Gisbert zu Knyphausen (live in Heidelberg, 2018)

Gisbert zu Knyphausen (live in Heidelberg, 2018) © Saron Duchardt

Der alte Knyphausen, der Studenten bei einem Glas Wein zum Philosophieren anregte, hat sich mit seinem neuen Album verabschiedet. In der halle02 in Heidelberg verzaubert aber auch der neue, ausgeglichene Gisbert zu Knyphausen sein Publikum.

Nach fünf Jahren Zurückgezogenheit genießt es Gisbert zu Knyphausen sichtlich wieder auf Tour zu sein. Nach einem vielseitigen Abend vor hingerissenem Publikum bedankt er sich mit den Worten "Schön, dass ihr wieder da seid – in meinem Leben" und einem zweiten Zugabenset.

Die sicherste Art zu reisen

Den Anfang macht Gisberts langjähriger Freund Wolfgang Müller. Die beiden waren schon gemeinsam auf Tour, als sie noch ganz am Anfang ihrer Musikerlaufbahnen standen und zusammen an dem Märchenprojekt "Es war einmal und wenn sie nicht" arbeiteten.

Zwei Jahre lang stand der Hamburger Singer-Songwriter schon nicht mehr auf einer Bühne. In intimer Duobesetzung eröffnet er nun den Abend unter anderem auch mit neuen Liedern seiner im April erscheinenden Platte "Die sicherste Art zu reisen".

Während der Titelsong des neuen Albums in eingängiger, fast schon "Volksliedmanier" von der Verblödung der Menschheit erzählt, erreicht er vor allem mit ehrlichen und zerbrechlichen Geschichten – wie wir sie auch von Gisbert zu Knyphausen kennen – das immer leiser schnatternde Publikum: "Wenn ich träume muss ich immer jemand' retten / in meinen Träumen bin ich immer fast zu spät".

Mit dem Luftschiff nach Hause 

Angenehm fließend, poppig und gefällig übernehmen Gisbert zu Knyphausen und seine fünfköpfige Band die Bühne. Ein harmonischer Start, der sofort Wohlfühlatmosphäre verbreitet und klar im Zeichen des neuen Albums "Das Licht dieser Welt" steht. 

Die warmen Klänge der gedämpften Posaune, die tief pulsierende Bassdrum und die schwebenden Melodien der Lapsteel-Gitarre bauen von Anfang an ein weiches Gerüst um den mit geschlossenen Augen singenden Poeten.

Das phantasieanregende Bühnenbild ist geprägt von den gezeichneten Motiven des Albumcovers in Bannerform und von golden reflektierenden Schlagzeug-Becken, die als Lampenschirme eingesetzt sind. In Kombination mit den fein gezeichneten und farbenreich erzählten Geschichten des Singer-Songwriters entsteht ein vielseitiges Bild der neuen Welt des Gisbert zu Knyphausen.

Trotzdem noch der Alte

Er ist noch immer ein "Freund von Klischees und funkelnden Sternen", der die ganz großen Gefühle mit schlichten Worten erfasst. Den Weg leidenschaftlicher Entschlossenheit, wie in den Kid Kopphausen Songs "Das Leichteste der Welt" oder "Hier bin ich", verlässt er aber in den ausgeglichenen Liedern des neuen Albums.

Dennoch erweckt es nicht den Eindruck, als würde er bei der Performance seiner alten Lieder sein altes Ich kopieren. Im Gegenteil, diese Momente reißen ihn und das Publikum aus dem Wohlfühlplüsch des Abends und wirken dadurch noch roher und intensiver als ohnehin.

Hin und wieder setzt er sich ans Piano, er erzählt vom Sterben und von neuem Leben, von Parkbank-Beobachtungen und von Einsamkeit: "Meine geliebten Erinnerungen, wo wollt ihr denn ohne mich hin?"

Jedem seine Zeit

Sieben Jahre mussten sich Gisbert-Fans gedulden, bis der 38-Jährige von und zu wieder bereit war, neue Geschichten mit ihnen zu teilen. Nach dem Tod seines Musikerkollegen und engen Freundes Nils Koppruch vor fünf Jahren hat er sich eine Auszeit genommen und nach einem Weg gesucht, wieder positive Lieder schreiben zu können. 

Das Resultat ist ein überraschend lebensbejahendes Pop-Album, das einen verwandelten Gisbert zeigt. Er erzählt die Geschichten anderer, teilt Beobachtungen und scheint seine emotionalen Ausbrüche und Statements gegen eine universelle Akzeptanz ausgetauscht zu haben.

Irgendwann muss sich jeder mal von Trauer und Wut verabschieden – auch ein Gisbert zu Knyphausen. Das neue Gewand steht ihm ausgesprochen gut.