In Extremo (live in Mannheim, 2009)

In Extremo (live in Mannheim, 2009) © René Peschel

Vergangene Nacht verschlug es sieben Vaganten, die ihr Glück in der Höllen fanden, vor die Tore der Stadt Mannheim. In Extremo bliesen im Rahmen ihrer Tranquilo-Akustik-Tour ins Mannheimer Capitol zum Konzert. Um ihre treue Gefolgschaft vor einer längeren musikalischen Schaffenspause milde zu stimmen, ja zu entschädigen, bot das Berliner Septett vor seinem Abtritt ein ganz spezielles Programm: Ein fast gänzlich akustischer Querschnitt durch die Machenschaften der letzten 15 Jahre.

{image}Kurz nach Acht fielen sprichwörtlich die Vorhänge und es bot sich ein Blick auf ein prächtig ausgestattetes Wohnzimmer der späten 20er Jahre. In Anlehnung dazu betraten die sieben Spielmänner von In Extremo, die sich der Zunft des Mittelalter-Rocks verschrieben haben, stilecht in 20er Jahre Kluft die Bühne, wobei Harvenmann Andrè Strugala und Ersatztrommler "Herr Otto" in ihren bunten Aloha-Hemden nicht ganz in dieses Bild passten. Als Eröffnungslied zu diesem "unplugged"-Abend dienten die Merseburger Zaubersprüche aus der Kehle von Micha Rhein, der sich dazu entschied, dieses Konzert sitzend vom Sofa aus zu geben. Ganz im Sinne des Tourmottos: "Tranquilo – Entspann Dich". Man singt, wie man sich bettet. 

{image}Die entspannte Spielwut der sieben Mannen wurde nach einstündigem Musizierens nur durch eine kleine Zigarettenpause gebremst. Diese wurde nach In diesem Licht, Ave Maria und Lebensbeichte, welches mit tatkräftigem Einsatz eines von Sänger Rheins als Wurst-Fagott bezeichneten Instruments gespielt wurde, das sich angeblich auch prima zur Wurstherstellung zweckentfremden lässt, gerne gestattet. 

Alte Songs in neuem Gewand: Das Auslassen von elektronischen Spielereien zieht seinen eigenen Charme mit sich, obwohl bei In Extremo die elektronischen Instrumente allenfalls eine Nebenrolle spielen. Viel mehr dominieren mittelalterlich angehauchte Instrumente, wie die von Marco Zorzytzky gespielte Drehleier (ein Streichinstrument, bei dem die Saiten durch eine Kurbel bespielt werden) oder der von Boris Pfeiffer gespielten Nyckelharpa (ein Streichinstrument mit Tasten), wenn diese beiden nicht gerade in ihre Sackpfeifen blasen.

{image}Durch das Fehlen der elektronischen Einflüsse lassen sich die Songs teilweise völlig anders deuten, sie erhalten mitunter eine völlig andere Grundstimmung, als in der Urfassung. Die Rumtreiberballade Frei zu sein wirkt völlig entschärft, Verehrt und Angespien lässt sich mit zugedrücktem Auge schon fast ins Jazz-Genre einreihen. Emotionalere Stücke dagegen, wie die Halbballade Vollmond und die mit "Wir können auch anders" angepriesene Abrechnung mit dem Tod Unter dem Meer, erreichen durch die rein akustische Spielweise eine Tiefgründigkeit, die mit elektronischen Gitarren nicht zu realisieren wäre.

Im Gros lässt sich aber sagen, dass die gespielten Titel in keinster Weise an "Schönheit" oder "Einzigartigkeit" verloren haben, ganz im Gegenteil, der Band und vor allem den Gittaristen Sebastian Lange und Kay Lutter, der seine Finger teilweise nicht vom E-Bass lassen konnte, steht dieses akustische Experiment ziemlich gut. Und zwar so gut, dass neben In Extremo-Meilensteinen wie Herr Mannelig, Die Gier und dem finalen Küss Mich, selbst eine AC/DC-Interpretation von It’s a long way to the top Einzug auf der Setliste fanden.

In Extremo – In Vollendung.

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