Die Zweitauflage des Maifeld Derby Festivals war trotz Unwetter am zweiten Tag ein voller Erfolg.

Die Zweitauflage des Maifeld Derby Festivals war trotz Unwetter am zweiten Tag ein voller Erfolg. © Simon Fessler

Es gibt gute und es gibt schlechte Fortsetzungen. "Das Imperium schlägt zurück" gehört zu den guten, "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" zu den (sehr) schlechten. Das Maifeld Derby 2012, die zweite Auflage des Mannheimer Festivals nach dem erfolgreichen Erstling im letzten Jahr, hatte trotz Unwetters die Macht mit sich und die Peitsche liegen gelassen. "Schuld" daran trugen wunderbare Bands und eine tolle Organisation.

{image}Das Maifeld Derby am Mannheimer Reitstadion ging 2012 in seine zweite Runde, wieder ohne Pferde (besser ist das), dafür noch besser als im letzten Jahr. Den ersten Festivaltag läuteten Bourbon Seas ein. Die Heidelberger hatten sich zuvor über Backstage PRO den Auftritt auf dem Maifeld Derby sichern können. Der war auch ihr erster auf einem Festival in diesem Jahr überhaupt. "Nur mit der Sonne haperts," stellten die Jungs fest. Daran änderte sich den ganzen Tag über auch wenig.

{image}Der Parcour d'amour im Reitstadion, wie auch im letzten Jahr die Bühne für die intimeren Konzerte, war vom Wetter dank Überdachung weniger abhängig. Hier überzeugte uns Bischler, der mit Unterstützung eines weiteren Musikers alles etwas ruhiger anging. Vor ihm das Publikum in den Rängen, hinter ihm der Stadionboden und danach einige Hallen, in denen der Wind die Notausgangsschilder bedrohlich wackeln ließ. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht sicher, ob das ein Zeichen für ein Unwetter ist, oder ob der Wettergott Bischlers Publikum zum Mitschunkeln einladen wollte. Für die zweite Variante sprach Bischlers Version von Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus, die er zwar nicht wie Elvis, aber doch ganz ordentlich vortrug.

{image}Vierkanttretlager spielten derweil auf der Open Air-Bühne knackige Songs mit gehaltvollen Texten. War das schon Diskurspop oder doch nur deutschsprachiger Indie? "Wir retten, was die Volksmusik entwürdigt hat" – die Rede ist vom Akkordeon, das zum Song Fotoalbum ausgepackt wurde. Bereits im letzen Jahr gab es zwei Überraschungsslots. In diesem Jahr sollten es sogar drei werden: Für die Teilnehmer des Maifeld Fahrrad Rodeos, einer Fahrradtour aus der Mannheimer Innenstadt zum Festivalgelände, trat am Samstag Tim Neuhaus auf. Am Freitag zuvor gab sich We Invented Paris in Form des Frontmanns Flavin die Ehre, auf dem Parcour d'amour das Publikum zu überraschen. Uns blieb die bedrohlich wankende Videoleinwand hinter ihm in Erinnerung, die die Bühnencrew daraufhin mit Spanngurten sicherte.

{image}Wie man sich täuschen kann, wenn man nur die zwei bekanntesten Lieder eines Künstlers hört, offenbarte uns Susanne Sundfør. Ihr Cover von Bob Dylans Walls und I Resign von ihrem Album Take One klangen im regioactive.de-Büro nach Klavierpop wie bei Katie Melua. Live setzte die Norwegerin hingegen auf tiefe Bässe, Synthies und dicke Beats. Dazu tanzte und hüpfte sie wie verrückt auf der Bühne, sang abwechslungsreich und befeuerte das Ganze noch mit Strobo-Gewittern. Die Bühne überspannte ein Spinnennetz, das vom Bass und einer Rauchmaschine in Bewegung gehalten wurde. Die Katie Melua-Vergleiche sparten wir uns danach.

{image}Bezaubert wurden wir im Anschluss von Talking to Turtles. Das Duo aus Leipzig sang zweistimmig leise Lieder und hatte ein Xylophon dabei. Dazu wurden Samples, eine Fußschelle, akustische Gitarren und noch viel instrumentaler Schnickschnack serviert. "Wir haben einen besonderen Gast, eine Fliege auf meinem Mikrofon, die mich die ganze Zeit anstarrt", sagte Sänger Florian Sievers, während der mittlerweile strömende Regen vom Wind in seinen Rücken gedrückt wurde. Die ersten Laternen gingen auch schon an und die Notausgangsschilder wehten weiterhin im Wind. Am Ende des Auftritts war das Stadion mucksmäuschenstill, weil die Band ohne Mikrofon und Verstärker spielte.

Olli Schulz füllte das Palastzelt daraufhin, brachte die Menschen zum lachen und war auch sonst ganz Olli Schulz, wie wir ihn bereits in Frankfurt erleben konnten. Ähnlich ging es bei Friska Viljor zu, auch wenn sich die Stimmung hier viel mehr in Richtung Tanzen verschob.

{image}Die letzten Mutigen versammelten sich am Ende des Tages im "Play Me Room", der 3 1/2-Bühne des Maifeld Derbys. Die Bühne wurde von der Brückenaward-Crew kuratiert, die ansonsten jedes Jahr zweimal in Mannheim das gleichnamige Festival organisiert. Rome Asleep eröffneten das kleine Zelt und zerstörten dank treibendem Schlagzeug, Surfpunk-Gitarre und verzerrtem Gesang die lauschige Feier-Atmosphäre der Headliner. War das noch Hardcore oder doch schon Kunst? Gerade zu Beginn waren wir uns nicht sicher, was die Mannheimer da eigentlich trieben, mitreißend war es aber ohne Frage. Noch brachialer wurde es bei Monopeople, dem Schlagzeug-Bass-Krach-Duo aus Trier. Beim letzten Auftritt der Jungs begeisterten sie das Publikum. Auch auf dem Maifeld lockten sie eine große Menschenmenge an und sicherten vielen Zuschauern für den nächsten Tag bestimmt auch die freudige Erfahrung eines Tinnitus.

{image}Hooded Fang und Royal Baths gaben dem müden Publikum noch den Rest, wenn auch sehr entspannt; die einen mit Surfmusik, die anderen mit 60s-Anleihen. Am Samstag eröffeneten Die Felsen das Derby. Wie Bourbon Seas hatten die Ludwigshafener ihren Auftritt auf dem Festval über Backstage PRO bekommen. Die Jungs stellten sich als Band "aus Ludwigshafen, der schönsten Stadt am Rhein" vor und ließen das Mannheimer Publikum lachen. Das hatte sich wegen der stechenden Sonne in den Schatten der wenigen Bäume auf dem Gelände gerettet. Orph aus Weimar zeigten danach vollen Einsatz mit Kostümen, die für sommerliche Temperaturen nicht geeignet waren. Für Auftritte südlich des Weißwurst-Äquators dürften Kosakenmütze und Pelzumhang sowieso zu warm werden.

{image}Me and My Drummer spielten als erste Band des Tages im Zelt, das trotz früher Uhrzeit schon voll war. In manchen Momenten ähnelten die Berliner Wildbirds & Peacedrums, wenn der Sound aber voller wurde, zeigte sich die Eigenständigkeit der Band: Das Schlagzeug ist bei Me and My Drummer, trotz des Namens, nicht so überpräsent wie bei den Schweden, das Keyboard und die Effekte dafür eindringlicher. Zu Recht war das Publikum begeistert und freute sich auch darüber, dass die Band leider nur Vinyl-Platten auf dem Merchandise-Stand verkaufen konnte. Man weiß Gutes in Mannheim eben zu schätzen.

Auf dem Parcour d'amour sahen wir Charlie Barnes noch sein Mikrofon auf den Boden werfen und lauten Applaus ernten. Es folgte I Am Poet, aber nicht wie angekündigt allein, sondern mit Band. Und während im Hintergrund Flugzeuge und Hubschrauber starteten und ein Storch im Tiefflug über die Tribüne flog, ging es bei den Heidelbergern erst laut los, um dann leiser und leiser zu werden. Nach dem Rumstehen in der Hitze eine wunderbare Abwechslung.

{image}Dear Reader konnten am Samstag zweimal spielen, zuerst im Palastzelt und dann kurz darauf als Überraschung auf dem Parcour d'amour. Beim ersten Auftritt war das Wetter noch angenehm. Sängerin Cherilyn MacNeil freute sich über das Maifeld-Publikum, das Maifeld-Publikum freute sich über Cherilyn MacNeil und Songs wie Great White Bear, ein etwas anders arrangiertes Dear Heart oder Mole, zu dem es in zwei Wochen auch ein Video geben soll. Der zweite Auftritt fand dann als Überraschung mitten im Unwetter statt, das das Maifeld Derby traf. Hier regnete es so stark, dass die Band etwas näher ans Publikum rücken musste, um nicht nass zu werden. Sehr zur Freude der Fans. Tu Fawning begeisterten mit einem Schlagzeug des Todes. Joe Haege, der im letzten Jahr bereits mit seiner anderen Band 31 Knots hier war, lobte zwischen den Songs das Maifeld Derby (was wir sofort unterschreiben) und sagte ansonsten ganz oft, dass man auf der Bühne gerade Tu Fawning aus Portland, Oregon sähe. Wir konnten es uns gerade so merken.

{image}We Invented Paris spielten daraufhin ihren zweiten Gig auf dem Derby, diesmal in vollständiger Besetzung. Mit einer drohenden Wolkenwand im Rücken des Publikums, dass das nahende Unwetter schon ankündigte, legte sich die Band voll ins Zeug. Den Motivationsruf "Hopp Schwyz", den das Derby-Team da nicht ganz korrekt ins Begleitheft packte (Schwiiz!), brauchten die Jungs nicht . Sie nahmen das Publikum auch so im Handstreich, spätestens als sie zur Feier ihrer ersten Singleveröffentlichung Wasserbälle und Seifenblasenspender ins Publikum warfen. Die Partystimmung zog sich bis zum Ende des Auftritts hin, obwohl es hier bereits in Strömen regnete und der Himmel von Blitzen durchzogen wurde.

{image}Im Palastzelt konnte man sich mit John K. Samson das Unwetter aus sicherer Entfernung ansehen. Der Frontmann der Weakerthans sang gegen den Sturm an und bekam am Ende sogar als einziger von allen Bands, die wir erlebten, die Chance auf eine Zugabe. Samson sang sich sozusagen mitten ins nasse Herz des Publikums. Draußen verabschiedete sich derweil fast das Zelt des Greener Maifeld Derbys, seine Lust zum Fliegen konnte dann aber gerade noch verhindert werden. Vorher konnte man sich hier über die Maßnahmen des Maifeld Derbys zum Umweltschutz im Rahmen des Festivals informieren (nächstes Jahr bitte mehr dazu!). Erfolgreicher war der alte Paulus da leider mit der Openair-Bühne, die sein Sturm unbenutzbar machte. Das führte dann dazu, dass Sizarr ausfallen mussten und Long Distance Calling hinter den Auftritt von Frittenbude verschoben wurden.

{image}Im Parcour d'amour sorgten The Miserable Rich für Erholung unter den Unwetter-Geplagten. Mit Cello, Kontrabass und Violine boten sie einen abwechslungsreichen Sound und ganz wunderbar arrangierte Songs dar. Mit seinen teilweise auf Deutsch vorgetragenen Ansagen ("Weltschmerz!") entwickelte sich Sänger James de Malplaquet schnell zum Publikumsliebling. Dies schloss spätestens dann die ganze Band ins Herz, als sie für akustische Zugaben mitten in den Sitzreihen Aufstellung nahmen.

{image}We Have Band ließen das Unwetter ebenfalls schnell vergessen und brachten das Zelt zum Beben. Eine Frage stellte sich uns aber während des gesamten Auftritts: Was macht die Frontdame Dede Wegg-Prosser eigentlich, außer gut auszusehen und ab und zu ein paar Samples loszuschlagen und drei Wörter zu singen? Sie scheint mehr das Maskottchen als wirklich aktives Mitglied der Band zu sein.

Während man sich zu den Songs vom neuen Album Ternion trocken schüttelte, versuchte Bayern München auf der Leinwand der Brückenaward-Bühne gegen Chelsea zu treffen, mit bekanntem Ende.

{image}Hätten sie mal statt David Garrett die Blood Red Shoes oder Frittenbude zur Eröffnung nach München eingeladen. Denn beide Bands holten noch einmal die letzten Kraftreserven aus dem Publikum heraus, und wer danach noch stehen konnte ... nein, das ist unrealistisch. Es konnte keiner mehr stehen. Mit High Places und den verschobenen Long Distance Calling ging der Samstagabend und damit auch das Maifeld Derby ruhiger zu Ende.

Am Ende blieb uns die Erinnerung an zwei Tage voller interessanter Bands und eine Festivalorganisation, die nach außen hin selbst ein heftiges Unwetter kaum durcheinander bringen konnte. Was wir uns für das nächste Jahr wünschen? Das Gleiche bitte noch einmal!