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Godspeed You! Black Emperor (live in Frankfurt 2018) © Torsten Reitz

Zwei Stunden instrumentaler Post-Rock - kann das gutgehen? Die Antwort lautet ja! Godspeed You! Black Emperor spielen in der Batschkapp in Frankfurt ein mitreißendes, vielseitiges und abwechslungsreiches Konzert.

Godspeed You! Black Emperor eilt der Ruf als fantastische Liveband voraus und so überrascht es nicht, dass zahlreiche Fans in die Batschkapp strömen, um die Kanadier aus Montreal bei ihrem Auftritt zu erleben.

Eine kurze Umfrage vor dem Konzert macht klar: Selbst langjährige Fans haben die Band noch nie live erlebt – kein Wunder, sind ihre Deutschlandkonzerte doch rar gesät. Das liegt vielleicht auch an den nicht unbeträchtlichen Reisekosten. Schließlich tritt die Band in Frankfurt mit zwei Schlagzeugern, zwei Bassisten, drei Gitarristen, Cellist und Violinistin auf – später kommt auch noch eine Saxophonistin hinzu.

Differenzierter Klang

In dieser Besetzung könnten GYBE so laut sein wie die Swans – aber die Band entscheidet sich für einen anderen Weg. Während die Swans das Ziel verfolgen ihre Zuschauer mit purer Lautstärke in einen schwarzen Abgrund zu reißen (wem das zu negativ erscheint: ein so tiefer Fall kann sehr erhebend sein), entwickeln Godspeed You! Black Emperor ein monumentales, sinfonisches Klanggebäude, das neben sehr lauten auch leise Momente kennt.

Beeindruckend ist dabei vor allem, wie differenziert die Band dabei klingt und wie fantastisch die Musiker aufeinander abgestimmt sind. Ihre langen Kompositionen sind nie übermäßig ausufernd, sondern überraschend kohärent und schlüssig. Man kann sich sehr leicht vorstellen, dass instrumentale Rockmusik sich irgendwann im Kreis dreht, sich in Wiederholungen oder Exzessen verliert. 

Vielschichtig und schlüssig

Bei Godspeed You! Black Emperor ist nichts davon der Fall. Keine Sekunde des zweistündigen Konzerts ist langweilig – im Gegenteil, die Zuschauer werden mitgerissen und eingehüllt in die kollektive Klangwelt, die mal expansiv nach oben strebt und dann wieder auf dem Boden zu landen vermag. Ihre Post-Rock-Sinfonie fordert die Zuschauer, aber sie überfordert sie nicht.

Faszinierend ist auch, wie es der Band gelingt, die doch sehr unterschiedlichen Stücke zu einem schlüssigen Gesamtkunstwerk zu formen, obwohl die Musik aus verschiedenen Schaffensphasen der Band stammt. 

Der politische Aspekt

Während des Konzerts werfen vier analoge Filmprojektoren verschwommene Videos in Loops auf die Leinwand hinter der Bühne – natürlich in schwarz und weiß. Die Bilder deuten an, was Fans lange wissen: Obwohl GYBE ohne Worte auskommen, sind sie eine überaus politische Band.

Beim letzten Stück sind Ausschreitungen zwischen deutschen Polizisten und Demonstranten zu sehen. Stammen die Bilder vom letzten G 20-Gipfel in Hamburg oder aus den 1980ern? Die Verschwommenheit ist Programm: Alles verschwimmt, verschmilzt zu einer Gesamterfahrung, die ebenso akustische wie optische Elemente einschließt.

Allein die Musik

Man bemerkt als Zuschauer, wie man zeitweise in der Musik versinkt, dann wieder erwacht und den instrumentalen Strom auf neue Weise wahrnimmt. Godspeed You! Black Emperor sind live ein Erlebnis.

Wer allerdings auf Ansprachen von der Bühne steht, sollte kein Konzert dieser Band besuchen. Während des ganzen Abends richtet keiner der zahlreichen Musiker ein Wort an die Zuschauer, sogar ihre Blicke sind nur selten ins Publikum gerichtet.

Kein Anfang, kein Ende

So erscheint es logisch, dass auch die Verabschiedung stückchenweise erfolgt, als nacheinander Bandmitglieder die Bühne verlassen, während die Musik weiterdröhnt. Keine Chance, dass alle noch einmal zurückkehren, um sich den Applaus der Zuschauer abzuholen.

Auch das passt natürlich zur Musik der Band. Anfang, Ende – alles ist relativ. Wer weiß schon, wann ein Stück anfängt und wann es aufhört? In dieser Ungreifbarkeit liegt die Faszination der Musik von Godspeed You! Black Emperor.

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