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The War On Drugs (live in Wiesbaden, 2022) © Torsten Reitz

The War On Drugs besitzen die wunderbare Fähigkeit, mit ihren instrumentalen und gesanglichen Fähigkeit ein Publikum sprachlos zurückzulassen. Bei ihrem Auftritt im Schlachthof Wiesbaden gelingt ihnen meistens, aber nicht immer.

The War On Drugs nehmen in der aktuellen Musikszene eine Ausnahmestellung ein. Die Band um Mastermind Adam Granduciel vereint viele Talente. Granduciel ist sowohl ein herausragender Songwriter wie auch ein hervorragender Sänger, dessen Stimme gleichermaßen beruhigend wie mitreißend wirkt. 

Wirklich herausragend ist aber auch ihre Fähigkeit epische, aber durch und durch schlüssige Instrumentalpassagen zu komponieren oder diese aus ihren Songs zu entwickeln und doch den Fokus nie zu verlieren. Wer einmal in seinem Leben eine schlechte "Jam-Band" gehört hat, weiß, wie schwer das ist.

Von innen nach außen

In ihren besten Momenten erzeugt die Musik von The War On Drugs mit ihren hypnotischen Rhythmen einen mitreißenden Sog, der die Zuschauer im gut gefüllten Schlachthof in Wiesbaden ganz in ihren Bann schlägt. Dann kehrt die eigentlich introspektive Musik ihre Richtung um und entlädt sich nach außen.

Ein gutes Beispiel dafür ist "Red Eyes", einer ihrer schnelleren Songs und mit Abstand ihr populärstes Lied auf Spotify. Aus einem unscheinbaren Beginn entwickelt sich eine famose Steigerung, die von einem kleinen Schrei von Granduciel eingeleitet wird. Der Song kulminiert in Gitarrenkaskaden und Keyboardwänden und einem ekstatisch singenden Granduciel. 

Ein eigener Stil

Solche Höhepunkt gibt es einige an diesem Abend: "Pain" und "An Ocean in Between the Waves" sorgen mit ihrer Kombination aus gesanglicher und instrumentaler Klasse für frühe Höhepunkte im Set. Wenigen Bands gelingt es, Gesang und Instrumente so gut harmonieren zu lassen.

Sicher, The War On Drugs erinnern manchmal an Springsteen, an The Grateful Dead und andere US-Ikonen. Aber man wird ihnen nie vorwerfen können, diese nur zu kopieren. Die Band hat ihren ganz eigenen Sound, leidenschaftlich und doch zurückhaltend.

Wenige Tiefen, viele Höhen

Das heißt nicht, dass ihnen an diesem Abend in Wiesbaden alles gelingt. "I Don't Wanna Wait" vom neuen Album raubt der Show etwas die Dynamik, ebenso wie "Victim". Beide klingen flacher, weniger profund als die Klassiker der Band. Überraschend fällt auch "Thinking Of A Place" etwas ab, weil die Version an diesem Abend etwas disparat ist und in ihre Einzelteile zu zerfallen droht.

Das passiert der Band aber ansonsten nicht. Die neuen Stücke wie "I Don't Live Here Anymore" und "Occasional Rain" behaupten sich mühelos neben Klassikern wie "Strangest Thing", "Under The Pressure" oder "Eyes To The Wind". Schade nur, dass um 11 Uhr Schluss sein muss, die Band hätte noch länger gespielt.

Lang lebe Krautrock

The War On Drugs sind eine durch und durch amerikanische Band, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht auf vielfältige Einflüsse zurückgreifen. Ein Song auf ihrem aktuellen Album heißt "Harmonia's Dream" – ein Verweis auf die deutsche Krautrock-Band, die Adam Granduciel in Wiesbaden als seine Lieblingsband bezeichnet.

Die Reaktion des deutschen Publikums? Totales Schweigen. Selbst so musikaffine Zuschauer wie die Besucher einer War On Drugs-Show kennen entweder Harmonia nicht oder sind zu überrascht, um zu reagieren. Aber es zeigt wieder einmal, wie einflussreich Krautrock in der anglo-amerikanischen Musikwelt war und ist.

Reise durch amerikanische Musik

The War On Drugs haben von Krautrock vor allem die hypnotischen Rhythmen übernommen. "Harmonia's Dream" klingt daher auch so, als hätten Harmonia vor allem lange von den USA geträumt: von langen Autofahrten, endlosen Weizenfeldern und dem einen oder anderen Joint.

Bemerkenswerterweise wünschen sich manche Engländer, dass The War On Drugs eine Krautrock-Band wären. In Wirklichkeit funktioniert die Band ganz wunderbar, als das, was sie ist: eine lange Reise durch amerikanische Musik: It gets dark and then it gets light again.

Setlist

Old Skin / Pain / An Ocean in Between the Waves / I Don't Wanna Wait / Victim / Strangest Thing / Red Eyes / Living Proof / Harmonia's Dream / Disappearing / Change / Under the Pressure / I Don't Live Here Anymore / Eyes to the Wind / Occasional Rain / Thinking of a Place

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