Impressionen (Southside, 2023)

Impressionen (Southside, 2023) © Frederic Hafner

Die Vorzeichen für das Southside 2023 hätten nicht besser sein können. Bestes Wetter, ein klasse Line-Up und tausende feierwütige Fans hatten sich angekündigt. Dass diese Erwartungen jedoch bei weitem überboten werden konnten, damit hätte wohl niemand gerechnet. Es war ein Wochenende für die Ewigkeit.

Die Vorfreude auf das Festival war riesig. Schon am Donnerstagmorgen bildeten sich lange Schlangen bei den Einlässen zum Zeltplatz. Und schon hier wurde klar, dass die Stimmung beim Camping bombastisch werden sollte. Teilweise wurden von einigen Gästen ganze Holzgebäude gebaut, in denen dann gefeiert, getrunken und entspannt wurde.

Auch das Warm-Up-Programm hatte es in sich. Neben den Partykanonen von Schmutzki sorgten vor allem Frittenbude kurz vor Mitternacht für eine gigantische Feier. Der Auftakt in drei Tage Ekstase war also gelungen.

Bestes Wetter

Temperaturen bis 25 Grad und kein Regen: das ist ja quasi die Top-Voraussetzung, um ein tolles Festival zu erleben. Genau dieses Wetter blieb über das ganze Wochenende erhalten. Die meisten Fans wussten das umso mehr zu schätzen, nachdem das Southside in der Vergangenheit ja bereits das ein oder andere Mal baden gegangen war.

Als dann am frühen Freitag-Nachmittag die Konzerte starteten, war der Weg ins perfekte Wochenende endgültig frei. Den Auftakt machten u.a. Akne Kid Joe. Für viele immer noch ein Geheimtipp, wurden sie hier spätestens nach dem Heiligsprechen von Bela B später am Abend zu einer der besten Bands des Freitags.

Mit Betontod ging auf der großen Green Stage die Punkrockparty unterdessen nicht weniger wild weiter. Die erste echte Eskalation gab es jedoch um 17:15 Uhr auf der Red Stage.

Dem Hype gerecht

Wenn eine Künstlerin in den letzten 12 Monaten nicht zu übersehen war, dann war es Nina Chuba. Die Wildberry Lillet-Fans sind mittlerweile nicht nur überall im Land verteilt sondern auch beim Southside gut vertreten. Schon vor dem Start platzt das Feld vor der Red Stage aus allen Nähten und jeder weiß, dass es gleich richtig rundgehen wird.

"Mangos mit Chillis als Opener und kurz danach direkt "Ich hass dich": jede einzelne Person auf dem Gelände ist komplett am durchdrehen und Nina Chuba sorgt mit ihrer überragenden Art auf der Bühne für pures Entertainment. Dass danach tausende Fans "Wildberry Lillet" Wort für Wort mitsingen, überrascht niemanden.

Gute Organisation

In den darauffolgenden Stunden erkunden viele das Gelände. Zwar sind die Speisen sehr teuer, abgesehen von ein paar Bierständen geht es mit der Bestellung jedoch schnell voran. Einzig bei der Belegung der Bühnen hätte man hier und da etwas präziser sein können.

Während die Red Stage für Nina Chuba schon viel zu klein, dafür jedoch wenigstens Open Air ist, wurde es spätestens bei Edwin Rosen im Zelt der White Stage richtig eng. Schon nach wenigen Minuten wurde niemand mehr reingelassen und hunderte Fans gucken die Show auf dem nahezu tonlosen Außenmonitor. Ihn hätte man auf jeden Fall auch auf einer größeren Bühne unterbringen können.

Highlights über Highlights

Das Abendprogramm war dann von Highlights gesegnet. Während Queens of the Stone Age fast schon die langweiligste große Band war, war die Stimmung ein den englischen Superstars von The 1975 geradezu magisch.

Zwar wirkte der Sänger Matthew Healy etwas betüddelt und war spätestens nach ein paar technischen Problemen richtig sauer, die Fans machten die Indie-Pop-Show jedoch zu etwas ganz besonderem. Jeder Song wurde lauthals mitgesungen und alle waren außnahmslos am tanzen.

Zeit für den Headliner

Dass die meisten Fans an diesem Wochenende vor allem wegen den Ärzten da sind, wurde nicht nur an den tausenden T-Shirts deutlich, sondern vor allem am Andrang vor der Green Stage. Bereits eine Stunde vor Beginn gab es bis nach hinten kein Durchkommen mehr.

Die Show begann dann mit einem Hit-Feuerwerk. Mit "Westerland" einzusteigen, ist vermutlich einer der krassesten Moves, den man machen kann. In der ersten Hälfte kamen dann u.a. "Lasse redn", "Hurra" oder "Deine Schuld". Es ist einfach faszinierend, wie viele bekannte Songs die Ärzte über die 41 Jahre geschrieben haben, die alle mitsingen können.

Ein Song fehlt

Natürlich darf auch das Ärzte-typische Gequatsche zwischen den Songs nicht fehlen. Während man bei eigenen Shows jedoch so viel Zeit hat, wie man will, müssen sich auch Die Ärzte bei einem Festival wie dem Southside an die Zeitvorgabe von zwei Stunden halten. Leider hatte man am Ende das Gefühl, dass sich Bela B und Farin Urlaub dermaßen verquatscht haben, dass sie keine Zeit mehr für den klassischen Abschiedssong "Zu spät" hatten.

Naja, wenigstens waren mit "Schrei nach Liebe", "Junge" und natürlich "Dauerwelle vs. Minipli" fast alle anderen relevanten Songs am Start. Insgesamt waren Die Ärzte ein toller Headliner, der die Fans entweder zur recht durchwachsenen Placebo-Show oder in eine nicht enden wollende Partynacht auf den Zeltplätzen entließ.

Tanzen in der Sonne

Zwar war die Nacht nicht unbedingt die wärmste, dennoch ließen sich nur die wenigsten vom Feiern abhalten. Dass am nächsten Morgen direkt wieder die Sonne schien, sorgte jedoch dafür, dass die Party einfach weiterging.

Das erste große Highlight am Samstag wurde von vielen Fans dann um 13:30 auf der Blue Stage genossen. Domiziana, deren Songs man vor allem aufgrund zahlloser viraler TikToks kennt, nutze die 45 Minuten in der Sonne perfekt aus.Jedes einzelne Lied wurde mit großen Moshpits abgefeiert.

Selten hat man auf dem Southside erlebt, dass sich eine Dreiviertel-Stunde wie zehn Minuten angefühlt hat. Dass es danach viele zu den Duschen zog, um den aufgewirbelten Staub abzuwaschen, ist nur allzu verständlich.

Circle- und Moshpits

Aber auch die frischen Klamotten wurden direkt wieder eingestaubt. Zumindest bei allen, die die Punkrock-Party auf der Green Stage erlebten. Erst bei Sondaschule, spätestens jedoch bei den Donots wurde das komplette Infield dem Erdboden gleich gemacht. Und auch wenn die meisten die Band schon unzählige Male gesehen haben: die Donots sind immer eine Garantie für eine tolle Zeit – egal wo sie spielen.

Parallel sorgten Anti-Flag und The Interrupters dafür, dass die Punk-Sause nicht mehr endete, die größten Höhepunkte waren jedoch die Acts, die auf dem Line-Up ganz oben standen.

Überragende Headliner

Dass Peter Fox überhaupt nochmal solo zurück kommen würde, hielten die meisten vor vielen Jahren noch für absolut ausgeschlossen. Als er letztes Jahr jedoch für Hurricane und Southside angekündigt wurde, war klar, dass er ein riesiges Comeback feiern würde.

Seine Show war dabei gespickt von Highlights. Sowohl Hits wie "Schwarz zu Blau" oder "Zukunft Pink" als auch die dutzenden Fans, die Peter Fox von einem Podest auf der Bühne schauen durften, überzeugten.

Natürlich war das klare Highlight jedoch sein großes Finale mit "Alles neu". Auch wenn der Song schon viele Jahre alt ist: Zehntausenden Menschen dabei zuzugucken, wie sie eines der ikonischsten Lieder der letzten Jahrzehnte mitsingen, ist einfach nur atemberaubend. Da fiel es auch nicht allzu stark ins Gewicht, dass „Haus am See“ nicht gespielt wurde.

Immer weiter

Danach rissen Billy Talent die Green Stage endgültig ab. Hier wurde erneut klar, was eigentlich alle wissen: und zwar, dass die Kanadier eine der besten Live-Bands überhaupt sind und nicht umsonst in aller Regelmäßigkeit die besten Spots bei den ganz großen deutschen Festivals bekommen.

Neben der Klassikern "Red Flag", "Fallen Leaves" und "This Suffering" wurden auch ältere Fanlieblinge wie "This is how it goes" rausgehauen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es die vermutlich beste Show am Samstag. Die Krone musste sich jedoch geteilt werden.

Vorhang auf

Es hätte wohl keine bessere Besetzung für den Late Night Spot geben können als Kraftklub. Um 0:30 Uhr ging der große Vorhang auf und die Chemnitzer starteten mit "In meinem Kopf", "Fahr mit mir (4x4)" und "Unsere Fans" die letzte große Party des Tages. Die unzähligen Moshpits sprachen Bände dafür, welche Energie Kraftklub von der Bühne aus ins Publikum trägt.

Die abwechslungsreiche Show war sohl von witzigen Momenten wie dem Evergreen "500 K" als auch ernsteren Ansagen geprägt. Kraftklub haben hier allen gezeigt, dass sie mit Fug und Recht eine der größten deutschen Bands sind, die sich bei ihren Konzerten jedes Mal selbst übertrifft.

Neue Bands auschecken

Der Sonntag war dann der Tag der Geheimtipps. Bis zum Abend nutzen viele Fans die Chance, Bands kennenzulernen, die sie so vielleicht noch nicht auf dem Schirm hatten. Das ging von überragenden Punkbands wie Tyna bis hin zu My Ugly Clementine. Zweitere legten einen der sympathischsten und musikalisch coolsten Auftritte des Sonntags hin. Die Österreicherinnen spielten sich mit ihrer coolen Popmusik in die Herzen vieler neuer Fans, die man jetzt bestimmt auf der anstehenden Tour wiedersehen wird.

Danach sorgten sowohl Chvrches als auch The Lumineers für eine große Indie-Sause, bei der kein Tanzbein ruhig blieb. Aber auch Festival-Veteranen wie Madsen kreierten mit ihren Mega-Hits "Lass die Musik an" und "Du schreibst Geschichte" die perfekte Atmosphäre am frühen Abend.

Die beste Show am Sonntag

Rapfans waren währenddessen eher bei Rin oder Badmomzjay gut aufgehoben. Den wahre Höhepunkt des Sonntags, wenn nicht sogar des ganzen Wochenendes, startete um 21:30 Uhr jedoch ein Rapper auf der Blue Stage, der ein Konzert für die Ewigkeit spielte.

Es ist kein Geheimnis, dass Casper ein unglaublicher Performer ist. Genauso wenig wundert es einen, dass selbst Nicht-Fans fast alle Songs wie "Im Ascheregen", "Alles endet (aber nie die Musik)" oder natürlich "So perfekt" mitsingen können.

Die Produktion seiner Show toppte jedoch alles. Feuersäulen im Publikum, Bengalos auf der Bühne und ein großes Feuerwerk im Nachthimmel machten die pure Gänsehaut perfekt. Casper merkt man zu jeder Sekunde an, wie viel Spaß er auf der Bühne hat und was es ihm bedeutet, wenn die Fans mitsingen. Ganz klar der beste Auftritt am letzten Tag.

Das Finale

Nichtsdestotrotz sollte dies nicht darüber hinweg täuschen, dass der Headliner der Green Stage ebenfalls eine absolute Macht ist. Muse hatten mit einem gigantischen, beweglichen Samurai-Kopf nicht nur das coolste Bühnenbild, der Sound, den die drei Engländer produzieren, war einfach nur atemberaubend.

Man merkte, dass sich viele Fans dieses Spektakel nicht entgehen lassen wollten und eine der einmaligsten Produktionen der Welt live miterleben mussten. Spätestens bei "Supermassive Black Hole" war die Stimmung perfekt.

Bis zum nächsten Jahr

Danach verließen so gut wie alle Fans das Festivalgelände. Erschöpft nach vier Tagen im besten Wetter zogen Zehntausende Gäste müde, aber sehr zufrieden von Dannen und kehrten mit tollen Erinnerungen nach Hause zurück.

Was bleibt, ist ein überragendes Festival mit sensationellen Konzerten und sehr guter Organisation auf und neben dem Konzertgelände. Diese Shows wären jedoch nichts ohne die fantastischen Fans, die bis zum letzten Tag die Party des Jahres feierten. Southside, wir sehen uns nächstes Jahr!

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