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Bounty Island (live beim Winteraward in Mannheim, 2017) © Alex Schäfer

Der 6. Mannheimer Winteraward machte bei eisigen Temperaturen seinem Namen alle Ehre. Doch die Veranstalter hatten vorgesorgt: mit neuen Ideen wie Glühweinausschank und jeder Menge wärmender Musik.

Alle Jahre wieder ... heißt es nicht nur unter eingefleischten Konzertgängern und Szenekennern in Mannheim auf zum Winteraward. Dass dieser in diesem Jahr auch in der Tat recht winterlich war, dafür sorgten die klirrende Kälte und die daraus resultierende Entscheidung der Macher, dieser mit einem Glühweinausschank entgegenzuwirken.

Programmatisch regierten bei der nunmehr 6. Auflage des nonkommerziellen Eintagesfestivals eher sommerliche Vibes und Töne – umso besser: Draußen Väterchen Frost, drinnen mollige Wärme, das passte einfach prima.

Mit Liebe zum Detail

"Man muss sich immer was neues einfallen lassen", erklärt Festival-Mitorganisator Christian Bethge im Gespräch und in der Tat: Auch dieses Jahr haben er und seine Mitorganisatoren vom Brückenaward e.V. es geschafft, das kleine Pendant zum Brückenaward-Sommerfestival zu etwas einmaligem in der Mannheimer Kulturlandschaft zu machen.

Ob Zuckerwatte, Video, digitales Lagerfeuer oder der schon erwähnte Glühwein zum Händewärmen – die Palette an liebevollen kleinen Details wird von Winter zu Winter größer. Auch die Idee, den Außenbereich des Mannheimer Forums, wo ohnehin immer die Raucher ihrer Sucht frönen, mit einer Außenbühne einzubeziehen, stellte sich als eine gute heraus. Stimmungsvoll beleuchtet bot der Innenhof die perfekte Kulisse für zusätzliche kleinere Singer-/Songwriter-Acts. Sowohl JP Kennedy als auch das Trio Heaven's Bottom Choir fanden jedenfalls ihr Publikum.

Ansonsten blieb auch innen vieles beim Altbewährten: Die beeindruckende Analog-Lichtshow von Keith "Projector" Pearson, das wie jedes Jahr mit allerlei Leckereien bestückte Umsonst-Büffet, die Videoprojektionen mit dem "Best of Melting Butter" und natürlich: Die wilde Musikauswahl ganz ohne Scheuklappen und Genre-Grenzen.

Confusion à la Austria

Den Auftakt zum diesjährigen Programm machte deshalb mit Muddy Confusion eine Band aus dem bayrisch-österreichischen Grenzgebiet. Und da bereits einige Besucher zum offiziellen Fassbieranstich á la Brückenaward gekommen waren, um sich das wie immer aus dem Hause regioactive.de kommende Freibier nicht entgehen zu lassen, hatten die Jungs dankbare Abnehmer für ihren druckvollen Alternative-Rock, der eindeutig starke Einflüsse aus den 1990ern bezieht.

Überhaupt: die 1990er. Es ist augenfällig, wie viele junge Bands abseits des Mainstreams sich beim Grunge, Alternative-Rock, Post-Rock oder Emo der 1990er bedienen. Beim Winteraward erfährt ihnen Gerechtigkeit, so auch der nächsten Band, der Mannheimer Lokalmatadoren Sound Ink, von den Veranstaltern bei Backstage PRO ausgewählt.

Kölscher Frohsinn

Als Nummer drei gesetzt waren Yellowknife. Der Kölner Tobias Mösch, der ansonsten auch bei den Post-Hardcorelern von Ashes of Pompeii Rabatz schlägt, widmet sich mit diesem Projekt den eher gemütlichen Klängen.

Schlagzeug, Bass, Gitarre und Herzblut – mehr braucht es nicht, um sein Publikum mit Pop-Appeal, Melodie und jeder Menge Dynamik zurück in die späten 90er zu versetzen, als Emo noch kein Synonym für kajaltragende Dauertrauriggucker war. Die Folge: eifrig mittwippende Zuschauer und ein gefühlt steigendes Gute-Laune-Barometer.

Der Doktor kommt

Wahnwitz in Tüten servierte danach eine Combo mit dem schönen Namen Dr. Aleks & the Fuckers. Dass das Los-System bei der Brückenaward-Running-Order für manchmal recht aberwitzige Kombinationen sorgt, ist eingefleischten Besuchern des Festivals bereits bekannt. Dass allerdings auf den melodiösen aber doch recht konventionellen Indie-Rock nun ausgerechnet der wahnwitzige Balkan-Ska von Dr. Aleks & seine Fuckers folgen sollte, hätte der Zufall nicht besser fügen können. Bereits der Soundcheck ließ erahnen, dass das was gleich folgen würde, nicht unbedingt Alltagskost sein würde: Trompeten, Posaune und Saxofon, mexikanische Anfeuerungsrufe und ein durchaus ungewöhnlicher Schlagzeug-Aufbau.

Nicht hinter, sondern auf diesem thronte im Verlauf der nächsten 45 Minuten der Namensgeber der Band, Dr. h.c. Aleks himself, um das Publikum auf seine ganz spezielle Weise zu kurieren. "Sexy Gipsy Balkan Action" heißt das Rezept der Stuttgarter gegen trübe Winterdepression und jahreszeitlich bedingte Eiseskälte. Multilinguale Nonsense-Texte auf Ungarisch, Kroatisch, Deutsch und Spanisch, eine liebenswerte Proll-Attitüde, drollige Ansagen, schnelle Offbeats und ein bestens eingespielter Bläsersatz zeigen: Ska's not dead. Er riecht nur etwas – nach durchgeschwitzten Adidas-Jogginghosen und Unterhemden, Sliwowitz und Endorphin. Und auch wenn der Doktor der Meinung ist, der Mannheimer Dialekt sei furchtbar (und dafür einige "Ufbasse" kassiert) rettet er sich selbst wieder mit der Bemerkung "aber die Leute hier sind schön".

Dynamisches Duo

International ist ein gutes Stichwort auch für die nächste Band auf dem Line Up: Aus der Schweiz, genauer aus La-Chaux-de-Fonds im Hochjura kommen Closet Disco Queen.

Luc Hess und Jona Nido haben sich bereits bei den Berliner Post-Metal-Veteranen The Ocean die Bühne geteilt, inzwischen frönen die beiden als Instrumental-Duo ihrem ganz eigenen Sound. Und der erschlägt einen unbedarft den Saal betretenden unter Umständen völlig: Tonnenschwere Riffs und dazu Beats voller Power. Dass da nur zwei Jungs auf der Bühne stehen bzw. sitzen, ist kaum zu glauben.

In südlichen Gefilden

Zuguterletzt hieß es nach einer letzten Umbaupause dann Ahoi und Aloha, Leinen los, auf nach Bounty Island! Mit den durchgeknallten Belgiern gleichen Namens ging es zum krönenden Finale des Abends auf Kreuzfahrt durch orgelgeschwängerte, teils psychedelische, teils unverschämt poppige Klangwellentäler.

Alleine der Look der sechs Musiker auf der Bühne ist das lange Warten wert: Da glitzerten Pailletten, da wackelte die Hula-Hula-Mädchen-Figur auf dem Synthesizer von Tastenmann Robbert und die Sänger Yves und Arthur machten mit ihrem Matrosen-meets-Revuestars-Look auch optisch was her. Dazu Blumenkränze, Rettungsringe, Percussion-Klänge, jede Menge Twang-Gitarren, Saxofonsoli und gleich doppelter Falsettgesang. Da machte das Zuhören Spaß und dementsprechend war die Laune im Publikum auch bei Band 6 des Abends ungebrochen gut.

Tanzen bis in den Morgen

Wer dann noch nicht genug hatte, konnte sich von Mannheims Indie-Darling Laura Carbone im Kombinat bei der Aftershow-Party noch eine tanzbare Mischung von den Plattentellern servieren lassen.

Fazit: Auch den sechsten Winteraward können die Macher als Erfolg verbuchen und nun heißt es wieder warten auf den Sommer. Denn nach dem Winteraward heißt bekanntlich vor dem Brückenaward. Wir freuen uns schon drauf – dann sicher ohne Glühwein.