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Daniel Johnston, kurz nach Beginn seines Konzerts. Hier begleitete er sich noch selbst mit der Gitarre. © Daniel Nagel

Mit den üblichen Maßstäben kann man nicht auf Daniel Johnstons Konzert im Heidelberger Karlstorbahnhof eingehen: Was man auf der Bühne zu sehen bekommt, kann nur ein Bruchstück dessen sein, was den Künstler ausmacht. Der Versuch einer Beschreibung des einzigen Deutschlandauftritts des Kaliforniers seit und wahrscheinlich auch für Jahre.

15 Minuten dauert Daniel Johnstons eigentlicher Auftritt im Karlstorbahnhof Heidelberg. In dieser kurzen Zeit steht er allein auf der Bühne und begleitet sich selbst auf der Gitarre. Das klappt nicht immer ganz: Seine Hände zittern zu stark, er trifft die Saiten selten richtig und den Takt auch eher schlecht als recht.

Es herrscht eine freundliche Atmosphäre aber auch angespannte Atmosphäre, weil man den Mann auf der Bühne kämpfen sieht. Mit den Songs. Mit sich selbst. Trotzdem hat er Spaß, sucht sich in den Pausen das nächste passende Lied aus seinem Songbuch heraus oder erzählt von seiner Vorliebe für den Zweiten Weltkrieg: "Seid ihr nicht froh, dass wir gewonnen haben?" Er trinkt viel Wasser, ein Dutzend Flaschen stehen vor ihm.

Star aus dem Underground

Daniel Johnston ist vor allem für seine Homerecordings bekannt, für seine teilweise kindlichen Songs, für seine Comicfiguren, besonders den allgegenwärtigen Frosch. Er war es auch, der ihm in den 90ern zum Durchbruch im bescheidenen Ausmaß verhalf: Kurt Cobain trug den Frosch als T-Shirt-Motiv und machte so aus Johnston, der Hilfskraft bei McDonalds, einen bekannten Musiker.

Das ist die eine Seite des Kaliforniers, die wiederum eng mit der anderen Seite verwoben ist: die des Mannes, der an einer bipolaren Störung und Schizophrenie leidet. Krankheiten, die ihn oft daran hindern, in seiner Kunst noch weiterzugehen. Die dafür sorgen, dass er zusammen mit seinem Vater mit dem Flugzeug abstürzt, weil Daniel den Schlüssel des Flugzeugs zieht.

Unverschämt eingängig

Seine Musik machte ihn in der Indie-Szene berühmt, neben R. Stevie Moore gehört er wohl den zu den herausragendsten Homerecording-Künstlern. Und das ist noch heute so, der Karlstorbahnhof in Heidelberg ist gut gefüllt. Johnstons Musik hat einen gewissen naiven Charme an sich.

Er singt von Casper, dem freundlichen Geist, dann in unzähligen Songs wieder von Bestattern: Weil die Frau, die er geliebt hatte, lieber einen Bestatter heiratete, was er jahrelang thematisierte. Hört man bei den Songs und den Texten genauer hin, erkennt man den Mann hinter der Krankheit und versteht, warum ihn seine Fans so verehren: Wie Moore schreibt auch Johnston oft simple, aber immer wunderschöne und vor allem eingängige Popnummern.

Unberechenbar

Live ist das nicht so schnell zu erkennen wie auf Platte. Über allem schwebt Johnstons Krankheit, weil jeder im Publikum davon weiß, weil sie so offensichtlich ist. Es gehört daher eine Prise Fantasie dazu, Johnstons Songs und in der Folgerung Talent zu erkennen. Nicht nur im Soloteil: Nach den 15 Minuten kommt er mit drei weiteren Musikern auf die Bühne.

Für sie ist es wohl nicht weniger schwer, ihm zu folgen, wie für die Fans vor der Bühne: Mal singt er zu schnell oder zu langsam, dann beendet er ein Lied einfach oder fängt ohne Absprache ein Neues an. Eine halbe Stunde lang geht das so, dann ist Schluss. Sein Bruder, der auch sein Betreuer und Tourmanager ist, holt ihn von der Bühne.

Alles und nichts

In den letzten Jahren wurde Daniel Johnston durch neue Veröffentlichungen und ein konstantes, aber behutsam abgestimmtes Tourkonzept nicht nur berühmter und aufmerksamer von den Medien verfolgt, sondern auch finanziell unabhängig (was er auch gerne nutzt). Man kann sich fragen, welche Rolle seine Krankheit dabei gespielt hat. Fakt ist, dass er erst von seiner Kunst leben kann, seit sich sein Zustand seit Ende der 90er gebessert hat.

Trotzdem bleibt sie immer die Hintergrundgeschichte, gerade weil seine Liveauftritte immer noch von ihr bestimmt werden. Und das ist auch das Paradoxe: Deswegen können seine Auftritte auf der einen Seite nichts über seine Musik aussagen, weil Johnston hier zu sehr gehindert ist. Andererseits machen seine Auftritte auch ganz deutlich, warum seine Musik so ist, wie sie ist, und sagen dadurch alles über sie aus.

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