dance With Somebody" zahlreiche Moshpits anzetteln. Die Stimmung an diesem Samstag ist wahnsinnig überschwänglich und toll. Jeder freut sich, nach der langen Corona-Pause wieder da zu sein und genießt einfach nur die schöne Zeit.

Mal besser, mal schlechter

K.I.Z. liefern als Quasi-Headliner eine starke Performance. Alle Hits werden gespielt und das Publikum geht in der untergehenden Sonne ab – ein absolut phänomenales Bild. Noch spektakulärer wird es dann wie gewohnt bei Deichkind. Die berühmte Lasershow kommt genauso gut an wie die Hits "Leider geil" und "Remmidemmi". Leider muss die Show zwischenzeitlich unterbrochen werden, da es an einigen Stellen vor der Bühne deutlich zu voll wurde und sich viel zu viele Menschen auf viel zu kleinem Raum aufhielten.

Nachdem mehrfach darum gebeten wurde, sich etwas zu verteilen, wurde dann die Show fortgesetzt und sicher zu Ende gebracht. Bei Kitschkrieg, die die Mountain Stage schlossen, konnte so etwas nicht passieren. Die ziemlich uninspirierende Show des Producerteams fällt vor allem durch fehlende Rapper und gelangweilte Ansagen auf. Viele Fans, die sich eigentlich auf die großen Hits gefreut haben, zieht es daher schon weit vor Showende in die Zelte. Dennoch war es ein absolut fantastischer Tag.

Entspannter Sonntag

Nach drei Tagen voller Party und Hitze lassen es viele am Sonntag ruhig angehen. Der größte Segen ist vermutlich der kurze Regenschauer am frühen Nachmittag, der viele Staublungen etwas entspannt. Und auch wenn sich viele innerlich schon auf die Heimreise vorbereiten, gibt es auch am letzten Tag noch einiges zu sehen.

Den Anfang macht Nura mit einer starken Show auf der Mountain Stage. Alice Merton haut im Anschluss ihre großen Hits wie "No Roots" raus und Blond spielen einen hervorragenden Auftritt auf der Zeltplatzbühne. Der gehypteste Song des Tages geht danach definitiv an "Dance Monkey" von Tones and I. Zwar ist die Show davon abgesehen eher unspektakulär, aber alleine für diesen Riesen-Song war es den Besuch bei der jungen Australierin wert.

Den Rest des Sonntags ist die Qualität der Auftritte weiterhin sehr hoch. Egal ob Frittenbude, Thees Uhlmann oder The Hives: sie alle liefern und machen den Sonntag zu einem entspannten Tag der schönen Musik.

Hinten raus wird es mit Rise Against und Kings of Leon aber auch nochmal laut und wild. Erstere liefern eine starke Punkrock-Show ab, bei der die Crowd nochmal ihre letzten Kraftreserven für zahlreiche Moshpits mobilisiert. Die Kings of Leon schließen danach mit dem Übersong "Sex On Fire" den Laden und schicken alle Fans mit einem der größten Rock-Ohrwürmer aller Zeiten nach Hause.

Endlich wieder Party, endlich wieder Hurricane 

Man kann es nicht anders beschreiben: das Hurricane 2022 war die ausgelassenste Party, die Norddeuschland seit vielen Jahren gesehen hat. Ob es an der langen Pause, dem tollen Wetter oder den starken Bands lag, ist nicht so leicht zu definieren.

Vermutlich hat dieser Mix dafür gesorgt, dass so laut, aber auch so friedlich und freundschaftlich gefeiert wurde, dass vermutlich kein Fan eine schlechte Zeit hatte. Die tadellose Organisation tat ihr Übriges und trotzt fehlenden Supermarkt und tropischer Hitze hatten alle eine tolle Zeit. Danke Hurricane, bis zum nächsten Jahr!

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